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Buch des Monats Februar 2014

Elisabeth Zöller:

Der Krieg ist ein Menschenfresser.

München: Carl Hanser 2014.

Ab 14 Jahren.

Der Krieg ist ein Menschenfresser ist ein spannender, mutiger und auch außergewöhnlicher Roman der renommierten Autorin februar_2014Elisabeth Zöller, die sicherlich zu den prägendsten Stimmen der deutschsprachigen zeitgeschichtlichen Jugendliteratur gerechnet werden darf. In ihrem bisherigen Œuvre dominierte die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und charakterisieren lassen sich ihre Bücher wie folgt: Aufruf zu Zivilcourage und Toleranz. Zöllers Romane, allesamt sehr gut recherchiert, zeigen, dass man sich sehr wohl auch gegen etwas stellen darf und auch soll. Jetzt wendet sie sich thematisch dem Ersten Weltkrieg zu und zeigt, dass Geschichte nicht losgelöst betrachtet werden kann, sondern Nachwirkungen hat.

Im Mittelpunkt des Romans stehen drei Hauptfiguren: Ferdinand, der trotz Widerstand seiner Eltern, in den Krieg zieht. Er wird weniger von der Begeisterung der Massen gezogen als vielmehr von einer enttäuschten Liebe. Sein Nachbar, Feldwebel Otto Pachulke, der an den Erfahrungen des Krieges gegen Frankreich 1870/71 zerbrochen ist, gibt ihm seine Tasche als Glücksbringer. Damit wird die Tasche zu einem ebenfalls wichtigen Objekt der Geschichte, denn Ferdinand verwahrt hier Zeugnisse eines Krieges, den er sehr schnell als brutal und ungerecht empfindet. Er macht Bilder, die den Offizieren nicht passen, und muss sich immer wieder rechtfertigen. Schließlich verärgert er Feldwebel Pfahls, der ihm immer wieder folgt und seine Tasche haben möchte. In den Schützengräben erlebt Ferdinand Grauenvolles. 1917 betritt dann die zweite Hauptfigur, nämlich Max Quinte, die Geschichte. Anders als Ferdinand, dessen Eltern Arbeiter und Sozialdemokraten sind, stammt Max aus einem wohlhabenden Elternhaus. Sein Vater ist Fabrikant und glühender Verfechter des Krieges, spekuliert mit Kriegsanleihen und möchte seinen Sohn als Kriegshelden sehen. Max, der bisher wenig Respekt von seinem Vater erfahren hat, hofft jetzt endlich auf väterliche Zuneigung. Doch auch Max muss erkennen, dass der Krieg kein Abenteuer für Männer ist: Er lernt Pfahls kennen, der immer noch nach Ferdinand Ausschau hält und als Pfahls ihn schließlich auf einem der Schlachtfelder sieht, tötet er ihn. Max hilft ihm dabei, ohne zu ahnen, auf wen er schießt. Pfahls wird verletzt, Max, selbst verletzt, rettet ihn und die Tasche, erkennt schnell die Bedeutung der Tasche und versteckt sie. Er kommt schließlich traumatisiert nach Hause, erzählt nicht, wo die Tasche ist, und soll als Kriegsverräter verurteilt werden. Mit Sophie, die nach dem Tod ihrer Eltern mit Max aufgewachsen ist, versucht Max nach und nach ins Leben zurückzukehren und auch, sich den Ereignissen auf dem Schlachtfeld zu stellen. Es ist mutig von Elisabeth Zöller, den Ersten Weltkrieg fast ausschließlich auf diese drei Figuren zu reduzieren und ihre Erfahrungen zu schildern. Die Suche nach der Tasche und der Aufklärung erinnert an einen Krimi, was jedoch das Grauenvolle des Krieges nicht mildert. Elisabeth Zöller nutzt keineswegs spannende und kriminalähnliche Elemente, um ihre Leserinnen/Leser zu unterhalten, sondern es ist gerade diese Reduktion auf die Figuren, die die Geschichte derart eindrücklich gestaltet. Eine kleine Kritik könnte sein, dass sie das sozialdemokratische Milieu um Ferdinand positiver gestaltet, als es war.

Der Roman ist bis ins kleinste Detail liebevoll gestaltet und sehr genau konzipiert, davon zeugt auch das Glossar im Anhang. Er lebt von kleinen Anspielungen auf die damalige Zeit und Zöller schafft es, nicht nur den Hauptfiguren eine Stimme zu geben, sondern auch die Nebenfiguren mehrdimensional zu konzipieren. Da sind zunächst die Eltern von Ferdinand: Arbeiter, Sozialdemokraten und Kriegsgegner. Insbesondere seine Mutter wird als eine starke Frau charakterisiert, die für den „Vorwärts“ schreibt und Ferdinand ermuntert, seine Gedanken und Erfahrungen niederzuschreiben. Sie gehört zu den pazifistischen Stimmen im Text, die  Ferdinand jedoch losziehen lässt, selbst zu erfahren, was Krieg bedeutet. Der Vater von Max ist das Gegenteil und entspricht jenen Männern, die bereits in Romanen wie Der Untertan von Heinrich Mann entworfen werden. Sie sind streng, kaisertreu, national und müssen doch erkennen, wie ihre Söhne im Krieg zerbrochen werden. Max gehört als Überlebender jener „verlorenen Generation“, die kaum ins Leben der Weimarer Republik zurückfinden und spätestens in Kästners „Fabian“ wird deutlich, wie sehr sie durchs Leben hetzen und keine Aufgabe mehr finden.  Besonders schön ist, dass Zöller auch Figuren wie den Kunstsammler Cassirer auftreten lässt und somit die Stimmen zum Krieg erweitert und zumindest mit Cassirer auch eine Gegenstimme zum Fabrikanten Quinte aufnimmt.

Zöller scheut sich nicht, den Jugendlichen die Brutalität der Schlachtfelder zu skizzieren und sie so zum Nachdenken zu zwingen. Kriege sind Menschenfresser: Es werden nicht nur Menschen getötet, auch die Überlebenden kämpfen mit Traumata. Auch sprachlich überzeugt der Roman. Erzählt wird aus der Sicht der drei Figuren Ferdinand, Max und Sophie und es ist auch außergewöhnlich, dass die Autorin Ferdinand zunächst auf den Schlachtfeldern zurücklässt, ein neues Kapitel beginnt und so auch die Perspektive wechselt. Damit ist es ein Roman für geübte Leserinnen/Leser, aber es ist vor allem ein Roman, den man nicht alleine lesen sollte.

Quelle: Jana Mikota (2014): Eine Rezension von Jana Mikota: Elisabeth Zöller: Der Krieg ist ein Menschenfresser. Online unter: http://www.alliteratus.com/pdf/gesch_nz_menschenfresser2.pdf (letzter Abruf: 25.05.2014)