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Buch des Monats September 2012

Susan Kreller. Elefanten sieht man nicht. Carlsen 2012. 204 Seiten. 14,90 €.
Im Mittelpunkt des Romans Elefanten sieht man nicht steht die 13-jährige Mascha, die jedes Jahr ihre Sommerferien im Haus ihrer 2012_septemberGroßeltern verbringt. Die Großeltern leben in einer langweiligen Vorstadtsiedlung, in der alles sauber, gepflegt ist und jeder kennt jeden. Ähnlich wie die Vorgärten ist auch das Leben der Menschen geordnet: Der Tag ist festen Regeln unterworfen, denen sich auch Mascha fügen muss. Das Privatleben wird geachtet, eine Einmischung wird nicht erwartet und es zählen Statussymbole wie Geld, ordentliches Haus und Auto.

Eines Tages lernt Mascha, die sich immer einsamer fühlt und kaum Kontakt zu Gleichaltrigen aufbauen kann, die neunjährige Julia und ihren siebenjährigen Bruder Max auf dem Spielplatz kennen. Max ist dick, andere Kinder hänseln ihn und Julia greift ab und zu ein. Die Kinder reden nicht viel, doch langsam nähern sich Julia und Mascha an, hören gemeinsam Musik und doch merkt Mascha, dass mit den Geschwistern etwas nicht stimmt. Sie sieht blaue Flecken und Verletzungen, die Julia schnell versteckt. Sie fragt ihre Großeltern, diese winken nur ab und möchten weder über die Geschwister noch über ihre Familie reden. Als Mascha dann zufällig am Haus der Kinder entlang schlendert, hört sie Schreie und beobachtet, wie Max von seinem Vater, einem angesehen Geschäftsmann, geschlagen wird. Damit zeigt die Autorin Kinder als doppelte Opfer: Einerseits wird Max aufgrund seines Äußeres zum Außenseiter und zu einem Mobbingopfer, anderseits wird er von seinem Vater, der ihn eigentlich schützen sollte, geschlagen und weder Julia noch er erfahren Schutz oder Geborgenheit im Elternhaus.

Doch auch jetzt schweigen die Großeltern und die anderen Nachbarn, obwohl Blicke andeuten, dass sie sehr wohl ahnen, wie Kinder und ihre Mutter gequält werden. Handeln würde aber das Einmischen in die Privatsphäre bedeuten und das will niemand in der spießigen und ordentlichen Siedlung. Mascha handelt und versteckt die Kinder in einem blauen Haus, das sie zufällig gefunden hat. Sie erbaut sich ein Lügenkonstrukt, das jedoch nach und nach zu zerbrechen droht …

Die Sache, die im blauen Haus passiert ist, hat mir viele böse Blicke und meinen Vater beschert. Die Blicke blieben bis zum Ende der Ferien, aber mein Vater ist schon nach zwei Stunden wieder abgereist.

Mit diesem Satz reflektiert Mascha ihr Handeln und zugleich ist dies der Beginn der Erzählung, die in Rückblenden die Geschichte entfaltet wird und Maschas Beweggründe erläutert. Mascha, deren Mutter früh verstorben ist, hat von ihrem Vater gelernt, sich für andere Menschen einzusetzen. Und genau das macht sie, auch wenn es zu spontan und zu unüberlegt ist: Sie versteckt die Geschwister, um sie vor den Schlägen zu schützen und klagt so die anderen Nachbarn an, die nichts tun, wegschauen und lieber schweigend ihr Leben genießen. Diese argumentierten zudem immer wieder mit der Stellung des Vaters, dem Wohlstand und der sauberen Kleidung der Kinder. Doch, auch das zeigt der Roman, Gewalt gegen Kinder ist nicht nur in sozialen Brennpunkten verortet, sondern auch in angesehenen und gut situierten Familien. Zugleich spiegelt sich in dem Verhalten bzw. dem Nichthandeln der Erwachsenen ihr Versuch wider, ihre „heile“ Welt zu beschützen. Mascha, die von Außen in diese Welt eindringt, wird als Bedrohung wahrgenommen, stellt sie doch unerwünschte Fragen und selbst ihre Großeltern wiegeln zunächst ab.

Besonders eindrucksvoll sind die Beschreibungen der Siedlung, die uns die Autorin präsentiert. Die Starre und Langeweile sind deutlich zu spüren. Und zugleich nutzt sie diese Beschreibungen, um die Beweggründe des Nichthandelns und des Schweigens anzudeuten. Doch der Roman moralisiert nicht, sondern lässt den Lesern und Leserinnen Raum zum Nachdenken.

Elefanten sieht man nicht ist ein Aufruf, genau hinzusehen und zu handeln. Schweigen und verharren in alten Strukturen hilft nicht. Auch wenn Susan Kreller einen fesselnden Jugendroman geschrieben hat, so sollte der Text auch von Erwachsenen gelesen werden.