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Vorstellungen bilden. Auch im Mathematikunterricht?!


„Eine Strecke zwischen zwei Punkten A und B ist endlich lang. Wie kann sie dann unendlich viele Punkte haben?“ Alltagsverständnis und mathematische Theorie klaffen an vielen Stellen auseinander. Lernende stellt dieses Missverhältnis vor Herausforderungen, auf die im Schulunterricht bislang nur wenig eingegangen wird. Was Schüler mit ihrem geistigen Auge sehen, wenn sie sich mit Mathematik auseinandersetzen und warum angehende Lehrer sich ihre eigenen Verständnisschwierigkeiten bewußt machen sollten.

„Warum muss ich Mathematik lernen?“ lautet eine gängige Frage, die Eltern von ihren Kindern zu hören bekommen. Zwischen den Zeilen lässt sich daraus unterschiedliches lesen. Entweder: Es ist mühsam, Mathematik zu lernen, warum muss ich das also tun? Es kann aber auch bedeuten: Mathematik ist mir fremd, sie hat nichts mit mir und meinem Leben zu tun.
Das Pensum sei zu hoch, und das Interesse der Schüler zu gering, klagen auch die Lehrer. In den Schulen macht sich angesichts der Stofffülle und der häufig konstatierten Bedeutungslosigkeit der Einzelinhalte eine gewisse Mutlosigkeit breit.

Dabei ist Mathematik doch so wichtig!?

Niemand würde behaupten, dass Mathematik wert- und nutzlos ist. Im Gegenteil, jeder weiß, dass viele Errungenschaften der modernen Welt ohne Mathematik nicht Wirklichkeit geworden wären. Sie ist ein wichtiges Instrument, mit dem sich der Mensch in Vergangenheit und Gegenwart mit den – auch wenn der Begriff das Gegenteil postuliert – ‚Unberechenbarkeiten‘ der Natur auseinander setzt und seine eigene Umwelt mitgestaltet. Dennoch klafft zwischen dieser objektiven Bedeutung von Mathematik und ihrer subjektiven Bedeutungslosigkeit für die je einzelne Person eine riesige Lücke, wie bereits Hans Werner Heymann, Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Siegen, betont hat. Vielleicht liegt diese spürbare Differenz gerade darin begründet, dass Mathematik funktioniert, auch ohne dass man sie versteht – ein Gedanke, den Roland Fischer vom Institut für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung der Universitäten Klagenfurt/Graz/Wien, weiter ausformuliert hat. Oder wissen Sie, was die Mathematik im Handy, im Computer und beim Auto alles ermöglicht?

Mathematik – ein Fenster zur Welt

Wenn das alles wäre, dann könnte man die Angelegenheit doch eigentlich den Experten überlassen. Dann würde es doch reichen, wenn eine wohl ausgebildete Gruppe von Fachleuten es sich zur Aufgabe macht, dass die Entwicklung anwendungsorientierter Mathematik nicht ins Stocken gerät. Worin also besteht – jenseits des technisch-ökonomischen Nutzens – der Mehrwert mathematischer Bildung? Was macht sie aus, und wie müsste sie gestaltet sein, damit sie nicht subjektiv bedeutungslos bleibt?

Mathematik ist eine Sicht auf die Welt, eine Möglichkeit reale Begebenheiten zu beschreiben und damit für viele transparenter zu machen. Sie abstrahiert von der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen dieser Welt, um dadurch einen Blick auf die zugrunde liegenden Strukturen zu erheischen. Allerdings steckt in dieser Beschreibung, wie in jeder anderen auch, immer eine Beschränkung, ein Fokus bzw. eine Perspektive. Mathematik als Weltsicht hilft der je einzelnen Person, sich selbst Phänomene der realen Welt auf eine spezifische Weise zugänglich zu machen. Sie liefert Beschreibungsmittel, um komplexe Zusammenhänge fasslich und dadurch gegenüber anderen kommunizierbar zu machen.
Dieses Erlebnis von ‚Mathematik als einem Fenster zur Welt‘ sollte bereits in der Schule ermöglicht werden. Dafür müssen Kinder die Gelegenheit haben, in sinnstiftenden Kontexten zu lernen; es geht darum Lücken zu schließen und Brücken zu bauen zwischen der persönlichen Erfahrungswelt der Lernenden und der Mathematik. Allerdings geht das nicht ohne Verwerfungen. Die Beziehung von Lebenswelt und Mathematik ist nicht ungetrübt, das ‚Fenster Mathematik‘ eröffnet nur einen eingeschränkten Blick; u.U. werden auch bestimmte Zusammenhänge in ihren Bedeutungen verändert. All dies wahrzunehmen und bewusst zu machen, ist Gegenstand mathematischer Bildung, die das Subjekt mit seinen je spezifischen Erfahrungen und Vorstellungen ernst nimmt.
Mathematische Mündigkeit zielt demnach u.a. darauf, einerseits für die Grenzen und perspektivischen Verschiebungen zu sensibilisieren, die darin liegen Mathematik als Weltzugang zu nutzen, andererseits aber auch die Chancen bewusst zu machen, die sich durch ihren instrumentellen Gebrauch sowohl für die Erkenntnis als auch für das gestaltende Eingreifen eröffnen.

Spannungsfeld von Lebenswelt und Mathematik

Zur Verdeutlichung des Reflektierens im Spannungsfeld von Lebenswelt und Mathematik mag ein kleines Beispiel dienen: Eine Frau ist sehr tierlieb und setzt sich stark für die Umwelt ein. Was ist wahrscheinlicher? A) Sie hat einen Hund, arbeitet in einem Umweltbüro. B) Sie arbeitet in einem Büro.
Viele Kinder und auch Erwachsene würden Antwort A wählen. Aus mathematischer Sicht der Wahrscheinlichkeit ist jedoch Variante B richtig. Warum? Wahrscheinlicher ist, was eine größere Anzahl an ‚günstigen‘ Fällen zulässt. Die Aussage ‚die Frau arbeitet in einem Büro‘ ist weniger spezifisch als die Aussage ‚sie arbeitet in einem Umweltbüro und hat einen Hund‘. Damit gibt es mehr ‚günstige‘ Fälle für Aussage B, also ist B wahrscheinlicher. Nun mögen Sie einwenden, dass für Sie die Tierliebe der Frau auf das Halten eines Hundes hindeutet und der Einsatz für die Umwelt eine Arbeit im Umweltbüro wahrscheinlich macht. Subjektive Plausibilität spielt jedoch beim mathematischen Begriff der Wahrscheinlichkeit keine Rolle. Es werden hier nur die Fälle gezählt.
Kenntnisse über die Differenzen von subjektiv empfundener Wahrscheinlichkeit und mathematischem Wahrscheinlichkeitsbegriff sind wesentlich, um sich gegenüber der Wahrscheinlichkeitsrechnung mündig verhalten zu können. Dies ist an der folgenden Beispielaufgabe aus dem Mathematikunterricht zu sehen:

Lisa hat von einem Flugzeugunglück gehört. Nun möchte sie nicht mehr mit ihren Eltern mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen. Ihre Mutter sagt: „Sei nicht albern; dass gleich wieder eine Maschine abstürzt ist völlig unwahrscheinlich.“ Nimm aus Sicht der Wahrscheinlichkeitsrechnung Stellung zu Lisas Sorge und zu dem Argument der Mutter.

Sicher hat Lisas Mutter aus Alltagssicht Recht. Es stürzen nicht jeden Tag Flugzeuge ab und daher wäre es schon extremes Pech, wenn ein solches Unglück sich sofort wieder ereignen würde. Allerdings, so mag Lisa einwenden, sind Sicherheitsmängel bei dieser Fluggesellschaft nicht ausgeschlossen. Vielleicht waren sie der Grund für das Flugzeugunglück – was auf weitere Probleme schließen lassen könnte. Ihre Sorge lässt sich also nicht so leicht zerstreuen.
Aus mathematischer Sicht auf die Wahrscheinlichkeit spielt das kürzlich vorgekommene Flugzeugunglück keine Rolle (außer man bezieht die Wahrscheinlichkeit des Unglücks auf eine Gesellschaft und deren mögliche Sicherheitsmängel). Vielmehr sind solche Ereignisse voneinander unabhängig. Der Zufall merkt sich nicht, dass da gerade ein Unglück war. Die Wahrscheinlichkeit für ein Unglück bleibt somit gleich, egal ob sich am Tag zuvor bereits ein solches ereignet hat.Dennoch spielt und das ist aus Sicht der Mündigkeit wichtig, Mathematik hier in ihrer schlichten Form eine untergeordnete Rolle. Es geht um eine Entscheidung die andere Faktoren – etwa die Vertrauenswürdigkeit einer Fluggesellschaft mit einbezieht.

Forschungsfragen

In den letzen Jahren hat sich die mathematikdidaktische Forschung zunehmend um die Frage bemüht, welche Bilder und Anschauungen bei den Lernenden im Unterricht aktiviert werden. Im Rahmen dieser Perspektive blieben aber bis dato noch vielfältige Aspekte unterbeleuchtet, von denen aktuell einige wichtige in der Siegener Mathematikdidaktik untersucht werden. Mit Blick auf die Curriculumsentwicklung ist etwa die Frage nach denjenigen Handlungsfeldern relevant, in denen sich Schülern Mathematik in ihrem Wert erschließt. Welche Vorstellungen generieren sie in diesen Handlungsfeldern und inwiefern passen sie mit der Mathematik zusammen? In mehreren Staatsarbeiten setzen Siegener Studenten sich mit diesem Thema auseinander. Sie entwerfen Aufgabenkomplexe, die einerseits einen Bezug zu lebens- und gesellschaftsbedeutsamen Handlungssituationen und andererseits zu zentralen Themen der Grundschule aufweisen und erproben diese im Anschluss daran auch im Unterricht. Dabei werden die Vorstellungen der Lernenden konsequent erhoben und ausgewertet. Die Ergebnisse dieser Arbeiten sollen zum Aufbau eines Konzeptes für ein projektorientiertes Curriculum beitragen, das eine vorstellungsorientierte Alternative zum derzeit üblichen Schulbuchaufbau bietet.
Gerade für die Grundschule kommt dabei ein weiteres Themenfeld als zentraler Untersuchungsgegenstand hinzu. Denn, geht es darum, Informationen über die Vorstellungen zum mathematischen Denken und Handeln der Lernenden zu gewinnen, setzt dies ja nicht nur voraus, dass die Befragten sich ihrer eigenen Vorstellungen bewusst sind, sondern auch, dass ihnen geeignete Ausdrucksmittel zur Veräußerung ihrer Gedanken zur Verfügung stehen. Die Reflexion des eigenen Denkens basiert aber auf Ausdrucksformen, die man erst im Laufe seines Lebens entwickelt. Im Rahmen eines Dissertationsprojekts wird derzeitig der Frage nachgegangen, wie geeignete Ausdrucksformen für die Gedanken und Vorstellungen der jüngeren Kinder aussehen könnten. Bestehende Vorstellungen zu erheben und gezielt zu verändern erfordert eine gute Kenntnis der psychologischen und pädagogischen Hintergrundtheorien und Methoden. Hier profitiert die Siegener Mathematikdidaktik von der engen Verzahnung mit der Arbeitsgruppe Lehr-Lern-Forschung, in der Wissenschaftler aller Didaktiken und der Erziehungswissenschaften zusammenarbeiten.

Universitäre Lehrerbildung

Ein solches Bild von Mathematiklernen, das die Lernenden mit ihren Vorstellungen und Erfahrungen ernst nimmt und Mathematik als ein Fenster zur Welt versteht, erfordert auch andere Perspektiven auf die Lehrerbildung (Zur Lehrerbildung im Sekundarstufenbereich wurde dies von Rainer Danckwerts in diesem Heft ausgeführt--> "Mathematiklehrerbildung neu denken"). Lehrkräfte sollen nicht nur die Mathematik hervorragend kennen und verstehen, sondern sie müssen eben auch die Erfahrungen und Vorstellungen der Lernenden, sofern dies an der Universität schon möglich ist, sensibel wahrnehmen lernen. Dafür werden sie frühzeitig mit dem Konzept des Reflektierens im Spannungsfeld von Mathematik und Lebenswelt konfrontiert und können bereits in ihrem eigenen Lernprozess ihre lebensweltlichen Erfahrungen mit der Mathematik abgleichen. Solche Reflexionsprozesse selbst zu erleben, hilft den zukünftigen Lehrkräften dabei, den Lernenden später auch ernsthaft und wertschätzend gegenüber zu treten.
Interessant sind dabei Dokumente, die die Lehramtsstudierenden im Rahmen einer schriftlichen Arbeit verfasst haben. Die Aufforderung war, in einem Brief zu beschreiben, welche Stellen der Mathematik sie als unlogisch empfinden. Die Vielfalt der Antworten ist erstaunlich. Da sind zum Beispiel auf einer etwas anderen Ebene die Probleme, die auch die Kinder mit der ‚hypothetischen Realität‘ der Mathematik haben.

• „Was bedeutet 1 durch 0? Warum geht das nicht? Ich habe doch eine Torte auf Null Personen also keinen verteilt. Dann ist die Torte ja noch da.“

• „Wie können die natürlichen Zahlen (0, 1, 2, …) und die ganzen Zahlen (… -2, -1, 0, 1, 2, …) gleich viele sein? Es sind doch doppelt so viele ganze Zahlen wie natürliche!“

• „Eine Strecke zwischen zwei Punkten A und B ist endlich lang. Wie kann sie dann unendlich viele Punkte haben?“

• „Gibt es eine Zahl, die eins größer ist als unendlich? Wenn es sie gäbe, wäre dann ‚unendlich‘ überhaupt ‚unendlich‘?“

• „Warum ist 0,999… = 1? Es fehlt doch noch ein unendlich kleines Bisschen bis zur Eins, oder ist das so wenig, dass man es vernachlässigen kann?“

• „Warum ist Minus mal Minus Plus? Mir fällt kein anschauliches Beispiel aus dem Alltag ein!“

Aber Sensibilität alleine reicht nicht aus. Es muss auch am Inhalt und an den Vorstellungen der Studierenden gearbeitet werden. So zeigt sich eben, dass die Studierenden auch eine Vielzahl von Vorstellungen kennen müssen, die Kinder zu bestimmten mathematischen Gegenständen potentiell haben können. Auf diese Weise werden die angehenden Lehrer in die Lage versetzt zu beobachten und zu beschreiben, wo die Schülerinnen und Schüler stehen, um sie dann gezielt fördern zu können.
Fazit: Der Titel des Beitrages ist in zweifacher Hinsicht gemeint. Zum einen als Aufforderung Vorstellungen im Lernprozess zu bilden, zum anderen als Bildungsinhalt. Vorstellungen bilden per se – insbesondere wenn wir in der Lage sind sie als dynamische Größen in einem Denkgefüge bewusst zu machen.

Mathematische Anschauung von Kindern zwischen Diskret und Kontinuierlich

 

Wie stellen sich Kinder Zahlen vor? Bei der Entwicklung von Zählkompetenzen verwenden Kleinkinder die Zahlwortreihe wie einen Reim, wie ein Gedicht, das sie aufsagen. Eins, zwei, drei, vier, … Vielleicht mehr als 100 Mal hat ein Kleinkind Zahlen so aufgesagt, bevor sich das erste Zählen als Ermitteln einer Anzahl von Objekten einstellt. Nun werden konkreten Objekten die Zahlen im Reim zugeordnet. Es gibt einige Kinder, die hier bereits Schwierigkeiten mit der Vorstellung bekommen, da sie diese Zuordnung mit der Anzahl der Elemente nicht zusammenbringen. Hier scheint schon ein Problem auf der Vorstellungsseite zu liegen. Was ist eigentlich zählen, um was geht es dabei? Welche Grundidee steht dahinter und warum ist man an der Anzahl von Elementen überhaupt interessiert?

Springen wir zum Ende der Grundschulzeit und setzen voraus, dass die mathematische Bildung bis dorthin auf fruchtbaren Boden fiel. Welche Vorstellungen von Zahlen haben Kinder dann? Häufig werden Zahlen als eine Art Perlenkette gesehen. Diese hat einen Anfang aber kein Ende. Jede Perle hat zwei direkte Nachbarn, außer der Null, die hat nur die Eins als Nachbarn. Mit den Zahlen kann man rechnen. Wenn man Multipliziert wird das Ergebnis in der Regel größer, wenn man teilt, wird das Ergebnis kleiner. Nun kommen diese Kinder mit ihren Vorstellungen in die Mittelstufe und sollen mit Brüchen rechnen. Das ursprüngliche Bild kommt ins Wanken. Die Brüche erfüllen die oben genannte Vorstellung von Zahlen zu weiten Teilen nicht mehr. Sie lassen sich nicht wie eine Perlenkette anordnen; zwischen je zwei Brüchen liegt noch ein dritter, also gibt es keine direkten Nachbarn. Man sagt auch, dass die Brüche ‚dicht‘ liegen. Zu großen Verwirrungen führt, dass beim Malnehmen von Brüchen das Ergebnis nicht immer größer und beim Teilen nicht immer kleiner wird: „2 durch ¼ = 8. Das kann doch nicht sein, ich habe doch geteilt.“ Hier ist ein Aushandlungsprozess über die Vorstellungen der Kinder essentiell, will man nicht eine Bildungschance leichtfertig vergeben. Allzu häufig wird jedoch aus Gründen der Effektivität darauf verzichtet. Ein Einschleifen von Routinen ist die Folge, mit dem Effekt, dass das was unverstanden ist, schnell wieder vergessen wird.

Haben die Lernenden diese ‚Durststrecke‘ überwunden und sich an die etwas merkwürdigen Bruchzahlen gewöhnt (der Taschenrechner kann im Ernstfall damit umgehen), so kommt zum Ende der Sekundarstufe I die nächste Hürde. Die Länge der Diagonale im Einheitsquadrat ist zu bestimmen. Wir suchen eine Zahl, die mit sich selbst Mal genommen zwei ergibt. Wurzel aus zwei wird als Lösung akzeptiert, doch was ist das? Tippen wir es in den Taschenrechner, dann ergibt sich ein solches Bild: √2 = 1,414213562 Die schnelle Analyse für pfiffige Denker zeigt: Das kann nicht sein, denn √2 · √2 = 2 war ja vorausgesetzt. Die Ziffer an der letzten Stelle der Dezimalzahl √2 mal sich selbst genommen, muss also Null ergeben. Eine solche Ziffer gibt es aber nicht. Der Schluss, dass es damit keine letzte Stelle der Dezimalzahl √2 geben kann, ist schwer verdaulich und aufregend zugleich. Hier kann an der potentiellen Realität der Mathematik geschnuppert werden, gibt es doch solche unendlich feinen Zahlen als Maßzahlen nicht.

Auch für Lehramtsstudierende ist es nicht leicht, sich den oben angedeuteten Spannungsfeldern zu stellen, fallen hier doch Alltagsverständnisse und mathematische Theorie wesentlich auseinander. Es hilft, Studierende Geschichten schreiben zu lassen, in denen sie etwa einem Sechstklässler die Dichtheit der Bruchzahlen erklären sollen. Damit setzten sie sich auch mit ihren eigenen Vorstellungen zu dem Thema intensiv auseinander. Einige gelungene Geschichten bemühen Analogien. Die Kinder sollen sich auf einen Zollstock setzten und sich immer weiter in die Maßeinteilung des Zollstocks hineinzoomen. So sehen sie, dass es potentiell unendlich feine Maßeinteilungen gibt, auch wenn sie in der realen Welt keine Bedeutung mehr tragen. So genau kann niemand messen, noch nicht einmal der Nanotechniker oder der Femtochemiker.

Verfasser: Katja Lengnink

Ansprechpartner

Prof. Dr. Katja Lengnink
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