..
Suche
Hinweise zum Einsatz der Google Suche
Personensuchezur unisono Personensuche
Veranstaltungssuchezur unisono Veranstaltungssuche
Katalog plus
Ihre Ansprechpartnerinnen

Katja Knoche

E-Mail: 
knoche@hdw.uni-siegen.de
Tel.: +49 (0)271 / 740 - 2513

Villa Sauer
Obergraben 23
57072 Siegen
Raum: 001


Karin Gipperich

E-Mail: 
karin.gipperich@uni-siegen.de
Tel.: +49 (0)271 /740 - 2689

Villa Sauer
Obergraben 23
57072 Siegen
Raum: 003

Soziale Marktwirtschaft oder demokratische Mitweltökonomie?

Die Eröffnung der Mittwochsakademie: Eine Wirtschaftsordnung der Zukunft stand im Blickpunkt.

18 Veranstaltungen bietet die Mittwochsakademie der Universität Siegen im laufenden Semester an. Hinzu kommen reguläre Lehrveranstaltungen, die für Mittwochsakademikerinnen und -akademiker geöffnet sind, sowie auch eine exklusive Führung durchs Museum für Gegenwartskunst, die im Wintersemester am 22. Januar, 16 Uhr, stattfindet. Die Veranstaltungen der Mittwochsakademie haben am 7. November begonnen, aus terminlichen Gründen fiel der Lern- und Lehrstartschuss vor der eigentlichen Eröffnung, die nun in der Aula des Lÿz an der St.-Johann-Straße in Siegen stattfand. Über 100 Gäste begrüßte Prof. Dr. Stephan Habscheid als wissenschaftliche Leitung der Mittwochsakademie. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung vom Bamasi-Trio (Matthias Siembab, Bastian Schmidt, Simon Gelhausen).

Prof. Habscheid stellte die Mittwochsakademie vor und erläuterte, dass der Umfang des Programms aus Kostengründen begrenzt sei. Um neue und wechselnde Themen anzubieten, müsse der eine oder andere Dozent/die eine oder andere Dozentin ab und an einmal ein Semester pausieren. Schwerpunkt im laufenden Wintersemester ist das Thema „Ökonomie“. Erstmals gibt es eine Verzahnung von Mittwochsakademie und Forum Siegen. Das Semesterthema des Forums „Alles Kapitalismus? Formen und Perspektiven einer lebensdienlichen Ökonomie“ findet Widerhall in einem Begleitseminar der Mittwochsakademie „Wirtschaft zwischen Ordnung und Chaos“.

Mit dem Thema „Ökonomie“ bestens vertraut waren die beiden Referenten der Vortragsfeier – Prof. Dr. Nils Goldschmidt und Prof. Dr. Gustav Bergmann. Goldschmidt ist Vorsitzender des Vorstands der „Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft“ sowie Innovations- und Kompetenzforscher an der Universität Siegen. Gemeinsam mit Prof. Bergmann gehört er zu den Gründern des Master-Studiengangs „Plurale Ökonomik“. Goldschmidt forscht und lehrt seit 2003 an der Universität Siegen. Sein Lehrgebiet heißt „Kontextuale Ökonomik und Ökonomische Bildung“. Zudem leitet er als Direktor das fakultätsübergreifende Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung.

Prof. Bergmann ist seit 1996 Professor für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Innovation und Kompetenzentwicklung an der Universität Siegen. Er beschreibt sich als „Ostwestfalen mit wertvoller bäuerlicher und ökonomischer Grunderfahrung im Elternhaus“. Er ist nicht nur universitär hochgebildet, sondern auch bewandert in systemischer und gestaltungsorientierter Beratung und hat auf dieser Basis vielfach Praxiserfahrung gesammelt.

Prof. Dr. Nils Goldschmidt begann seinen Vortrag zum Thema „Soziale Marktwirtschaft: Wirtschaft für den Menschen“ mit einem kurzen historischen Rückblick auf die Währungsreform und die Einführung der D-Mark 1948. Goldschmidt: „Danach gab es wieder einen Markt und wirtschaftliche Entwicklung.“ Es gab neue Preise und plötzlich wieder volle Schaufenster. Das „Schaufensterwunder“ war Resultat des Endes der Festpreise und der Möglichkeit, für Waren einen realen Gegenwert zu erhalten. Das war der Startschuss für die Soziale Marktwirtschaft, an der neben Ludwig Erhard andere Politiker mitwirkten. Goldschmidt: „Ich möchte zeigen, dass es Sinn macht, über die Soziale Marktwirtschaft zu reden.“ Man müsse aber immer wieder auch darüber reden, was das heiße. Denn, so Goldschmidt: „Soziale Marktwirtschaft ist für den Menschen da.“ Sie diene dem Menschen und nicht umgekehrt. Die wirtschaftliche Ordnung werde für Menschen von Menschen gemacht: „Den Zweck setzt der Mensch.“

Zehn Punkte benannte Goldschmidt als Rahmen für die Soziale Marktwirtschaft:

1. Politik ist dazu da, Politik für die Menschen zu machen. Das gilt auch für die Wirtschaft.

2. Freier und fairer Wettbewerb. Das nachhaltige Ziel sei das Wohl der Menschen, fairer Wettbewerb das Mittel. Es gehe um ein Miteinander zum Vorteil beider Seiten und beinhalte faire Preise.

3. Märkte brauchen gute Regeln. Diese fördere das Wohl der Menschen, nicht ständige Eingriffe in den Markt. Es ist Aufgabe des Staates, diesen Regelrahmen zu setzen und auf die Einhaltung zu achten.

4. Ein starker und durchsetzungsfähiger Staat. Der Markt halte sich von selbst weder offen noch im Gleichgewicht. Monopole, Kartelle und Korruption verhinderten fairen wirtschaftlichen Wettbewerb.

5. Kreativität und Leistung sollen sich lohnen. Soziale Marktwirtschaft braucht echten Leistungswettbewerb ohne Privilegien.

6. Unternehmerische Freiheit und persönliche Initiative. Bedürfnisse und Bedarfe sind nicht genau vorherzusagen. Daher muss die Wirtschaft sich immer wieder neu erfinden. Ohne unternehmerische Freiheit und persönliche Initiative geht es nicht.

7. Kulturelle, soziale und ökologische Voraussetzungen. Wirtschaft und Gesellschaft brauchen einander. Die Soziale Marktwirtschaft benötigt die Entdeckung geistiger Landschaften. Der Einklang mit Mit- und Umwelt sind notwendig. Ebenso der kulturelle Diskurs über Regeln.

8. Kluge Sozialpolitik und vorausschauende Bildungspolitik. Wer von Menschen Eigenverantwortung fordert, muss dafür auch die Voraussetzungen schaffen.

9. Demokraten, nicht Technokraten. Die Bürger wissen selbst, was für sie gut ist. Benötigt wird ein Zusammenspiel von Zivilgesellschaft, Tarifpartnern und Politik.

10. Öffentlicher Dialog. Aus Betroffenen müssen Beteiligte werden. Neue Herausforderungen wie Klimawandel, Digitalisierung, Welthandel, Alterung, Migration brauchen neue Lösungen.

Goldschmidt: „Die Soziale Marktwirtschaft soll Menschen ein gutes, glückliches Leben ermöglichen und Wohlstand für alle bieten.“

Prof. Bergmann stellte den Entwurf einer „Demokratischen Mitweltökonomie“ vor. Seiner Meinung nach ist in den zurückliegenden Jahren vieles schief gegangen. Die Ökonomie war dabei mehr Teil der Probleme als der Lösungen. Bergmann: „Der Mensch im Anthropozän frisst seinen Heimatplaneten.“ Die Ursache liege in der Wirtschaftsweise der 10 Prozent. Bergmann: „Die ,westliche‘ Lebensweise ist nicht durchhaltbar.“ Die skrupellosesten Egoisten würden am meisten belohnt. Der große Hebel der Veränderung liege bei uns. Bergmann: „Wir brauchen ein System, in dem es einfacher ist, ein guter Mensch zu sein.“ Das bedeute, sich für die Gesellschaft einzusetzen.

Zwei systemische Risiken identifizierte der Redner: Klimawandel und Naturzerstörung sowie Ungerechtigkeit und Ungleichheit. Kapitalismus sei nicht die alleinige Ursache, verschärfe aber die Krisen. Ansatzpunkte für Lösungen seien a) eine Mitweltökonomie - eine soziale, ökologische und erfinderische Ökonomie mit dienender Funktion, und b) demokratische Entscheidungen – Diskurse, Dialoge, Einvernehmen und Kooperation. Die Marktwirtschaft, so Bergmann, sei kein Heiligtum, Soziales nicht nur Anhängsel, sondern Verfassungsgebot. Sein Fazit: „Wir müssen unsere Lebensweise umstellen auf Nachhaltigkeit und Genügsamkeit“. Märkte erachtet Bergmann für bestimmte Bereiche der Grundversorgung wie Wasser und Bildung als untauglich. Märkte bedeuteten Konkurrenz, benötigt würden indes Solidarität und Kooperation. Hauptproblem der Märkte sei die Macht.

Zur Lebensänderung gehörten:

1. Eine solidarische Gesellschaft mit Freizügigkeit

2. Städte für Menschen

3. Grundeinkommen für Jeden

4. Bildung in Stätten der Muße, kostenlose Bildung

5. Vorsorgendes Wirtschaften

6. Nachhaltige Landwirtschaft

7. Viel Freiraum für das künstlerische, erfinderische und glückliche Leben

Bergmann zum „menschlichen Maß“: „Dieses Maß ist dann gegeben, wenn sich unsere Handlungen nicht negativ auf uns, andere oder zukünftige Menschen richten und, wenn Menschen auf ihre soziale und natürliche Mitwelt gestalterisch einwirken können und mit dieser im Einklang stehen.“

Als Diskussionsangebot stellte der Vortragende in den Raum:

1. 100 Prozent Erbschaftssteuer (bei Freibeträgen)

2. Bedingungsloses Grundeinkommen

3. Bedingungsloses Grundvermögen

4. Ökologische Steuerreform

5. Regulierung und Begrenzung von Märkten

6. Haftungsstrukturen in der gesamten Wirtschaft.