..
Suche
Hinweise zum Einsatz der Google Suche
Personensuchezur unisono Personensuche
Veranstaltungssuchezur unisono Veranstaltungssuche
Katalog plus
Ihre Ansprechpartnerinnen

Katja Knoche

E-Mail: 
knoche@hdw.uni-siegen.de
Tel.: +49 (0)271 / 740 - 2513

Villa Sauer
Obergraben 23
57072 Siegen
Raum: 001


Karin Gipperich

E-Mail: 
karin.gipperich@uni-siegen.de
Tel.: +49 (0)271 /740 - 2689

Villa Sauer
Obergraben 23
57072 Siegen
Raum: 003

Gemeinwohl wichtiger als Gewinnstreben

Christian Felber stellte bei Forum Siegen seine „Gemeinwohl-Ökonomie“ vor – in Siegen soll eine Regionalgruppe entstehen

Die Corona-Pandemie ist Folge eines überstressten Ökosystems. So zumindest sieht das Christian Felber. Nur auf dieser Gedankenbasis sei der Übergang des Virus vom Tier auf den Menschen erklärbar. Der gebürtige Salzburger ist Buchautor und Initiator der Gemeinwohl-Ökonomie. Jüngst war er als Referent digital zu Gast bei Forum Siegen. Sein Titel lautete „Vom Kapitalismus zur Gemeinwohl-Ökonomie: Aufruf zur Revolution der Wirtschaftswissenschaften“. Dieser Aufruf als Dissens zwischen der Gemeinwohl-Ökonomie und des in den Wirtschaftswissenschaften vorherrschenden neoklassischen Mainstreams durchzog den gesamten Vortrag.

Felber, der gute Kontakte zu Vertretern des Master-Studiengangs Plurale Ökonomik der Universität Siegen unterhält, bezeichnet die Wirtschaftswissenschaften als „reine Sozialwissenschaft“. Im neoklassischen Mainstream verankert, gelinge es ihnen nicht, Antworten auf die drängenden Herausforderungen der Zeit zu finden. Dazu gehörten der Klimawandel und ganz zuvorderst das Artensterben. Seien die Folgen des Klimawandels vorhersehbar, könnten die Kettenreaktionen und Interaktionen komplexer Ökosysteme nicht prognostiziert werden. Eventuell komme es deshalb künftig vermehrt zu Pandemien, eben als Stressreaktionen der Ökosysteme.

Die Gemeinwohl-Ökonomie basiere auf bewährten Verfassungs- und Grundrechten. Sie stehe für das Gelingen von Beziehungen durch Vertrauensbildung, Wertschätzung, Kooperation, Solidarität und Teilen. Sie sei ethische und liberale Marktwirtschaft in einem und basiere überwiegend auf privaten Unternehmen, die aber nicht in Konkurrenz um Finanzgewinn zueinander stünden, sondern gekennzeichnet seien durch Zusammenarbeit mit dem Ziel des Erreichens eines größtmöglichen Gemeinwohls.

Selbstverständlich basiere die Gemeinwohl-Ökonomie auf normativen Setzungen, so Felber in Richtung von Kritikern. Das tue der neoklassische Mainstream aber auch. Auch er sei wert- und zielorientiert und gründe beileibe nicht auf nur naturwissenschaftlichen Methoden. Die Marktgesetze seien nicht bewiesen und von daher auch nicht alternativlos. Schon die Bankenkrise 2008 sei mittels neoklassischer Prognosemodelle nicht vorhergesehen worden, weil die Banken in diesen Modellen nicht berücksichtigt wurden. Und weil die neoklassischen Prognosemodelle lückenhaft seien, komme es zu Finanzkrisen am laufenden Band, zu Handels- und Machtungleichgewichten, Umweltkrisen, Verteilungskrisen und Gender Imbalance. Felber: „Diese sechs Ungleichgewichte sind relevanter als die Gleichgewichte der neoklassische Theorie“.

Wirtschaftliches Handeln müsse in Konsequenz wieder in die menschlichen Gesellschaften und die Ökosphäre eingebettet werden mit der Gemeinwohlorientierung als Ziel. Bei der Argumentation nahm Felber Rückgriff auf den antiken Philosophen Aristoteles, der bereits zwischen „oikonomia“ als Gemeinwohl-Ökonomie und „chrematistiké“ als widernatürliches Wirtschaften zum Zwecke der Geldvermehrung unterschieden habe. Felbers Schlussfolgerung: „Ökonomie und Kapitalismus sind Gegenteile.“

Die Neoklassik verkörpere ein mächtiges Wertesystem. Diese Werte wie Eigennutzenmaximierung, Wirtschaftswachstum, Ungleichheit, Konkurrenzorientierung machten die Menschen unglücklich und unfrei. Sie widersprächen demokratischen Grundwerten. Deshalb sei es an der Zeit, wirtschaftlichen Erfolg neu zu messen. Das BIP könne als Gemeinwohlprodukt, der Finanzgewinn als Gemeinwohlbilanz und die Finanzrendite als Gemeinwohlprüfung gedacht werden. Die Gemeinwohl-Matrix 5.0 umfasse Werte wie Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitentscheidung.

Gemeinwohlorientierte Unternehmen, so räumte Felber ein, hätten wegen des Mehraufwands Nachteile. Der Referent plädierte daher für Vergünstigungen wie beispielsweise Steuervorteile, niedrigere Zölle oder günstigere Kredite. Auch bei der Gewährung von Ausgleichszahlungen für Unternehmen wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie könne die Gemeinwohl-Bilanz eine Rolle spielen.

Resultierend aus einem Seminar der Mittwochsakademie im Jahr 2018 gibt es in Siegen einen Arbeitskreis Mitweltzukunft und Gemeinwohlökonomie. Dieser Arbeitskreis möchte sich zur Regionalgruppe der Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung verstetigen und erweitern. Infos gibt es unter https://www.mitweltzukunft.de/kontakt/