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Buch des Monats Mai 2014

Andreas Steinhöfel, Sabine Wilharm: 

GlücksStadt.

Hamburg: Aladin 2013.

Ab 4 Jahren.

Noch bevor die Geschichte beginnt, weiß man, dass man etwas Wertvolles in der Hand hält. Man schlägt das Buch auf und man mai_2014fühlt es, man sieht es, man ahnt es.

Schon das gute Papier, das man anfassen muss, unbedingt!  

Und: Fliegende Schweine, fliegende Postkarten? Wer streckt da den Arm aus und wer hat geschrieben? Eine graue Stadt, ein blaue Stadt, eine Glücksstadt etwa?

Schon der Titel und die Bilder zu Beginn wecken Erwartungen, werfen Fragen auf, lassen eine seltsam skurrile Geschichte vermuten. Und dann erfahren wir es: Lena bekommt Post, Lieblenchen, Lena-Na-Na, Lenate, Lenchen, Li-la-Lena, Lenalie, die „liebste Daheimste“ (Steinhöfel/Wilharm 2013, S. 20). Immer wieder kommen Postkarten, und geschrieben hat sie eine K. – die zufrieden lächelnde Frau K., die in einer Teekanne reist und „jede Menge blinde Passagiere“ (ebd., S. 6) an Bord hat.

Der Text (links) und das ganzseitige Bild (rechts daneben) machen Lust auf mehr: Wo kommt diese Frau K.  her und wo will sie hin? Wer sind die blinden Passagiere?

Ist dies eine Antwort auf die Fragen:

[…] wenn mir hier draußen im Grünen der Himmel zu blau erscheint, wird’s mir zu bunt. Dann sehne ich mich nach der Stadt […] (ebd., S. 6)?   

Die Stadt als Sehnsuchtsort? „Landflucht“ (ebd.)?

Eine Glückssuche ist es, das wird bald klar, zwischen Stadt und Land, zwischen Geschäftigkeit und Behäbigkeit, zwischen Heimat – dem zu engen „Schneckendorf, Schneckenhaus“ (ebd., S. 8) – und Irgendwo. Vielleicht nur im Traum oder auch im Leben?

Nur mein Kopf war groß genug. Immerzu träumte ich mich irgendwo hin. […] Und ohne es zu bemerken, war ich am glücklichsten immer dann, während ich suchte (ebd., S. 8).

Und doch, so scheint es, schreibt Steinhöfel hier erneut auch eine Liebeserklärung an das Leben und die Menschen, an das „Nebeneinander“ in „der großen Stadt, […], wo es gerne mal drüber und drunter geht“ (ebd., S. 10).  Man fühlt sich an Rico aus Rico, Oskar und die Tieferschatten erinnert, der seine Wohlfühl- und eine ganze Menschenwelt in der Großstadt Berlin findet, Freude und Freunde und auch das „graue Gefühl“ kennt.

Eines ist sicher, dieses Buch ist ein in Sprache und Bild eindrucksvolles Kunstwerk mit Andeutungen, skurril-witzigen Figuren und intertextuellen Bezügen, das vielleicht auch irritiert, unbedingt aber zum Entdecken und Nachdenken, zum Innehalten und Weiterdenken, zum Selberträumen und Phantasieren einlädt. Alles in allem eine wunderbar seltsame Reise zwischen Traum und Wirklichkeit und ein Hohelied auf das Leben, eingefangen in Steinhöfels Text und Wilharms Illustrationen. Und zugleich ist es ein Buch von philosophischer Tiefe und augenzwinkernder Ironie, das zweifellos mehrfachadressiert ist und wahrscheinlich v. a. erwachsene Leserinnen/Leser begeistern wird. Umso mehr kann es dann wohl gelingen, das Buch Kindern nahezubringen, die zuerst die Bilder lieben werden, doch auch genau die Fragen entdecken können, die ihnen zu denken geben, bspw.: Ob das Glück eine feste Adresse hat, wer der Monddieb war und warum, wie viele Beine ein Glücksschwein haben sollte, ob man das Glück heranwinken kann, wie ein „graues Ungemach“ (ebd., S. 28) sich anfühlt, ob man in Teetassen oder gar mit den Wünschen und Träumen anderer Menschen reisen kann, warum überhaupt das Leben eine große Reise ist und wo sie schließlich hinführen könnte?  

Und, man sollte das Buch zum Klingen bringen, denn einfach großartig ist das Zusammenspiel von poetischer, spielerisch-leichter Sprache und seltsam komischen, „surrealistische[n] Bilder[n] voller Bewegung“, ungewöhnlicher Perspektivierung (van Nahl 2013, S. 12), eindrucksvoller Verfremdung und dennoch auch beruhigender Harmonie. Ganz sicher kann dieses Text-Bilder-Buch deshalb gerade auch für Kinder eine Anregung sein zum Schauen und Suchen, zum Staunen und Fragen, zum Hören und Sprechen, zum Spielen mit Bildern, Wörtern und Lauten.  

Andreas Steinhöfel und Sabine Wilharm ist ein literar-ästhetischer Lese- und Sehgenuss für erfahrene Leserinnen/Leser gelungen und ein Kinderbuch, das Kindern etwas zutraut, das ihnen Weltsichten und Traumwelten anbietet, das ihnen Alteritäts- und (neue) Spracherfahrungen und nicht zuletzt Phantasiereisen ermöglicht. Es bietet eine literar-ästhetische Erfahrung, die man Kindern keinesfalls vorenthalten sollte.

Quellen:

Mikota, Jana; Oehme, Viola (2014): Beispiele aus dem OEuvre Andreas Steinhöfels. In: Werkstattgespräche mit Kinderbuchautorinnen und -autoren, Heft 4. Universität Siegen: universi.