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Personale Medien und das Verbrechen: Die Geschichte der ‚Kriminaltelepathie‘ in Deutschland (1880-1980)

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DFG-Paketgruppe

GESELLSCHAFTLICHE INNOVATION DURCH
'NICHTHEGEMONIALE WISSENSPRODUKTION

'Okkulte' Phänomene zwischen Mediengeschichte, Kulturtransfer und Wissenschaft, 1770 bis 1970

 

 

 

 

Personale Medien und das Verbrechen: Die Geschichte der ‚Kriminaltelepathie‘ in Deutschland (1880-1980)

Leitung: Uwe Schellinger, M.A.

 

Der Glaube, die Hoffnung oder auch die Überzeugung, man könne mit Hilfe von personalen ‚Medien‘ Kriminalfälle und begangene Verbrechen aufklären, da diese Personen über außergewöhnliche, ja ‚aussersinnliche‘ Informationskanäle verfügten, erweisen sich im historischen Rückblick als bemerkenswert weit verbreitet und konstant. Ebenso beständig war, nachdem sich entsprechende Ideen im Kontext der modernen Spiritismus-Debatten Ende des 19. Jahrhunderts konkretisierten, die massive Kritik an einem solchen ‚praktischen Okkultismus‘, etwa aus den Reihen der Wissenschaft, der Polizei und der Justiz.
Das Forschungsvorhaben untersucht die historischen Entwicklungslinien der Praxis und Problematik der sogenannten ‚Kriminaltelepathie‘ – so das seit Anfang der zwanziger Jahre verwendete Schlagwort – im Zeitraum von 1880 bis 1980. Zu Beginn des Untersuchungszeitraums standen Vorüberlegungen zum kriminalistischen Einsatz von personalen Medien, die im Umfeld der spiritistischen Bewegung des Kaiserreichs entstanden und sich ‚detektivische‘ Unterstützung aus dem Jenseits versprachen. Im Zuge einer Immanentisierung mediumistischer Praktiken im Rahmen des ‚wissenschaftlichen Okkultismus‘ wurden unter anderem verschiedene explizit ‚praktische‘ Verwendungsmöglichkeiten paranormaler Fähigkeiten verhandelt.
Öffentlich wohl am umstrittensten war hier der Vorstoß einiger Kriminalisten und Wissenschaftler, in einer Verbindung von Anthropologie und Technik personale Medien als kriminalistische Hilfsmittel, und somit fast als ‚technische‘ Instrumente, einzusetzen. Dieser Gedanke kam in unterschiedlichen Fachkreisen seit Beginn der 1920er Jahre vermehrt zur Diskussion und zur experimentellen Erprobung. Entsprechende Berichte und Kontroversen fanden sich umgehend in den Spalten der Tagespresse. Von Wien und dem dortigen ‚Institut für kriminaltelepathische Forschung‘ aus machte schließlich das Schlagwort von der ‚Kriminaltelepathie‘ die Runde. Die Idee einer praktischen Verwendung personaler Medien im Rahmen der Verbrechensaufklärung wurde in der Folge durch die Eigeninitiativen der einzelnen Medien, die massenmediale Aufbereitung des spektakulären Sujets, aber auch durch entsprechende Erwartungshaltungen in der Bevölkerung immens befördert. Die Auseinandersetzung mit dieser nichthegemonialen Praxis der Wissensproduktion auf dem Feld der Kriminalistik verschwand seither – im Grunde bis in die Gegenwart – nicht mehr von der öffentlichen und wissenschaftlichen Bildfläche.
Den Endpunkt des Untersuchungszeitraums bilden hier jedoch die Debatten um die Wissenschaftlichkeit der sich ausdifferenzierten professionellen Parapsychologie im Zuge eines kategorischen Bundesgerichtshof-Urteils vom Februar 1978 sowie deren unmittelbare Nachwirkungen. Die Verhandlungen im Vorfeld des BGH-Urteils hatten noch einmal die Mitwirkung eines ‚Hellsehmediums‘ in einem Ermittlungs- und Gerichtsverfahren (‚Mordprozess ohne Leiche‘ in Heilbronn) zum Ausgangspunkt. Zum damaligen Zeitpunkt befand sich die vom Freiburger Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V. (IGPP) und dessen Direktor Hans Bender maßgeblich geprägte Parapsychologie in Deutschland auf dem Höhepunkt des öffentlichen Interesses.

 

 

VORTRÄGE

 

2011-2015

 

Psychometrie und paranormale Kriminalistik: Der Mannheimer „Hellseher“ Arthur Orlop (1912-1984)

Institut für Stadtgeschichte/Stadtarchiv Mannheim, Reihe „Mittwochs beim Archiv“, 10.6.2015.

 

Integrationsversuche okkulter Fähigkeiten in die Polizeiarbeit: „Kriminaltelepathen“ und „Hellsehdetektive“ im deutschsprachigen Raum (1920-1960)
Konferenz „Institutionalisierung der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Paranormalen im 20. Jahrhundert im internationalen Vergleich“, Universität Freiburg i.Br., Historisches Seminar, 15.-17.10.2014.

Freiburg – locus occultus? Ein Stadtrundgang zu ungewöhnlichen Facetten der Freiburger Sozial- und Wissenschaftsgeschichte (1880–1945)
Kolloquium des Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V. Freiburg i.Br., 23.7.2014.

„Sehr wohl willens, unorthodoxe Wege zu gehen“: Paranormale Ermittlungsmethoden im Entführungsfall Schleyer (1977)
Doktorandenkolloquium des Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V. Freiburg i.Br., 26.6.2014.

Ein Scharlatan als Wohltäter? Zur Biographie und Karriere des „Wunderheilers von Schutterwald“
Ringvorlesung "Medialität der Sinne", Johannes-Gutenberg Universität Mainz, Institut für Film-, Theater- und empirische Kulturwissenschaft, 26.11.2013.

Scharlatan oder Wohltäter? Der „Wunderheiler von Schutterwald“ im Fokus von Öffentlichkeit, Justiz und Wissenschaft 1974 bis 1977

Konferenz "Sinnentwürfe in prekären Lebenslagen. Interdisziplinäre Blicke auf heterodoxe Phänomene des Heilens und ihre Funktionen im Alltag", Universität Mainz, Institut für Film-, Theater- und empirische Kulturwissenschaft, Fach Kulturanthropologie/Volkskunde, 12.9.2013.

„Sehr wohl willens, unorthodoxe Wege zu gehen“: Paranormale Ermittlungsmethoden im Entführungsfall Schleyer (1977)
Doktorandenkolloqium Prof. Dr. Sylvia Paletschek, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i,.Br., Historisches Seminar, 10.2.2012.

Scharlatan oder Wohltäter? Der Wunderheiler von Schutterwald im Fokus von Justiz und Wissenschaft (1974-1977)

Vortrag beim Historischen Verein für Mittelbaden/Mitgliedergruppe Schutterwald e.V., Schutterwald, 5.3.2012.

Wundermänner oder Scharlatane? Jüdische ‚Hellseher‘ und ‚Telepathen‘ im 20. Jahrhundert
Konferenz „Nicht nur Bildung, nicht nur Bürger: Juden in der Populärkultur“, Jüdisches Museum Berin, 29.-30.5.2011.

Die ‚Sonderaktion Heß’ 1941: Beschlagnahmung und ‚Verwertung‘ von Buchbeständen der ‚Grenzwissenschaften’
Viertes Hannoversches Symposium „NS-Raubgut in Museen, Bibliotheken und Archiven“, Niedersächsische Landesbibliothek Hannover, 9.-11.5.2011.

 

 

PUBLIKATIONEN

 

2011-2015

 

(mit Andreas Anton/Michael Schetsche): Pragmatic Occultism in the Military History of the Third Reich, in: Monica Black/Eric Kurlander (Hg.): Revisiting the "Nazi Occult". Histories, Realities, Legacies, New York: Camden House 2015, 157-180.

 

Kriminaltelepathie, in: Gerhard Mayer/Michael Schetsche/Ina Schmied-Knittel/Dieter Vaitl (Hg.): An den Grenzen der Erkenntnis. Handbuch der wissenschaftlichen Anomalistik, hrsg. im Auftrag des Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V. und der Gesellschaft für Anomalistik e.V., Stuttgart: Schattauer 2015, 215-227.

 

(mit Sven Gallinat): Schamanen, Spuk und Zaubermärchen: Biographie und Nachlaß des wissenschaftlichen Grenzgängers Heino Gehrts, in: Heiko Fritz (Hg.): Heino Gehrts: Justinus Kerner und die Zeit der Aufklärung (Gesammelte Aufsätze 2), Hamburg: Igel Verlag 2015, 5-22.

 

Scharlatan und Wohltäter: Der "Wunderheiler von Schutterwald" im Fokus von Öffentlichkeit, Justiz und Wissenschaft, in: Mirko Uhlig/Michael Simon/Johanne Lefeldt (Hrsg.): Sinnentwürfe in prekären Lebenslagen. Interdisziplinäre Blicke auf heterodoxe Phänomene des Heilens und ihre Funktionen im Alltag (Mainzer Beiträge zur Kulturanthropologie/Volkskunde 9), Münster-New York: Waxmann 2015, 155-180.
 

(mit Gerhard Mayer/Michael Schetsche): Diesseits des Gespenstermythos – Phänomenologie und Analyse geisterhafter Erscheinungen, in:. Nebulosa - Zeitschrift für Sichtbarkeit und Sozialität 3 (2013) 12-26. 


Die 'Sonderaktion Heß' im Juni 1941: Beschlagnahmung und Verwertung von Buchbeständen der "Geheimlehren" und "Geheimwissenschaften", in: NS-Raubgut in Museen, Bibliotheken und Archiven. Viertes Hannoversches Symposium, im Auftrag der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek - Niedersächsische Landesbibliothek herausgegeben von Regine Dehnel, Frankfurt a.M. 2012, 317-341.


Kaum zu fassen. Die spezifische Problematik der historischen Überlieferung paranormaler Erfahrungen im 20. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Anomalistik 11 (2011) Nr. 1+2+3, S. 166-196.

Vorausgegangene Publikationen zum Thema „Kriminaltelepathie“


Trancemedien und Verbrechensaufklärung: Die 'Kriminaltelepathie' in der Weimarer Republik, in: Marcus Hahn/Erhard Schüttpelz (Hg.): Trancemedien und Neue Medien um 1900. Ein anderer Blick auf die Moderne, Bielefeld 2009, 311-339.


(mit Michael Schetsche): „Psychic Detectives“ auch in Deutschland? Hellseher und polizeiliche Ermittlungsarbeit, in: Die Kriminalpolizei 25 (2007) Nr. 4, 142-146.


Grundlegend ist weiterhin der Abschlussbericht eines IGPP-internen Projekts mit der Vergabe von 6 studentischen Abschlussarbeiten (7.2006-12.2009):
Michael Schetsche/Uwe Schellinger: Praxis und Problematik der Kriminaltelepathie vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Abschlussbericht (3.2.2010).

Sonstige Publikation zur Geschichte des „Okkultismus“ / der Parapsychologie

 

(mit Andreas Anton/Michael Schetsche): Zwischen Szientismus und Okkultismus. Grenzwissenschaftliche Experimente der deutschen Marine im Zweiten Weltkrieg, in: Zeitschrift für Anomalistik 10 (2010) 287-321.


(mit Andreas Anton/Michael Schetsche): Schwingende Feindaufkärung. Die Pendelortungsversuche der Deutschen Kriegsmarine 1942, in: Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies 4 (2010) Nr. 1, 46-63.


Der Fall Kahn: Die erste universitäre Debatte über "Hellsehen" und "Telepathie" am Ende des Kaiserreichs, in: Barbara Wolf-Braun (Hg.): Medizin, Okkultismus und Parapsychologie im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Wetzlar 2009, 100-122.


Telepathie im TV? Das Zuschauerexperiment von 1968 in wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive, in: Wladimir Velminski (Hg.): Sendungen. Mediale Konturen zwischen Botschaft und Fernsicht, Bielefeld 2009, 167-189.


Geburtsstunde eines Sterndeuters. Der Astrologe und Okkultist Karl Brandler-Pracht (1864-1939) in seiner Ortenauer Zeit, in: Geroldsecker Land. Jahrbuch einer Landschaft 51 (2009) 92-105.


Hellseher, Medien und Wunderheiler: Wirken und Wahrnehmung von Personen mit "paranormalen" Fähigkeiten im regionalen Kontext (Beispiel: Mittelbaden und Ortenau im 19. und 20. Jahrhundert). Ein Forschungsaufruf des Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V. Freiburg (IGPP), in: Die Ortenau. Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden 87 (2007) 536-541.


(mit Gerhard Mayer): Webers Hände, Wirken und Wirkungen des "Wunderheilers von Schutterwald", in: Die Ortenau. Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden 86 (2006) 11-42.


Ludwig Kahn, Max Schottelius und die Folgen: Eine Fallstudie zur Erforschung der "außersinnlichen Wahrnehmung" am Ende des Kaiserreichs, in: Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie 44/45/46 (2002/2003/2004) 195-217.


Faszinosum, Filou und Forschungsobjekt: Das erstaunliche Leben des Hellsehers Ludwig Kahn (1873-ca. 1966), in: Die Ortenau. Veröffentlichungen des Historischen Vereins für Mittelbaden 82 (2002) 429-468.


Das Archiv des "Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V." in Freiburg: Prämissen, Probleme und Perspektiven [42 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung [Online-Journal] 1,(3) (2000, Dezember).

 

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