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Projektphase I

In der ersten Projektphase wurde eine dreijährige (2013 – 2015) umfangreiche empirische Untersuchung der bestehenden ‚Beteiligungslandschaft‘ und Partizipationsbedingungen in Nordrhein-Westfalen auf Grundlage des Behindertengleichstellungsgesetzes NRW der sich aus der UN-Behindertenrechtskonvention ergebenden Anforderungen durchgeführt.

Begonnen wurde mit der Analyse von 61 (Behinderten-)Beiratssatzungen. Dabei wurden bereits große Unterschiede in der kommunalen Vertretungslandschaft deutlich. Diese Unterschiede beziehen sich sowohl auf das Vorhandensein von Beiräten, auf die Arbeitsstruktur und die Zusammensetzung als auch auf die Inhalte und die Kompetenzen der Vertretungsarbeit. Besonders hervorzuheben ist, dass die bestehenden Beiräte insgesamt über sehr unterschiedliche Rechte und in keinem Fall über tatsächliche Mitbestimmungs- oder Vetorechte verfügen.

Die anschließende Untersuchung der Strukturen von kommunalen Interessenvertretungen wurde mittels 100 Telefoninterviews mit aktiven Interessenvertretern/-innen durchgeführt. Eines von vielen erkenntnisleitenden Ergebnissen zeigt, dass bislang nur ca. 20 % der Kommunen der in Nordrhein-Westfalen im Behindertengleichstellungsgesetz formulierten Verpflichtung zur Erarbeitung einer Satzung, die den Belangen von Menschen mit Behinderungen auf örtlicher Ebene Rechnung trägt, nachgekommen sind. Die Recherchen zu vorhandenen Strukturen der Interessenvertretungen in ganz NRW zeigten außerdem, dass es in 53 % aller Kommunen keine Vertretung von Menschen mit Behinderungen gibt.

Basierend auf diesen Untersuchungsergebnissen wurden vertiefende Gespräche mit Interessenvertretern/-innen in sechs verschiedenen kommunalen Gebietskörperschaften durchgeführt.

Diese Fokusgruppen lieferten weitere Erkenntnisse bezüglich:

  • der Formen und Konstellationen kommunaler Interessenvertretungen;
  • der Strukturen kommunaler Interessenvertretungen;
  • der Zielperspektiven kommunaler Interessenvertretungen;
  • der Rechte und Akzeptanz der kommunalen Interessenvertretungen;
  • des Selbstverständnisses und der eigenen Wahrnehmung der politischen Vertretungsarbeit.

Hervorzuheben ist hierbei insbesondere die Einigkeit darüber, dass die Interessenvertretungen möglichst eng vernetzt mit der kommunalen Politik und Verwaltung zusammenarbeiten sollen, dabei ihre eigenständigen Diskussions- und Entscheidungsprozesse jedoch keinesfalls verlieren dürfen. Zudem wird gefordert, die Struktur der ehrenamtlichen Vertretungsarbeit wesentlich stärker zu unterstützen und wertzuschätzen, um so die Vertretungsarbeit zu erleichtern und diese für potenziellen Nachwuchs attraktiver zu gestalten. Die Arbeit und die Vorschläge der Interessenvertretungen sollten in erster Linie an ihrer Notwendigkeit und nicht an ihrer möglichen Finanzierbarkeit bemessen werden.

Zur weiteren Bewusstseinsbildung und Wissensgenerierung wurden drei Zukunftsworkshops durchgeführt. Dabei wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass die UN-Behindertenrechtskonvention eine bessere Wirksamkeit der Interessenvertretungen erfordert hat und die Selbstorganisation als Grundlage einer wirksamen und behinderungsübergreifenden Interessenvertretung zu verstehen ist.

Da die Projektergebnisse zeigen, dass unter anderem Menschen mit Lernschwierigkeiten tendenziell eher unterrepräsentiert in Gremien der kommunalen Interessenvertretung mitarbeiten und ihre Einbeziehung eine große Herausforderung darstellt, wurde bezogen auf diese Personengruppe eine ergänzende Untersuchung durchgeführt. Dabei wurde deutlich, dass eine effektive Assistenz und Unterstützung, eine barrierefreie Gestaltung und eine an den Ressourcen ansetzende Beteiligungskultur von grundlegender Bedeutung für die Stärkung der politischen Partizipation aller Menschen mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen ist.

In einer weiteren ergänzenden Befragung von 83 aktiven Selbsthilfe-Vertretern/-innen kamen kritische und pessimistische Einschätzungen zur Wirksamkeit der politischen Interessenvertretung auf kommunaler Ebene zur Sprache. Die befragten Selbsthilfe-Vertreter/-innen fordern daher eine stärkere Sensibilisierung und Öffentlichkeitsarbeit hinsichtlich der Belange von Menschen mit Behinderungen, eine bessere Unterstützung durch Politik und Verwaltung, eine Einbeziehung in alle kommunalen Planungen und die Schaffung von verbindlichen Rechtsgrundlagen für die Vertretungsarbeit.

Um die Ergebnisse dieser Untersuchung sowohl national als auch international einordnen zu können, wurden vergleichende Recherchen bezüglich der Regelungen zur Partizipation von Menschen mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen durchgeführt. Im Vergleich der Landesgleichstellungsgesetze und Gemeindeordnungen auf Bundesebene wird dabei deutlich, dass die Regelungen zum einen deutlicher auf die Grundsätze der UN-Behindertenrechtskonvention ausgerichtet werden müssen und dass zum anderen in den Gemeindeordnungen in fast in allen Bundesländern eine Regelung zur adäquaten Vertretung der Interessen von Menschen mit Behinderungen mittels eines entsprechenden Gremiums fehlt.

Die Untersuchung weist darauf hin, dass die Stärkung der politischen Partizipation von Menschen mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen von drei Grundbedingungen abhängt: einer partizipativen Struktur, einer inklusiven Kultur und der politischen Aktivität, die ineinandergreifen und sich gegenseitig bedingen und unterstützen müssen.

Diese Grundbedingungen können aktiv beeinflusst und verändert werden:

  • indem auf der Strukturebene gesetzliche Rahmenbedingungen, Beteiligungsrechte, Vertretungsformen und die dazugehörigen Zusammensetzungen, Konstituierungsverfahren, Ressourcen und Unterstützungsleistungen an dem Ideal einer barrierefreien Partizipation ausgerichtet werden;
  • indem auf der Kulturebene die politische Akzeptanz, die Qualität der Netzwerkstrukturen, das Bewusstsein und die öffentliche Wahrnehmung den Grundsätzen eines inklusiven Gemeinwesen Rechnung tragen;
  • indem auf der Ebene der politischen Aktivität die Ziele, das Selbstverständnis und die Arbeitsstrukturen im Sinne einer eigenaktiven und durchsetzungsfähigen politischen Vertretungsarbeit gestaltet werden.

Die Projektergebnisse wurden in einem Bericht zusammengefasst der hier zum Download zur Verfügung steht. Er wird ergänzt durch Handlungsempfehlungen, dies sich noch in der Abstimmung befinden.