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Buch des Monats Juli 2013

Kirsten Boie: 

Der Junge, der Gedanken lesen konnte.

Ein Friedhofskrimi.

Illustriert von Regina Kehn.

Hamburg: Oetinger 2012.

Ab 10 Jahren.

Kirsten Boie gehört zu den wichtigsten deutschsprachigen Kinder- und Jugendbuchautoren/-innen und schafft es immer wieder, juli_2013mit ihren Texten nicht nur zu überraschen, sondern auch neue Akzente und Trends in der Kinder- und Jugendliteratur zu setzen. Einen solchen setzt sie auch in ihrem Roman Der Junge, der Gedanken lesen konnte, der […] aufgrund seiner Thematik […] auch die nächsten Jahre aktuell bleiben wird. Auch wenn der Untertitel Ein Friedhofskrimi das Gattungsmuster des Romans zu bestimmen scheint, lässt sich der Roman nicht ausschließlich als ein Kinderkriminalroman lesen, sondern greift die Frage nach einer interkulturellen Gesellschaft auf und zeigt ein durchaus anderes Miteinander als noch in den Romanen des 20. Jahrhunderts. […]

Im Mittelpunkt steht der Junge Valentin, der mit seiner Mutter in eine neue Stad gezogen ist. Valentin stammt aus dem Kasachstan, doch seine Mutter und er leben bereits mehrere Jahre in Deutschland und haben nur wenig Kontakt zu ihren Verwandten. Die Gründe kristallisieren sich erst im Laufe der Handlung heraus. Der Umzug aufgrund einer besseren Stelle seiner Mutter fand in den Sommerferien statt und Valentin muss alleine die Stadt erkundigen. Bereits am ersten Tag lernt er den Jungen Mesut kennen, der fast bedrohlichen den Hauseingang bewacht und selber türkische Wurzeln besitzt. Valentin geht auf den Friedhof, lernt dort den polnischen Friedhofsgärtner Bronislaw, die obdachlose „Dicke Frau“ und das Ehepaar Schilinsky, das auf ihren zukünftigen Gräbern picknickt, kennen und freundet sich mit diesen durchaus recht ungewöhnlichen Figuren an. Was keiner ahnt, ist zudem, dass Valentin Gedanken lesen kann. Und es ist vor allem diese Gabe, die ihm die Freundschaft zu Mesut bringt und letztendlich auch zur Auflösung eines Kriminalfalls führt.

Kirsten Boie ist eine wunderbare und auch ungewöhnliche Geschichte gelungen, die von ihren Figuren lebt und jungen und älteren Leserinnen/Lesern schöne Lesestunden beschert. Doch es ist noch mehr: Erzählt wird die Geschichte konsequent aus der Sicht Valentins und damit aus der Sicht eines Jungen, der eine Zuwanderungsgeschichte hat. Damit erfolgt ein Perspektivenwechsel und auch die anderen Figuren stammen fast alle aus unterschiedlichen Ländern. Deutsche Familien kommen nur am Rande vor und doch schafft es der Roman, sich der Thematik „Interkulturalität“ auf sensible Art zu nähern und auch die Perspektive der „Anderen“, der „Fremden“ überzeugend einzunehmen. Dies ermöglicht dann Kindern ohne Zuwanderungsgeschichte, auch andere Perspektiven kennenzulernen und stärker auf Gemeinsamkeiten zu achten. Während noch in der Kinderliteratur der 1980er Jahre oftmals Kinder aus der Minderheitenkultur in die (deutsche) Mehrheitskultur eingeführt werden sollten, stellt sich hier diese Frage erst gar nicht. Die unterschiedlichen Kulturen leben nebeneinander, beeinflussen sich und sind somit positiv besetzt. Mesut reagiert beispielsweise überrascht auf christliche Beerdigungsrituale und lediglich der Verbrecher der Geschichte deutet auch rassistische Züge an, so dass Kirsten Boie keineswegs die Problematik Rechtsradikalismus ausklammert. Aber auch die Schwierigkeiten der Identitäten werden angesprochen: Mesuts Mutter möchte nicht immer in die Türkei fahren, wird daher in der Familie vor allem von Mesuts Großmutter als „verdeutscht“ kritisiert, obwohl sie sich dennoch als Türkin sieht, nur eben mit einem deutschen Pass. Auch Mesuts Bruder ist die Integration gelungen: Er ist Polizist und Türke und genau das muss sich ja nicht widersprechen.

Kinderliteratur ist, darin ist sich die Lesesozialisations- und Kinderliteraturforschung einig, jene Literatur, die Kindern die Welt der Literatur eröffnet und ihnen neue Perspektiven aufzeigt. Und genau das machen solche Romane wie Der Junge, der Gedanken lesen konnte auf so wunderbare Weise, dass sie auch von erwachsenen Leserinnen/Lesern gelesen werden sollten. Erwachsene neigen dazu, Probleme dort zu sehen, wo gar keine sind. Und vielleicht helfen ihnen daher auch diese Kinderbücher, eben nicht immer alles zu problematisieren. Kirsten Boie vereinfacht das Leben der Kinder in ihrem Roman keineswegs, aber sie zeigt auch Chancen auf, in einer Welt zu leben, in der nicht alle gleich sind.

Unbedingt lesen, weitergeben und über all das, was der Roman enthält, nachdenken!

Quelle: Mikota, Jana (2013): Eine Rezension von Jana Mikota: Kirsten Boie: Der Junge, der Gedanken lesen konnte. Ein Friedhofskrimi. Illustriert von Regina Kehn. Online unter: http://www.alliteratus.com/pdf/tb_absch_krim_friedhofskrimi_2.pdf (letzter Abruf: 25.05.2014)