
Die Langsamkeit des Sehens – Panorama um 1800
Das große Panorama um 1800, stillt das Bedürfnis nach
Weitung und Intensivierung des Blickes. Das 360° Bild, ohne
Rahmen- und Formatbegrenzung, wie man es von der klassischen
Kunst kennt, unterstützt ein illusionistisches Bilderlebnis.
Der Panoramabetrachter steht dem Bild nicht gegenüber, sondern
ist von allen Seiten von ihm umschlossen. „Angesichts heutiger
Blickschnelligkeit und Bildzerlegung muss man sich die
Besonderheit des damaligen panoramischen Blickes vor
Augen führen: Losgelöst von sichtbaren Bildrändern oder
Einrichtungsgegenständen stand der Betrachter auf der Plattform
quasi mitten im Bild, sein Blick konnte in selbstgewählter
Richtung und Zeit schweifen – eine bei den großen und
sorgfältig inszenierten Rundbildern eindrucksvolle
Gesamtbilderfahrung. Daß es dennoch sehr unterschiedliche
Reaktionen des Publikums gab, belegen Zeitdokumente. Der hohe
Grad der Illusion bei gleichzeitiger Starrheit und Stille des
Rundbildes führte neben der Bewunderung zu Gefühlen des
Unwohlseins. Die Künstlichkeit der Inszenierung wurde vor allem
an der fehlenden Bewegtheit des Bildes festgemacht:“ (Thiele,
2002: 357) „[…] der ganzen Szene fehlt auch selbst die stete
Naturbewegung, die unaufhörliche Veränderung des Ortes, der
Stellung, der Gestalt, die auch in die ödeste Gegend noch
Bewegung bringt.“ (Eberhard, 1807: 174)
Das Bedürfnis des Publikums, Abbilder der Wirklichkeit nicht
nur in künstlicher Starre zu erleben, wurde im beginnenden 19.
Jahrhundert in
mehrfacher Weise befriedigt.
Literaturvorschläge:
- Eberhard, J. A. (1807): Handbuch der Ästhetik, Halle
- Segeberg, Harro (Hrsg.), (1996): Die Mobilisierung des Sehens. Zur Vor- und Frühgeschichte des Films in Literatur und Kunst, Mediengeschichte des Films Band 1, München
Mariella Gabriel