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Buch des Monats Januar 2012

Frank Cottrell Boyce. Der unvergessene Mantel. A. d. Englischen von Salah Naoura. Mit Fotografien von Carl Hunter und Clare Heney. Carlsen 2012. 107 Seiten. 11,90 €.

Januar

Bereits mit seinem Roman Meisterwerk hat der englischsprachige Autor Frank Cottrell Boyce gezeigt, dass er ein großartiger Erzähler ist. Sein neuer Roman Der unvergessene Mantel erzählt eine wundervolle, zugleich traurige und auch unvergessliche Geschichte.

Erzählt wird die Geschichte von Julie, die zufällig eine Nachricht in der Presse findet: Ihre alte Grundschule soll abgerissen werden und sie besucht sie aus Neugierde ein letztes Mal und trifft auch ihre alte Lehrerin wieder. Als sie einen Mantel findet, erinnert sie sich an ihr letztes Schuljahr in der Grundschule und entfaltet so eine schöne und zugleich traurige Geschichte: Zwei neue Schüler kommen in die Klasse. Sie heißen Dschingis und Nergui, sind Brüder und stammen aus der Mongolei. Bereits in ihrer Kleidung unterscheiden sie sich von ihren Mitschülern und es verwundert nicht, dass sich zahlreiche Gerüchte um sie ranken. Dschingis fügt sich in die Klassenstruktur, besteht jedoch darauf, dass sein jüngerer Bruder in der Klasse bleibt und erkor Julie zu seinem persönlichen Ratgeber. Julie gibt sich Mühe, diese Aufgabe zu erfüllen und ist gänzlich fasziniert von der Mongolei. Sie will unbedingt erfahren, wie es ist und Dschingis zeigt ihr immer wieder Bilder, erzählt jedoch nur sporadisch etwas über sein Leben. Doch nach und nach freunden sie sich an und Julie ahnt, was Dschingis fürchtet. Und eines Tages ist er mit seinem Bruder verschwunden, abgeschoben in die Mongolei, da er und seine Familie in England nicht erwünscht sind. Zurück bleibt nur sein Mantel, den Julie, als erwachsene Frau, bei einem letzten Gang in die ehemalige Schule findet …

Freundschaft, Fremdsein, Zuhause und Abschiebung sind die Themen, die der Autor aufgreift und in eine poetische Geschichte verpackt. Julie ist fasziniert von Dschingis und sucht seine Nähe. Sie erklärt ihm den englischen Alltag so gut, dass Dschingis bald den Akzent von Liverpool nachahmen kann und doch bleibt er trotz aller Nähe und Freundschaft, die sich zwischen den Kindern anbahnt, distanziert. Er lädt Julie nicht nach Hause ein und erst nach seinem Verschwinden begreift sie seine Angst vor der Abschiebung. Er nennt es den Dämon, der ihn und seinen Bruder verfolgt. Abschiebung ist ein schwieriges Thema und doch schafft es der Autor, sich sensibel dem Thema zu nähern und den kindlichen Lesern und Leserinnen nachzuerzählen. Im Nachwort erläutert er die Intention seiner Geschichte und bietet so seinen Lesern und Leserinnen eine mögliche Lesart an:
Was ich dagegen weiß: Ein Land, das seine Staatsdiener beauftragt, Kinder mitten in der Nacht aus dem Bett zu holen und mitzunehmen, kann wohl kaum als zivilisiert bezeichnet werden.

Damit schreibt Boyce ein politisches Buch, ohne jedoch in seinem Text moralisch oder pädagogisch zu wirken. Er wählt als Erzählinstanz eine zehnjährige Ich-Erzählerin, die kaum ahnt, was Abschiebung und Asyl bedeuten und daher das Handeln von Dschingis nicht immer versteht. Der erwachsene Leser und die erwachsene Leserin erahnen, was sich hinter manchen Taten verbergen könnte.