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Buch des Monats Juni 2014

David Levithan: Letztendlich sind wir dem Universum egal.

Übersetzt aus dem Amerikanischen von Martina Tichy.

Frankfurt am Main: Fischer KJB 2014.

Ab 14 Jahren.

„Ich werde wach.“ Mit diesem vermeintlich einfachen Satz beginnt der wunderbare Roman Letztendlich sind wir dem Universum juni_2014egal von David Levithan, der in Deutschland bereits mit Romanen wie Nick & Norah. Soundtrack einer Nacht (gemeinsam mit Rachel Cohn verfasst) oder Will & Will (gemeinsam mit John Green verfasst) bekannt wurde. Sein neuer Roman ist großartig und auch anders! Er lässt sich nicht in bestimmte Gattungsmuster einordnen, sondern ist ein Mix aus Jugendroman, Science-Fiction und philosophischem Essay. Tatsächlich schafft es Levithan eine Metapher aufzunehmen, die genau das beschreibt, was Jugendliche in ihrer Adoleszenz beschäftigt: Wer bin ich, was will ich und wie bin ich. Das mag zunächst banal klingen und doch beschreitet Levithan in seinem Roman neue Wege, lässt einen Protagonisten auftreten, der so gar nicht existiert. Mit „A“, so nennt er sich, schafft es der Roman, uns zu fesseln und zum Nachdenken zu bewegen – und zwar auf hohem literarischen Niveau.

Im Mittelpunkt steht A, der, seit er denken kann, jeden Tag in einem anderen Körper erwacht. Das Geschlecht ist egal, nur das Alter bleibt identisch. Das heißt, als fünfjähriges Wesen besetzte er Körper von fünfjährigen, jetzt sind es 16-jährige. Mit diesen teilt er einen Tag in ihrem Alltag, erlebt die Wirrungen und Irrungen ihrer Pubertät, kann ihre Erinnerungen abspulen und wechselt dann während der Nacht den Körper. Dabei nimmt er unterschiedliche Identitäten an: Seine Körper können Diabetiker sein, dunkelhäutig, depressiv, fettleibig oder magersüchtig. Er erlebt so all die Höhen und Tiefen einer Adoleszenz, liebt, jeweils im Körper der Menschen, unterschiedliche Geschlechter, küsst als Junge Mädchen oder Jungen und stellt sich auch die Frage, wer er eigentlich sei.

Gestern war ich ein Mädchen aus einem Ort, der schätzungsweise zwei Stunden von dem hier entfernt liegt. Vorgestern war ich ein Junge und lebte noch drei Stunden weiter weg. Schon jetzt vergesse ich, was die beiden im Einzelnen ausgemacht hat. Das muss ich, sonst weiß ich endgültig nicht mehr, wer ich wirklich bin. (Levithan 2014, S. 10)

Doch dann wacht er im Körper von Justin auf, der mit Rhiannon zusammen ist. A merkt, dass es eine ungleiche Beziehung ist, verliebt sich plötzlich und möchte mehr. Er verbringt in Justins Körper einen wunderschönen Tag mit dem Mädchen und merkt, dass etwas in seinem Leben fehlt. Er beginnt, sich nach Liebe und Familie zu sehnen – etwas, was er schon mehrfach erlebt hat. Doch so verliebt war er noch nie und er macht Fehler: Im Körper eines anderen geht er auf eine Party, trifft wieder Rhiannon, tauscht mit ihr E-Mails und plötzlich gerät er in Gefahr. Denn einer seiner Körper-Wirte erinnert sich, dass er anders war als A in ihm steckte: Es beginnt eine religiöse Jagd und zugleich macht sich A auf die Suche nach Rhiannon und möchte ihre Liebe.

Mehr soll gar nicht zum Inhalt gesagt werden, denn eine bloße Inhaltswiedergabe wird dem Roman niemals gerecht. In einzelnen Passagen werden Fragen aufgeworfen nach der eigenen Identität und auch Rhiannon muss sich fragen, ob sie ein Wesen wie A lieben könnte. Liebt man den Menschen wegen seines Aussehens oder liebt man seinen Charakter? Und was ist der Charakter? Oder ist da eine Seele? Und was ist A? Beide diskutieren diese Frage immer wieder, finden keine Antworten und schließlich macht sich A auf die Suche.

Ein Wesen wie A zu konzipieren, ihn von einem Körper zum nächsten wandern zu lassen, ist sicherlich nicht neu in der Literatur, und doch schafft es Levithan mit einem solchen Protagonisten, das aufzunehmen, was Jugendliche in der Phase der Adoleszenz beschäftigt, ohne ihnen vorzugaukeln, im Alter von knapp 42 Jahren (Levithan ist Jahrgang 1972) Antworten zu haben. Das macht jedoch gute Jugendliteratur aus: Sie ist nicht problembestimmt und sie liefert auch keine Weisheiten, die die Jugendlichen als oberflächlich erkennen. Mit A bietet der Roman die Möglichkeit, verschiedene Identitäten zu erproben, sich den großen (Identitäts-)Fragen zu stellen und selbstständig nach Antworten zu suchen. Levithan greift Erfahrungen auf, die den Leserinnen/Lesern, und zwar nicht nur den jugendlichen, vertraut sein dürften. Es ist kein Roman, der sich platter Jugendsprache oder des Zeitgeistes bedient, sondern er regt zum Nachdenken an. A und auch Rhiannon werden mitunter als hilflos und einsam entworfen und genau diese Orientierungslosigkeit dürfte auch Leserinnen/Lesern bekannt sein. Zudem schafft es der Roman, die Gefühle, Ängste, Freuden und Sorgen der einzelnen Körper beeindruckend zu beschreiben. A spürt, als er im Körper eines depressiven Mädchens steckt, ihre Leere, erkennt, dass sie kurz vor einem Selbstmord steht und handelt. Doch auch hier fragt er sich, ob er das darf. Sollte, darf, kann er sich einmischen?

Es sind schwierige Fragen und es ist trotz einer Leichtigkeit in der Sprache und im Erzählmodus kein einfacher Roman, den uns Levithan anbietet. Aber es ist ein wunderbarer Roman, dem man viele Leserinnen/Leser wünschen kann. Und letztendlich ist es auch ein Roman, der uns zeigt, was gute Jugendliteratur leisten kann, nämlich all das, was Literatur insgesamt leisten kann!


Quelle: Jana Mikota (2014): Eine Rezension von Jana Mikota: David Levithan: Letztendlich sind wir dem Universum egal. Aus dem Amerikanischen von Martina Tichy. Online unter: http://www.alliteratus.com/pdf/lg_fant_levithan.pdf (letzter Abruf: 25.05.2014)