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Buch des Monats August 2014

Patrick Ness: Mehr als das.

Übersetzt aus dem Englischen von Bettina Abarbanell.

München: cbt 2014.

Ab 14 Jahren.

Mehr als das, der neue Roman des mehrfach prämierten Autors Patrick Ness, ist ungewöhnlich und zeigt, wie anspruchsvoll auch august_2014Jugendromane sein können und vor allem in den letzten Jahren fernab der Blockbuster wie die Twilight-Tetralogie (von Stephenie Meyer)  tatsächlich auch sind. Mehr als das wendet sich vor allem an erfahrene und begeisterte Leserinnen/Leser, die sich mit Literatur und komplexen Themen auseinandersetzen und diese nicht ausschließlich zur Unterhaltung konsumieren möchten. Es ist ein Roman, den man durchaus auch zweimal lesen kann und der sich nicht nur schwer nacherzählen, sondern sich auch nicht in tradierte Gattungsmuster ordnen lässt.

Im Mittelpunkt steht der 17-jährige Seth, der zu Beginn der Handlung an der Westküste der USA stirbt und sich nach seinem Tod in seinem früheren Zuhause in England wiederfindet: in Alufolie gebunden, verwirrt und müde. Sein früheres Zuhause ist verstaubt, die Nachbarn sind verschwunden, alles sieht kaputt aus und doch vertraut. Erste Anzeichen verwirren Seth, der Dinge findet, die seine Familie in die USA mitgenommen hatte. Doch nicht nur das: Auch seine Träume sind intensiv, in Rückblenden erfahren die Leserinnen/Leser etwas über Seth als lebender Jugendlicher und erkennen, warum er gestorben ist. Seth begreift immer mehr, was geschehen ist, lernt mit Regine, die etwas älter ist, und Tommy, der etwa 12 Jahre alt ist, weitere Verstorbene kennen. Gemeinsam versuchen sie, das Geheimnis zu lösen und geraten dabei immer wieder in Gefahr.

Der Klappentext bewirbt den Roman mit Filmen wie Matrix oder Inception und der Vergleich ist naheliegend. Aber zugleich liegt hier die Schwierigkeit: Ähnlich wie in den genannten Filmen darf auch in über Mehr als das nicht allzu viel verraten werden, um die Spannung nicht zu nehmen. Und spannend ist der Roman, er zeigt, dass sich Spannendes und Anspruchsvolles nicht widersprechen müssen. Es ist aber auch ein Jugendroman, der möglicherweise erwachsene Leserinnen/Leser, die von Jugendliteratur Lösungen erwarten, enttäuschen wird. Es ist nämlich ein weiterer Roman für Jugendliche, der keine Lösungen anbietet und gerade deshalb zum Nachdenken anregen könnte. Mehr als das ist nicht nur ein dystopischer oder ein Science-Fiction-Roman, was der Vergleich mit den Filmen andeuten könnte, sondern auch ein Entwicklungs- und vor allem ein philosophischer Roman, was bereits der Titel, der aus dem Englischen wörtlich übersetzt wurde, andeutet. Erst am Ende begreift Seth tatsächlich: Was wollen wir vom Leben? Und was ist das „Mehr“ im Leben? Das sind Fragen, die uns immer wieder beschäftigen und auch zu der Frage führen: Wozu wären wir bereit? Seth stellt sich auch diese Fragen, liefert den Leserinnen/Lesern Andeutungen und lässt sie nach der Lektüre nachdenklich zurück. Mit Seth entwirft Patrick Ness eine ungewöhnliche männliche Hauptfigur. Seth hatte kein leichtes Leben, denn sein jüngerer Bruder hat eine Entführung überlebt, ist seitdem traumatisiert und alles dreht sich um ihn. Seth verliebt sich in seinen besten Freund, doch auch die Beziehung scheitert an den gesellschaftlichen Konventionen. Und damit setzt sich der Roman auch mit dem Thema Homosexualität auseinander, entwirft keine tolerante Gesellschaft, sondern eine Hexenjagd auf zwei Jugendliche. Auch Seths Eltern, die sich liberal-europäisch und intellektuell präsentieren, können die Homosexualität des Sohnes kaum akzeptieren und vor allem Seths Mutter macht ihm große Vorwürfe. Damit wird im Text keine oberflächliche Kritik an einer US-amerikanischen Gesellschaft entworfen, die religiös und intolerant ist, sondern auch ein intellektuelles Umfeld wird hinsichtlich seiner Toleranzgrenze beleuchtet. Ganz anders reagieren dann Regine und Tommy auf Seths Homosexualität: Sie akzeptieren es.  Im Laufe der Geschichte entwickelt sich Seth weiter und stellt sich seiner Vergangenheit.

Auch sprachlich überzeugt der Roman, der gekonnt innere und äußere Handlung miteinander verbindet. In kurzen, fast abgehackten Sätzen schildert Ness das Leben Seths, beschreibt seine Gefühle bspw. wie folgt:

Die ersten Sekunden nach seinem Tod sind für den Jungen völlig verschwommen, eine einzige Verwirrung. (Ness 2014, S. 15)

Es ist ein gelungener Roman, der aber von seinen Leserinnen/Lesern viel verlangt!

Quelle: Jana Mikota (2014): Eine Rezension von Jana Mikota: Patrick Ness: Mehr als das. Aus dem Englischen von Bettina Abarbanell. Online unter: http://www.alliteratus.com/pdf/lg_fant_erw_ness.pdf (letzter Abruf: 25.05.2014)