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Ampel macht demografischen Wandel greifbar

Der Siegener Forscher Frank Luschei hat eine Demografie-Ampel entwickelt, mit der sich die wichtigsten Faktoren aller Kommunen in NRW vergleichen und einordnen lassen. Während manche Großstadt Probleme hat, überzeugen zwei Kommunen in Ostwestfalen. Auch für Siegen-Wittgenstein zeigen sich interessante Ergebnisse.

„Die Annahme, dass die Menschen aus den kleinen Städten und Gemeinden alle in die großen Städte ziehen, ist ein Mythos.“ Das sagt der Siegener Forscher Frank Luschei und beruft sich auf die Ergebnisse der von ihm entwickelten Demografie-Ampel. Luschei, Fellow des Forschungskollegs der Uni Siegen (FoKos), bietet mit seiner grafischen Darstellung einen Vergleich aller 396 Kommunen in NRW an. Die Ampel zeigt die wichtigsten demografischen Faktoren für das Jahr 2017 auf und veranschaulicht, in welchen Bereichen es in den Kommunen gut läuft und wo es Verbesserungspotential gibt. „Es ist wichtig, die entscheidenden Kennzahlen des demografischen Wandels der eigenen Gemeinde einzuordnen und mit anderen vergleichen zu können. Dadurch lässt sich ein Bild von der Lage in der jeweiligen Kommune machen“, sagt Luschei.

Der Wissenschaftler gehört zu jener Forschungsgruppe um Prof. Dr. Christoph Strünck, die bereits zur Attraktivität von Städten in NRW geforscht hat. Daraus ist nun in einem nächsten Schritt die Demografie-Ampel hervorgegangen. Diese zeigt in fünf farblichen Abstufungen von dunkelgrün über gelb bis dunkelrot an, wie sich die Städte und Gemeinden im Vergleich untereinander positionieren. Zentrale Variablen, die verglichen werden, sind die Geburten- und Sterberate sowie die der Zahl Zugezogenen und Fortgezogenen. Daraus wiederum ergeben sich ein natürlicher Saldo und ein Wanderungssaldo. Alle Werte zusammengenommen ermöglichen eine Einordnung, wo die 396 Kommunen mit Blick auf den demografischen Wandel stehen. Die von Luschei verwendeten Daten stammen vom Landesbetrieb IT.NRW.

Universitätsstadt Siegen erholt sich

Dabei zeigen sich für die Städte und Gemeinden in Siegen-Wittgenstein interessante Erkenntnisse. Die Stadt Siegen gehört zu den Top-Kommunen in Nordrhein-Westfalen, die Gemeinde Erndtebrück findet sich am anderen Ende der Tabelle wieder. „Insgesamt sind die Ergebnisse für Siegen im Jahr 2017 sehr positiv. Die Einwohnerzahl ist um 474 Personen gestiegen. Das entspricht 4,6 Personen pro 1000 Einwohner. Damit liegt Siegen auf Rang 69 aller Städte und Gemeinden in NRW“, erläutert Luschei die Werte für die Krönchenstadt. Die Ampel steht also auf dunkelgrün, Siegen gehört in der Auswertung zum ersten Fünftel aller Kommunen. Auffällig für Siegen ist, dass der sogenannte natürliche Saldo geringfügig negativ ist. Das heißt, es gibt – wie in den meisten Kommunen – mehr Gestorbene als Geborene, allerdings nicht in einem so drastischen Ausmaß wie andernorts. Zudem stehen vielen fortgezogenen Menschen noch mehr Neubürger gegenüber, was zu einem positiven Wanderungssaldo führt. In der Kreisstadt herrscht viel Dynamik.

Trotz dieser positiven Zahlen warnt Luschei: „Siegen ist zwar im Jahr 2017 äußerst positiv aufgestellt, allerdings über einen längeren Zeitraum betrachtet auf einem ungünstigen Niveau.“ Dafür zieht der Wissenschaftler die Entwicklung der Bevölkerungszahlen seit 1962 heran. Siegen erreichte 2011 mit 99.000 Einwohnern den Tiefstand, 2017 lag die Zahl wieder bei über 102.000. „Das ist zwar immer noch unter dem langjährigen Mittelwert, die aktuelle Erholung ist dafür aber umso stärker.“ Ebenfalls positiv verlaufe die Bevölkerungsentwicklung in Netphen und Burbach, die Trends würden aber auch durch die Aufnahme von Geflüchteten in den Jahren 2015 und 2016 beeinflusst. Kritischer sehe es in Bad Laasphe, Neunkirchen und Erndtebrück aus. „In den drei Städten und Gemeinden liegt die Bevölkerungszahl schon unter dem langjährigen Mittelwert und sinkt aktuell weiter“, so Luschei.

Probleme und Lösungen in Erndtebrück

Vor allem die Entwicklung in Erndtebrück sieht der Forscher kritisch: „Im Ergebnis aller Indikatoren gibt es in Nordrhein-Westfalen kaum eine Stadt oder Gemeinde, die mehr Einwohner verliert.“ In der Demografie-Ampel nimmt die Edergemeinde Rang 385 ein. Positiv sei, dass es sehr wenig Fortzüge gebe, allerdings gab es 2017 auch kaum Zugezogene. Vergleichsweise wenigen Neugeborenen stehen viele Gestorbene gegenüber, so dass sowohl der natürliche Saldo als auch der Wanderungssaldo auf Rot stehen. „Das Ergebnis ist bemerkenswert. Es gibt in Erndtebrück viele Arbeitsplätze, die Gemeinde ist aber dennoch stark vom demografischen Wandel betroffen“, so Luschei. In Erndtebrück ist man sich der Situation bewusst – und so wurde auch bereits reagiert. „Diese Daten zeigen, wie wichtig es war, dass wir uns bei diesem Thema strategisch auf den Weg gemacht haben. Bereits im Jahr 2018, also im Jahr nach den betrachteten Zahlen, konnten wir uns über eine Steigerung der Geburtenrate von 42 Prozent freuen. Dies folgte letztlich auch aus dem Baugebiet für junge Familien, das wir erschlossen haben und das in der Folge zu einem wahren Bau-Boom vor Ort geführt hat. Die kommunal vermarkteten Grundstücke haben sich in dieser Zeit vervierfacht – das Baugebiet ist nahezu ausvermarktet. Wir haben also die richtigen Schlüsse gezogen“, erklärt Bürgermeister Henning Gronau.

Kein genereller Großstadt-Boom

Nur wenige Großstädte profitierten in den vergangenen Jahren von einem starken Bevölkerungszuwachs – allen voran Köln und Düsseldorf. „Die aktuell gute demografische Lage von Köln resultiert vor allem aus der hohen Geburtenrate bei gleichzeitig vergleichsweise wenig Gestorbenen“, so Luschei. Mit einem Anstieg der Einwohnerzahl von 4459 Menschen im Jahr 2017, das macht 4,1 Personen pro 1000 Einwohner, belegt Köln in der Demografie-Ampel Rang 80. Noch besser steht der rheinische Nachbar Düsseldorf als 46. dar. „Das resultiert aus einer hohen und im Ergebnis positiven Wanderungsdynamik. Sehr viele Zugezogene treffen zwar auf sehr viele Fortgezogene. Im Saldo übertrifft die Zahl der Neubürger aber die Zahl der Fortgezogenen“, erläutert Luschei. Trotz dieser positiven Zahlen warnt Luschei: „Der starke Zuwachs startet von einer der kritischsten Ausgangslagen der Großstädte. Die Bevölkerungszahl in Düsseldorf liegt von den 1980er Jahren bis zum Jahrtausendwechsel am deutlichsten unter dem langjährigen Mittelwert.“ Der Mittelwert ergibt sich aus den Bevölkerungszahlen von 1962 bis 2017.

Deutlich weniger positiv als in Köln und Düsseldorf ist die Entwicklung im Ruhrgebiet. Bochum etwa könne laut Luschei nur einen positiven Wanderungssaldo vorweisen, da es dort eine geringe Zahl an Fortzügen gebe. Allerdings gab es 2017 auch sehr wenig Neubürger. In der Demografie-Ampel nimmt Bochum Platz 149 ein. Ähnlich sehe es in Dortmund, Essen oder Duisburg aus, wo die Bevölkerungsentwicklung weitestgehend stagniere.

Zwei Kommunen in Ostwestfalen zeigen, wie es geht

Vielmehr gibt es auch Kleinstädte und Gemeinden, die als Musterbeispiel für eine sehr positive Entwicklung dienen. Zwei sind in der Region Ostwestfalen-Lippe zu finden. Augustdorf mit etwa 10.000 Einwohnern auf Platz 12 und Bad Lippspringe mit knapp 16.000 Einwohnern auf dem 6. Rang weisen sehr gute Zahlen auf, was die Neubürger betrifft. Da fällt auch die hohe Zahl der Fortgezogenen nicht so sehr ins Gewicht. Dazu kommen vergleichsweise sehr viele Neugeborene. „Positive Entwicklungen sind also möglich“, sagt Luschei. Umso wichtiger sei der Vergleich der Kommunen, um bestimmte Entwicklungen verstehen zu können. „Wir wollen Veränderungsprozesse in den Kommunen anstoßen. Wir wollen, dass zunächst über die demografische Lage nachgedacht und dann vielleicht auch etwas getan wird“, so Luschei, der den Städten und Gemeinden bei Fragen und Interesse an den Ergebnissen der Demografie-Ampel zur Verfügung steht.

Kontakt
Dipl.-Psych. Frank Luschei
Forschungsprojekt „Attraktivität von Städten und Gemeinden“
E-Mail: frank.luschei@uni-siegen.de

 
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