
Die Flüchtigkeit des Blickes – Beschleunigung der Bilder
Im beginnenden 19. Jahrhundert wurde das Bedürfnis des
Publikums, Abbilder der empirischen Wirklichkeit durch
natürliche
Bewegung zu erleben, in mehrfacher Weise gestillt. Durch
den Einsatz mechanischer und/oder optischer Manipulationen an
projizierten und inszenierten Bildern wirkten die Abbildungen
stetig realer.
Wie Buddemeier (1970) mit den Worten Eberhards (1807)
beschreibt, ging die Mobilisierung des Blickes, um und nach
1800, einher mit der Mobilisierung der Gesellschaft. Das Reisen
hatte Wahrnehmungsformen, Zeitempfinden und Blicklenkung
nachhaltig beeinflusst und verändert. Das Überwinden von immer
größeren Entfernungen mit schneller werdenden Transportmitteln
führte zu neuen Erfahrungen des prozessualen, vergänglichen
Sinneseindrucks. Der Prozess, weg von starren Bildern zu einem
Kontinuum von vorbeiziehenden Bildern, markiert eine
Entwicklung, die sich im Rahmen einer neu erlebten
gesellschaftlichen Mobilität entwickelt. (Buddemeier, 1970:
177ff)
Diese Entwicklung setzt sich fort über die Bilder der
Phenakistoskope (Lebensräder) und
Zoetrope
(Wundertrommel), über die Serienfotografien und
die Chronophotografien
und zeigt sich
schließlich im Kinematographen
der Brüder Lumière als
kontinuierliche filmische Bewegungsillusion.
Der Blick des Betrachters kam durch die Perfektionierung der
bewegten Bilder immer mehr zum Stillstand.
- Zwei Buchtipps zum Thema Reisen. Wolfgang Schivelbusch: Geschichte der Eisenbahnreise: Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert, Frankfurt 2000. Philipp Prein: Bürgerliches Reisen im 19. Jahrhundert. Freizeit, Kommunikation und soziale Grenzen, Münster 2005.
Mariella Gabriel