Für eine korrekte Darstellung dieser Seite benötigen Sie einen XHTML-standardkonformen Browser, der die Darstellung von CSS-Dateien zulässt.

Lili - Heft 121



Thema: Bedeutungswandel I

Herausgeber dieses Heftes:
Wolfgang Haubrichs





Inhalt

Wolfgang Haubrichs
Einleitung - Introduction

Peter Koch
Bedeutungswandel und Bezeichnungswandel. Von der kognitiven Semasiologie zur kognitiven Onomasiologie
Change of meaning and change of designation. From cognitive semasiology to cognitive onomasiology

Maria Besse
Das Verhältnis von Erb- und Lehnwort in der Fachsprache der Winzer. Am Beispiel des Sachbereichs "Rebe"
The relationship between loan word and genuine word in the special language of the winegrower. For example the field "vine"

Peter Godglück
Gestus und Formel. Anmerkungen zum Verhältnis von Hand- und Sprachhandlungen und ihrer Geschichte
Gesture and formula. Some remarks on the history and relation of body- and speech acts

Siegfried Kreuzer
Von Ave bis Zores. Hebräische und semitische Wörter in unserer Sprache
From Ave to Zores. Hebrew and semitic words in our language

 

Labor

Eckhardt Momber
Aus gegebenem Anlaß. Zum Schundautor Wolfgang Koeppen

Stefan Hemler
Ein "geradezu gespenstisch" anmutender Plan? Eduard Hartls Wolfram-Projekt im Lichte des Münchener Nachlasses

Atsuko Aoki
Die Struktur der doppelten Wiederholung in Schillers Fiesco








Wolfgang Haubrichs

Einleitung


Bedeutungswandel? Selbst die 'Bedeutung', zumindest das Wort, ist nicht mehr das was sie einmal war. Im Mittelhochdeutschen war die bediute jene (oft spirituelle) Qualität einer Sache, eines Wortes, eines Diktums, die auf anderes hinwies, ja über sich hinauswies auf eine Interpretation jenseits der Oberfläche, somit signifizierte, anzeigte, repräsentierte, ansagte. Wer, der heute alltagssprachlich das Adjektiv 'bedeutend' verwendet, wird noch diese ur-sprüngliche semantische Notation des Wortes mitdenken? Wer, der Goethe liest, wird bei seinem Gebrauch des Attributs 'bedeutend' die von ihm noch mitgemeinte Notation des 'Signifikanten' mithören?

Dieses LiLi-Heft nun ist dem Bedeutungswandel und in einem weiteren Sinne der histori-schen Semantik gewidmet, die in den letzten Jahrzehnten erhöhte Aufmerksamkeit in den Sprachwissenschaften und Philologien gefunden hat. Das Heft wird eröffnet mit einem Beitrag von Peter KOCH (Tübingen), der sich in einem grundsätzlichen und weit ausschauenden Beitrag mit "Bedeutungswandel und Bezeichnungswandel" beschäftigt. Es geht ihm um die Einbettung der lexikalischen Semantik in moderne Konzepte des Sprachwandels, wie sie zu-mal von Eugenio Coseriu, Helmut Lüdtke und Rudi Keller entwickelt wurden. Der Autor entwirft eine umfassende, mehrdimensionale und an Beispielen aus verschiedenen Sprachen erprobte Typologie des semantischen Wandels, in der letztendlich das semasiologische Primat des Bedeutungswandels vom onomasiologischem Primat des Bezeichnungswandels abgelöst wird. Das typologische Raster entfaltet sich in drei Dimensionen, nämlich in der kognitiven (etwa als "taxonomische Superordination" zwischen Unter- und Oberbegriff), in der formalen, in der z.B. Mutationen der Wortbildung (etwa Suffigierung) verzeichnet werden, und schließlich in der Dimension der ethnischen Stratifikation des Lexikons, in der z.B. die Mutationen der Entlehnungsprozesse einzuordnen sind. Mit dieser Typologie ist das Fundament einer Komparatistik des Bedeutungs- und Bezeichnungswandels, also der historischen Semantik, gelegt.

Der 'ethnischen' Stratifikation von Wortschatz in einer Fachsprache widmet sich Maria BESSE (Kaiserslautern) in ihrem Aufsatz « Das Verhältnis von Erb- und Lehnwort in der Fachspra-che der Winzer am Beispiel des Sachbereichs "Rebe" ». Gemeinhin nimmt man an, daß gerade die deutsche Winzersprache - auf einleuchtenden sachlichen Voraussetzungen aufbauend - auf das Intensivste durch lateinische und romanische Lehnwörter geprägt ist. Die Autorin listet die in Frage kommenden Bezeichnungen in einem zentralen Sachbereich der Winzerfachsprache akribisch auf, etymologisiert diese und stellt fest, daß die deutsche Komponente der Winzersprache mindestens ebenso bedeutend, wenn nicht sogar schwergewichtiger ist als die romanische, deren Intensität dennoch weiterhin bemerkenswert bleibt und auf romanische Substrate gerade in den weingeprägten Landschaften des Rheinlandes und Süddeutschlands zurückweist. Das nähere Verhältnis beider Schichten bleibt noch zu bestimmen und wird Aufgabe eines in Arbeit befindlichen 'Wörterbuchs der deutschen Winzersprache' bilden, dessen Sonderstellung unter den deutschen Fachsprachenwörterbüchern damit zugleich skizziert wird.

Wieder einem ganz anderen Bereich der Semantik, nämlich dem Zusammenwirken von Sprache und paralinguistischen Zeichen in der Konstitution der Bedeutung wendet sich Peter GODGLÜCK (Saarbrücken) in seinem Aufsatz « Gestus und Formel. Anmerkungen zum Ver-hältnis von Hand- und Sprachhandlungen und ihrer Geschichte » zu. Bereits 1971 hatte der amerikanische Linguist Kenneth L. Pike "die Forderung nach Grammatiken erhoben, die sich nicht nur mit sprachlichem Ausdruck im engeren Sinne befassen, sondern die vielmehr auch die der Rede kookkurenten, alle Kommunikation mitkonstituierenden Ereignisse und Handlungen in die linguistische Betrachtung einbeziehen." Inzwischen hat eine den kulturwissenschaftlichen turn der letzten Jahre mitvollziehende Mediävistik selbst den Blick auf die raison des gestes, auf die Bedeutung der Körperlichkeit sprachlicher Handlungen gelenkt. Es liegt 'auf der Hand', daß gerade Sprachhandlungen und Kunstformen, die sich aus ihrem Aufführungscharakter definieren, wie Drama, wie Spiel, wie aber auch der höfische Minnesang des hohen Mittelalters, kaum ohne das Mitdenken dieser Komponente interpretiert werden kön-nen. Godglück untersucht, nach dem Entwurf einer kleinen Typologie der Beziehungen zwischen 'Körper' und 'Sprache', gewissermaßen der "Philologie des Leiblichen", am berühmten Beispiel des 'Hiltegunde'-Liedes Walthers von der Vogelweide und der darin enthaltenen Formel "auf den Leib schwören" die Implikationen, welche dem Text eingeschriebene Leiblichkeit in Wechselwirkung mit der Aufführungssituation haben kann. Nicht zuletzt wird in dieser Interpretation das ironisch virtuose Spiel des Künstlers mit rituellen Handlungen deutlich.

Dieses Heft war ursprünglich gemeinsam mit Brigitte Schlieben-Lange (†) geplant und zum Teil noch vorbereitet worden. Sie hat sich in ihrem wissenschaftlichen Wirken verschiedentlich mit den Problemen der Sprachgeschichte und der historischen Semantik befaßt. Es erfüllt mich mit Wehmut, daß sie das Heft nicht mehr weiter begleiten konnte. Mutatio rerum, trauriger "Wandel der Dinge" - doch nicht der Bedeutung, die Brigitte Schlieben-Lange für die Philologien, die dem Worte zugewandten Wissenschaften, und die Herausgeber dieser Zeitschrift besaß und besitzt.

 

 

 




 

Summaries



 

Peter Koch


Change of meaning and change of designation.
From cognitive semasiology to cognitive onomasiology

The author integrates the phenomenon of change of meaning, a semasiological problem, into the larger, onomasiological horizon of change of designation, where, apart from change of meaning, word formation, conversion, idioms, etc. on the one hand and lexical borrowing on the other hand are at the centre of interest. A three-dimensional grid for the classification of diachronic-lexical processes is presented. Whereas in a semasiological perspective only very general and "open" universals of semantic change can be postulated (changes of meaning like metonymy, metaphor, broadening, narrowing, etc.), the onomasiological perspective makes visible much further-reaching and more specific conceptual constants of lexical-semantic change. In this way, we move from a weak to a strong "invisible-hand" hypothesis for lexical change.







 

Maria Besse

Die The relationship between loan word and genuine word in the special language of the winegrower. For example the field "vine"

This study intends to find out the Romance loan words in one specific word field of the vinedressers' language, the vine and its parts, and to compare them with the genuine German words. The quantity of the second is in some areas almost as large as the first or is even superior to the Romance loan words. This concept stands in opposition to older concepts supposing a greater influence of Latin on the German language in the winegrower's language. Trying to retrace the history of the meaning, to illuminate the etymo-logy of these terms and finally to point up their geographical distribution according to the existent dictionaries of German dialects and to historical and etymological dictionaries, particularly those of Kluge-Seebold, REW and FEW, this study shows the necessity of collecting systematically the historic forms in order to study the history of the phonetic evolution of these borrowings and to retrace their way of distribution.







 

Peter Godglück

Gesture and formula.
Some remarks on the history and relation of body- and speech acts

The following remarks are centred round the verse ich wil al der werlte sweren ûf/umb(e) ir lîp by Walther von der Vogelweide (L 74,4). Some of its lexical, syntactic, semantic and pragmatic properties are discussed and integrated into a unified description and an interpretation based on it.







 

Siegfried Kreuzer

From Ave to Zores. Hebrew and semitic words in our language

Leider kein summary vorhanden