..
Suche
Hinweise zum Einsatz der Google Suche
Personensuchezur unisono Personensuche
Veranstaltungssuchezur unisono Veranstaltungssuche
Katalog plus

Buch des Monats März 2013

Conrad Wesselhoeft:
Adios, Nirvana.
Aus dem Englischen von Karsten Singelmann.
Hamburg: Carlsen 2012.
Ab 14 Jahren.

maerz_2013
„Ey, Mann, komm runter da!“
„Alter, mach keinen Scheiß!“
Die mir da zurufen, das sind meine Dickies. Sie stehen gleich neben der Brücke, in dem kleinen Park mit dem Totempfahl. Von wo aus man Elliott Bay und die Innenstadt von Seattle überblicken kann. (Wesselhoeft 2012, S. 9)

Mit diesen Sätzen beginnt der beeindruckende Debutroman Adios, Nirvana des us-amerikanischen Schriftstellers Conrad Wesselhoeft, der zurecht für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2013 in der Sparte Jugendjury nominiert wurde.

In der Geschichte wird die Frage entfaltet, wie man mit dem Tod seines Zwillingsbruders umgehen soll. Erzählt wird aus der Sicht des 17-jährigen Jonathan, dessen Bruder Telly bei einem Verkehrsunfall verstorben ist. Telly war ein Vorbild für Jonathan und seine „Dickies“, konnte wunderbar Gitarre spielen, singen und skaten. Er sah gut aus und hat mit seinem Gitarrenspiel selbst Eddie Vedder, den Sänger der Grungeband Pearl Jam, beeindruckt. Doch plötzlich ist er nicht mehr da, sein Longboard steht in der Ecke, seine Gitarren ruhen und sein Zimmer wird zu einem Heiligtum für Jonathan und seine Mutter Mimi, die wiederum ihren Schmerz vor ihrem Sohn versteckt, Männerbekanntschaften nach Hause bringt und ihre Trauer so ertränkt. Es ist kein fröhlicher und entspannter Roman, der uns mit Adios, Nirvana vorliegt, aber letztendlich ist es auch kein trauriger, denn mit Jonathan wird ein Held entworfen, der sich langsam aus dem Schatten seines Bruders lösen und sein Leben selbst in die Hand nehmen kann. Jonathan erlebt die Monate nach dem Tod seines Bruders als eine Art Zwischenstation. Er schläft nicht, trinkt Unmengen Red bull, schluckt Coffeintabletten und schreibt. Anders als sein Bruder ist Jonathan ein Dichter, der bereits einen Schreibwettbewerb gewonnen hat und sich in Worte und Gedichte flüchten kann. Seine Nächte bestehen aus der Lektüre, seine Hausaufgaben werden vernachlässigt und auch in der Schule fehlt er oft. Die Lehrerinnen/Lehrer verlieren langsam die Geduld und doch möchten sie nicht, dass Jonathan, der intelligent und witzig ist, den Anschluss verliert. Sein Englischlehrer verschafft ihm die Aufgabe, eine Biografie zu schreiben. Er soll den Kriegsveteranen David besuchen, der unheilbar krank ist und sein Leben erzählen möchte. Widerstrebend macht sich Jonathan auf den Weg ins Heim, lernt dort auch das Mädchen Katie sowie die fast 100-jährige Agnes kennen. Alle drei werfen einen Blick auf Jonathans Leben, rütteln ihn wach und schaffen es letztendlich, dass Jonathan schreibt und Gitarre spielt. Doch auch seine Freundinnen/Freunde unterstützen ihn, trauern mit ihm und ermöglichen es dann, dass Jonathan am Ende nicht nur die Biografie, sondern auch die Klasse schafft und bei einer Schulfeier selbst Eddie Vedder beeindruckt …

Adios, Nirvana überzeugt auf unterschiedlichen Ebenen: Da ist zunächst die Sprache, in der Jonathan seinen Kummer ausdrückt. Mal flapsig, mal sehr nachdenklich in Ton. Neben seinen Gedanken und Gefühlen sind es seine Gedichte, die ein weiteres Bild auf Jonathan werfen. Immer wieder werden Begriffe aus Musik und der Skaterszene eingeflochten, die sicherlich vielen Leserinnen/Lesern fremd sein könnten. Aber dadurch wird der Lesefluss nicht unterbrochen, lediglich erfolgt so eine Einordnung in eine bestimmte Jugendkultur, in der auch Eddie Vedder einen Platz hat. Mit solchen intermedialen Bezügen enthält der Roman auch verschiedene Lesarten, verweist auf unterschiedliche Musikstücke – neben Pearl Jam auch Nirvana –, in denen sich die Sorgen und Ängste des Protagonisten widerspiegeln. Nichtsdestotrotz greift der Roma hier eine Szene auf, die vor allem in den 1990er Jahren in den Medien präsent war und man fragt sich, ob solche Bezüge heutigen jugendlichen Leserinnen/Lesern vertraut sind. Aber auch ohne solche Kenntnisse ist der Text mehr als lesenswert. Denn auch die Figuren und entworfenen Themenfelder überzeugen.

Es geht u. a. um Freundschaften und das Vertrauen, das Menschen einem entgegenbringen. Jonathan kann sich auf seine „Dickies“ verlassen. Auch wenn sie wenig über ihre Gefühle und den Verlust sprechen, weiß Jonathan, dass seine Freunde für ihn da sind. Sie beobachten ihn, machen ihn zunächst keine Vorwürfe aufgrund seiner veränderten Lebensweise und schaffen es, ohne direkt über die Probleme zu sprechen, dennoch, Jonathan ins Leben zurückzuholen. Im Hintergrund agiert Jonathans Mutter Mimi. Doch in der Familienkonstellation wird lediglich die Einsamkeit noch verstärkt, denn sie ist keine perfekte Mutter. Sie kocht nicht, arbeitet nachts und bringt selbstverständlich auch Männer für One Night Stands nach Hause. Jonathan sehnt sich manchmal nach einem intakten Familienleben, aber auch dies wird nur am Rande thematisiert und nicht problematisiert. Der Roman verzichtet auf eine moralische Wertung, Jonathans Umgang mit Tabletten wird kaum kommentiert und es bleibt den Leserinnen/Lesern selbst überlassen, das Handeln Jonathans zu deuten. An manchen Stellen verwirrt und irritiert der Text, man hofft auf ein Happy Ending und ahnt dennoch, dass es zum Text nicht passen würde. „‚Du wird es schon hinkriegen’, sagt“ (Wesselhoeft 2012, S. 286) Katie. Mit diesen Worten endet der Roman. Letztlich verliebt sich Jonathan in Katie, die unheilbar krank ist und es bleibt offen, wie es weitergeht.

Insgesamt ist Adios, Nirvana ein wunderbarer und nachdenklicher Roman, der erneut unterstreicht, wie vielfältig die aktuelle Jugendliteratur ist.

Quelle: Mikota, Jana (2013): Eine Rezension von Jana Mikota: Conrad Wesselhoeft: Adios, Nirvana. Aus dem Englischen von Karsten Singelmann. Online unter: http://www.alliteratus.com/pdf/lg_ausgez_absch_nirvana.pdf (letzter Abruf: 13.06.2014)