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Buch des Monats Juni 2015

Ingeborg Kringeland Hald: Vielleicht dürfen wir bleiben.

Aus dem Norwegischen von Maike Dörries. Carlsen 2015. 108 Seiten. 9,99€. Ab 14 Jahre. ISBN 978-3-551-55597-7.

juli
Vielleicht dürfen wir bleiben ist mit 108 Seiten ein fast schon unscheinbares Bändchen zwischen all den Jugendromanen, die immer umfangreicher werden. Aber es ist ein unglaublich dichtes und beeindruckendes Buch, dem man viele Leserinnen und Leser wünscht. Es sind gerade solche Bücher, die stärker in den Blick rücken sollten!


Ich ziehe meine Mütze bis fast über die Augen und den Reißverschluss der Steppjacke bis übers Kinn. Springe auf die Straße und strecke den Arm aus. Der Bus hält an. (S. 5)


Mit diesen Sätzen beginnt der Roman Vielleicht dürfen wir bleiben der norwegischen Schriftstellerin Ingeborg Kringeland Hald. Der elfjährige Albin, der vor fünf Jahren mit seiner Mutter und seinen jüngeren Schwestern aus Bosnien nach Norwegen floh, läuft aus einem Flüchtlingsheim davon. Er hofft, so lange er verschwunden ist, dürften weder seine Schwestern noch seine Mutter abgeschoben werden. Obwohl in Bosnien Frieden herrscht, sind sie als Moslems nach wie vor bedroht und fürchten die Rückkehr. Albin versteckt sich in einem Auto, fährt in die Berge und findet im tiefsten Winter eine einsame Hütte. Er streift durch die Wälder, beobachtet zwei Mädchen mit ihren Großeltern, hungert und friert. In Rückblenden erinnert er sich an sein Zuhause in Bosnien, an die Ermordung seines Vaters und die Flucht der Familie. Sie erlebten all die Brutalitäten, die den meisten Leserinnen und Lesern aus der Zeitung bekannt sein dürften. Albin möchte in Oslo bleiben, hat bereits Freunde gefunden und spricht auch die Sprache. Doch die Regierung sieht es anders … Die fremde Familie entdeckt Albin, nimmt ihn auf und muss ihn schließlich der Polizei übergeben. Ob er bleiben darf, ist ungewiss – was der Titel bereits andeutet.


Die Autorin Ingeborg Kringeland Hald nähert sich sensibel der Thematik Flucht und Abschiebung und wählt die Perspektive eines Kindes, der als 6-Jähriger den Krieg in Bosnien er- und überlebt hat. Die dichten und genauen Beschreibungen der Flucht, die Ängste und Gefahren, die Albins Leben noch immer bestimmen, werden überzeugend beschrieben. Er ist misstrauisch und voller Argwohn, was jedoch nicht überraschend ist – zumal auch Norwegen für die Familie keine Sicherheit bedeutet. Er beobachtet die beiden Mädchen, die ein behütetes und damit ein gänzlich anderes Leben führen. Genau diese Beobachtungen sind es auch, die zum Nachdenken anregen. Er hastet, rennt durch den Wald, die Mädchen dagegen genießen ihre Ferien bei den Großeltern und schlendern. Hier zeigen sich die Unterschiede und es ist der große Verdienst des Romans, dass er mit sprachlichen Mitteln diese Unterschiede ausdrückt und für die Leserinnen und Leser nachvollziehbar gestaltet. Erzählt wird ausschließlich aus Albins Sicht, was neue Sichtweisen ermöglicht.


Vielleicht dürfen wir bleiben ist sprachlich und thematisch ein literarisch anspruchsvoller Roman, der zum Nachdenken anregt und mit jugendlichen Leserinnen und Lesern gemeinsam erarbeitet werden sollte. Eine Anschlusskommunikation ist notwendig, denn die Autorin scheut sich in ihrem Romandebut nicht, auch die brutale Seite des Krieges mit willkürlichen Erschießungen und Vergewaltigungen zu zeigen. Albin sah alles auf seiner Flucht, denn die Mutter konnte ihren Kindern nicht immer die Augen zuhalten. Hald beschönigt nichts und auch das zeichnet den Roman aus, erfordert aber ein literarisches Gespräch während oder nach der Lektüre.