Lesung: Wien erzählen. Karin Peschka liest aus Watschenmann und Autolyse Wien
Dr. Anke Kramer, Karin Peschka
Wien, 1954. Die harten Nachkriegsjahre sind vorbei, Wiederaufbau und wirtschaftlicher Aufschwung prägen die Zeit. Doch nicht jeder findet Halt in einer Gesellschaft, die versucht, Krieg und Gewalt in die Vergangenheit abzuschieben. Heinrich, der Watschenmann, hat sich eine eigene Gedankenwelt zurechtgelegt. Er zieht durch die Straßen und provoziert Passanten, ihn zu schlagen, um den Kriegswurm freizulegen, der sich immer noch tief in den Menschen verbirgt. Mit ungeheurer Sprachwucht erzählt der Roman Watschenmann (2014) von der ambivalenten Beziehung dreier Menschen, die sich Stabilität und Halt geben, die sich schlagen und beleidigen, die an der Hoffnung festhalten.
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- Wien? Verloren. Wodurch und warum, ist einerlei. Nicht die Katastrophe an sich ist von Interesse, nicht die Ursachen, die dazu führten, dass Wien zur Ruine geworden ist, zur in sich verschobenen, versetzten Stadt. Der Fokus der Erzählungen in Autolyse Wien (2017) liegt auf dem, was sich zwischen den Trümmern noch regt. Wie geht es denen, die nicht umgekommen sind, wie überleben sie? Die Stimmungen und Momentaufnahmen erzählen von Misstrauen, Angst und Fatalität, aber auch von Hoffnung, Erinnerung, von einer Neuausrichtung. Was macht die Umkehrung aus uns, wenn das Kaputte die Norm wird und das Ganze zur Ausnahme? Wenn die Bilder, die man aus alten Wochenschaufilmen oder aktueller Kriegsberichterstattung kennt, zur eigenen Heimat werden?
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- Karin Peschka, geboren 1967 als Wirtstochter in Oberösterreich, hat in den letzten Jahren in schneller Folge zwei Romane und eine große Zahl von Erzählungen, Kurztexten und Gedichten vorgelegt. Ihre Werke erscheinen im Otto Müller Verlag Salzburg (Watschenmann, 2014; Fannipold, 2016; Autolyse Wien, 2017). Sie wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem dem Wartholz Literatur¬preis 2013, dem Floriana Literatur¬preis 2014, dem Elias Canetti-Stipendium 2015 und 2016 und dem Publikumspreis bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt 2017. In der Literaturkritik wird Karin Peschka als unwahrscheinlichste und effektivste literarische Newcomerin der letzten Jahre (Klaus Nüchtern im Falter 44/2016) gelobt. Sie lebt heute in Wien; derzeit ist sie Stadtschreiberin in Klagenfurt. Bei ihrer Lesung in Siegen wird sie zwei Wien-Szenarien aus Watschenmann und Autolyse Wien einander gegenüberstellen.
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- Die Veranstaltungen werden von der Forschungsstelle Kulturökologie und Literaturdidaktik gemeinsam mit den Studierenden des Seminars Gegenwartsliteratur aus Österreich: Karin Peschka in Kooperation mit der Galerie 11 organisiert und von der Universität Siegen als Projekt zur Gleichstellung von Frauen und Männern großzügig unterstützt. Kontakt: anke.kramer@uni-siegen.de
Ort: Galerie 11, Alte Poststraße 11, 57072 Siegen
Veranstalter: Fakultät I, Germanistisches Seminar, Forschungsstelle Kulturökologie und Literaturdidaktik