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Lili - Heft 118



Thema: Sprache des Rechts

Herausgeber dieses Heftes:
Rainer Dietrich und Wolfgang Klein






Inhalt

Wolfgang Klein
Einleitung - Introduction

Berliner Arbeitsgruppe
Sprache des Rechts. Vermitteln, Verstehen, Verwechseln
The language of law. Communication, understanding and misunderstanding.

Inge Lasser
Verständliche Gesetze - eine Utopie? Bemerkungen aus lingistischer Sicht zur sprachlichen Gestaltung von BGB und ZGB der DDR
Understandable laws - a chimera? A linguist’s remarks on the linguistic form of BGB and ZVG of the former GDR.

Rainer Dietrich und Katja Kühn
Transparent oder verständlich oder wie was verstanden wird. Eine empirische Untersuchung zum Verstehen eines juristischen Textes.
Transparent or understandable, how to understand what? An empirical investigation on the understanding of a legal text.

Günther Grewendorf
Die sprachliche Pflege des Rechts. Linguistische Aspekte der Rechtsprüfung.
Amending legal language. Linguistic aspects of law checks.

Wolfgang Klein
Was uns die Sprache des Rechts über die Sprache sagt.
What the language of law tells us about language.

 

Labor

Amelie Pitters
Das Verschwinden des Autors

Karl-Wilhelm Schmidt
Zur Rückkehr des Epischen in der deutschsprachigen Literatur der neunziger Jahre. Die Welt als Chaos in Karen Duves Regenroman

Gerald Funk
Zwischen Apokalypse und Arkadien. Zu den Bildwelten Horst Langes im Dritten Reich







Wolfgang Klein

Einleitung

Die Schrift ist unveränderlich, und die Meinungen sind
oft nur ein Ausdruck der Verzweiflung darüber.

Franz Kafka

 

Wilhelm Wundt, der Begründer der experimentellen Psychologie, war der Meinung, daß sich viele psychische Gegebenheiten nicht experimentell untersuchen lassen. Dazu rechnet er vor allem die Sprache, aber auch viele andere komplexe Formen des menschlichen Wissens und Verhaltens, wie beispielsweise religiöse Überzeugungen, Mythen, Ideologien und nicht zuletzt das Recht in seinen unterschiedlichen Graden der Kanonisierung. Sie sind der experimentellen Forschung nicht oder nur am Rande zugänglich, weil es sich nicht das Seelenleben des Einzelnen, sondern das eines ‘Volkes’ - heute würde man sagen, einer sozialen Gruppe - betreffen. Sprache, Religion, Sitte, Recht sind, in der Redeweise Emile Durkheims, eines seiner soziologischen Zeitgenossen, keine ‘faits individuels’, sondern ‘fait sociaux’. Das vorliegende Heft befaßt sich mit dem Zusammenhang zweier dieser ‘faits sociaux’ - mit der Sprache des Rechts. Im Mittelpunkt steht, anders als bei anderen LiLi-Heften, ein Projekt - das Ende 1999 von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften begonnene Projekt ‘Sprache des Rechts. Vermitteln, Verstehen, Verwechseln.’ Ziele und Vorgehen dieses Vorhabens werden im ersten Beitrag ausführlich erläutert. Zwei Punkte sind besonders wichtig. Zum einen ist es interdisziplinär - es sind gleichermaßen Jurist/innen wie Linguist/innen beteiligt; zum andern ist es empirisch, ja in wesentlichen Teilen experimentell. Das ist nicht einfach, vielleicht gar unmöglich, wenn man denn Wilhelm Wundt Glauben schenkt. Aber nun ist eines, was der Einzelne von der Sprache weiß und wie er davon Gebrauch macht, und ein anderes, was die Sprache selbst ist. Ebenso ist eines, was einer vom Recht weiß und wie er davon Gebrauch macht, und ein anderes, was das Recht ist. Hier geht es darum, wie der Einzelne die Sprache des Rechts versteht oder auch mißversteht. Nun gibt es nicht den Einzelnen, sondern nur viele einzelne - Juristen, Laien, schließlich nichtjuristische Experten - man denke etwa an baurechtliche Vorschriften. Je nachdem, mit welchem Vorwissen jemand an das geschriebene Recht herantritt, schwanken Verstehen und Verständlichkeit, und wie dies geschieht, läßt sich sehr wohl empirisch untersuchen.

Die Artikel von Inge Lasser und von Rainer Dietrich und Katja Kühn berichten über die ersten Versuche, das Programm des Akademievorhabens in konkrete Forschung umzusetzen. Der Beitrag von Günther Grewendorf ist nicht unmittelbar im Zusammenhang des Berliner Projekts entstanden, bezieht sich jedoch sehr eng darauf; Grewendorf demonstriert an einer Reihe von Beispielen, wie schlecht beraten bisher die - gesetzlich vorgeschriebenen - Versuche sind, Gesetzestexte sprachlich zu überprüfen. Zu tadeln sind jedoch nicht so sehr die Juristen als vielmehr die Linguisten, die es an geeigneter Hilfe fehlen lassen. Im abschließenden Beitrag von Wolfgang Klein schließlich geht es um die umgekehrte Frage - was können die Linguisten aus der Sprache des Rechts für ihre eigentliche Aufgabe, nämlich die Analyse der menschlichen Sprache lernen.

 

All diese Beiträge stammen von Linguisten. Sie reflektieren daher nur eine der beiden Perspektiven auf die Sprache des Rechts, nämlich die sprachwissenschaftliche. Dies entspricht der Ausrichtung einer ‘Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik’, aber es gibt ein einseitiges, wenn nicht gar verzerrtes Bild. Es ist beabsichtigt, in einem späteren Heft die andere, die juristische Perspektive stärker zur Geltung zu bringen.


 

Summaries



 

Inge Lasser

Verständliche Gesetze – eine Utopie?
Bemerkungen aus linguistischer Sicht zur sprachlichen Gestaltung von BGB und ZGB der DDR

This contribution focuses on the issue of how it would be possible to word legislative writing in such a way that persons who are not experts in legalese can understand it. The perspective taken in the paper is that of a linguist. The issue is approached via a comparison of the language used in the currently applicable German Civil Code (the Bürgerliches Gesetzbuch) with the language used in the civil code which was applicable in the German Democratic Republic from 1976 until 1990. The examples which figure in the textual analysis illustrate a number of reasons for why the civil code issued by the German Democratic Republic is more accessible to an educated reader without legal training than the text of the Bürgerliches Gesetzbuch. The author concludes that various adaptations of the Bürgerliches Gesetzbuch in accordance with textlinguistic and psycholinguistic criteria would help the reader in processing and thus in understanding the text. A number of these adaptations require only small adjustments in the text itself. It is also proposed that presentation of the Bürgerliches Gesetzbuch in hypertext offers a multitude of possibilities to make the text more accessible to the citizen and more useful to the legal expert.