Interkulturalität
Definition         
          Aktuell sind etwa 1.500 Studierende als sogenannte         Bildungsausländer*innen aus über 100 Herkunftsländern an         der Universität Siegen eingeschrieben. Menschen         unterschiedlicher kultureller Prägung bringen neue         Perspektiven in unseren Alltag und bereichern damit das         Leben in den Seminarräumen, auf dem Campus und in der         Stadt. Wir erleben den Austausch und das Zusammenleben und         -arbeiten mit Menschen anderer Kulturen als „bunt“ und ihre         Erkenntnisse über globale Zusammenhänge als Gewinn. Dabei         ist „Internationalität" an der Universität Siegen kein         Selbstzweck, sondern wesentliche Bedingung für         Forschungsexzellenz.         
         
         Jedoch stellt uns der Alltag mit Menschen, die aus dem         Ausland zum Studium nach Siegen kommen, bisweilen auch vor         Herausforderungen.         
         
         Neben der sprachlichen Kommunikation, die nicht immer ganz         reibungslos verläuft, machen sich kulturelle und soziale         Unterschiede bemerkbar – oftmals driften auch die         Universitäts- und Forschungskulturen weit auseinander. Die         Erfahrung zeigt, dass jeder dieser ausländischen         Studierenden als Einzelfall / individuell zu betrachten         ist, da ihre Hintergründe hochgradig divers sind.         
         
         Jeder bringt beispielsweise einen unterschiedlichen         Schulabschluss mit, hat eigene Finanzierungsmöglichkeiten         für das Studium und einen Aufenthaltstitel, der an         bestimmte Bedingungen geknüpft ist. Diese individuellen         Faktoren muss man bei allen wesentlichen         Beratungsgesprächen, z.B. bei einem Studiengangswechsel,         beachten und sollte hier lieber früher als später die         zuständigen Stellen (je nach Fragestellung Referat         Studierendenservice, Abtl. Starting oder International         Office) miteinbeziehen. Fehlinformationen können für die         Studierenden gravierende Schwierigkeiten mit sich         bringen.
Beispiele         
          1. Die Sprache
An der Universität Siegen werden Studiengänge in der         Regel auf Deutsch angeboten, für die Studienbewerber*innen         aus dem Ausland ausreichende Deutschkenntnisse nachweisen         müssen.         
         
         Nichtsdestotrotz stellt auch nach bestandener Sprachprüfung         die Unterrichtssprache in den Seminaren und Vorlesungen         eine große Schwierigkeit für die ausländischen Studierenden         dar. Hier sollte Nachsicht an den Tag gelegt werden;         eventuell ist es sinnvoll, deutsche Studierende um Hilfe zu         bitten.         
         
         Für ihr Ankommen in Deutschland und an der Universität         Siegen ist es dennoch sehr wichtig, dass auch in der         Alltagskommunikation Deutsch gesprochen wird. Dabei ist je         nach Gesprächspartner*in darauf zu achten, langsam,         deutlich und mit vereinfachtem Vokabular (oder Synonymen)         zu sprechen. Oftmals sagen ausländische Studierende nicht         von sich aus, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Es         hilft, freundlich nachzufragen, ob der Sachverhalt         verstanden wurde. Erst wenn die Gesprächspartner*innen         darum bitten, das Gespräch auf Englisch führen zu dürfen,         sollte man ihnen entgegenkommen. Hier ist es wichtig, auch         darauf zu achten, wie lange jemand schon in Deutschland         ist. Gerade am Anfang ist der Alltag sehr anstrengend für         Studierende, die neu nach Siegen kommen.         
         
         Die Universität Siegen bietet immer mehr Studiengänge in         englischer Sprache an. Dies ist auf der einen Seite         einfacher für die Studierenden, denn das wesentliche Ziel,         der Studienabschluss, ist so leichter zu erreichen. Auf der         anderen Seite macht es den Alltag für die Studierenden viel         schwieriger, da sie aus eigener Motivation heraus Deutsch         lernen müssten. Ihre Kommunikationsmöglichkeiten bleiben         sehr eingeschränkt. Auch hier sollte man geduldig, langsam         und deutlich mit den ausländischen Studierenden sprechen         und nachfragen, ob alle wesentlichen Punkte verstanden         wurden. Sinnvoll ist, sie zu ermuntern, einen         Deutschsprachkurs im Sprachenzentrum zu besuchen. Nach wie         vor ist die deutsche Sprache der wesentliche Faktor für         Integration und, auch wenn die Rückkehr ins Heimatland nach         Studienabschluss geplant ist, kann die Zeit bis dahin sehr         lang werden, wenn selbst einfache Gespräche im Alltag nicht         möglich sind.
2. Andere kulturelle Erfahrungen
Alle internationalen Studierenden bringen         unterschiedliche Erfahrungen aus ihren Herkunftsländern mit         nach Siegen. Was einfach klingt, bedeutet für uns jedoch         häufig einen erhöhten Beratungsaufwand. Dies betrifft z.B.         die Organisation ihres Alltags. In den meisten Ländern wird         mit dem Studienplatz ein Zimmer im Wohnheim zur Verfügung         gestellt. Daher kommen viele in Siegen an, ohne sich vorher         um ein Zimmer im Studierendenwohnheim zu kümmern. Auch der         Umgang mit Behörden ist unterschiedlich, dies betrifft den         Besuch beim Prüfungsamt ebenso wie den bei der         Ausländerbehörde. Falls das Verhalten der ausländischen         Studierenden Sie verwundert, sprechen Sie sie am besten         direkt darauf an, da ein Fehlverhalten manchmal nur von der         einen Seite aus erkennbar ist. An der Universität leben sie         noch in einem einigermaßen geschützten Raum, viele erkennen         in erklärenden Gesprächen ein Hilfsangebot, das sie dabei         unterstützt, sich in Deutschland einzuleben.         
         
         Hilfreich für die ausländischen Studierenden ist es         beispielsweise, wenn übliche Verhaltens- und Arbeitsweisen         erklärt werden. Viele haben z.B. Schwierigkeiten bei der         Anrede und Formulierung von E-Mails. Wenn man die         Muttersprache der Studierenden kennt, kann man oft sogar         erkennen, dass die Formulierung höflich und gut gemeint         war, häufig ist man jedoch irritiert oder ärgert sich sogar         über die persönliche Anrede oder eine dreist formulierte         Forderung. Hier ist es wichtig, nachsichtig zu sein, aber         die Studierenden auf ihre Fehler aufmerksam zu machen.         Gerade falsch verstandene Toleranz oder Zeitmangel wären         eine verpasste Chance, wenn der Studierende nach dem         Studienabschluss an eine Firma schreibt, um seine Bewerbung         einzureichen, und hier immer noch die gleichen Fehler wie         an der Universität macht. Dies gilt im Übrigen auch für das         pünktliche Erscheinen im Unterricht und die zuverlässige         Abgabe von Seminararbeiten zum festgesetzten Termin –         natürlich gelten in vielen Ländern bei den Themen         Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit andere Standards als in         Deutschland, aber es ist eine Voraussetzung für unser         Zusammenleben, dass den Studierenden zumindest bekannt ist,         dass Verletzungen dieser Regeln in Deutschland z.T.         gravierende Folgen nach sich ziehen können. Wichtig ist         dabei, dass dazu ein erklärendes Gespräch geführt wird und         Entscheidungen nicht willkürlich erscheinen.         
         
         Für fast alle Herkunftsländer gilt: Schule und Universität         funktionieren anders. Sie sind meist hierarchischer,         Diskussionen sind nicht erwünscht und werden nicht geübt,         man lernt auswendig statt einen Sachverhalt herzuleiten und         Wissen anzuwenden. Geben Sie den Studierenden Zeit, sich an         unser Studiensystem, an die Einheit von Forschung und Lehre         und die Selbstständigkeit, die es erfordert, zu gewöhnen.         Kritische Diskussionsbeiträge müssen geübt werden, gerade         in einer Fremdsprache. Dabei sind         
         die neuen Perspektiven und die Informationen, die sie aus         ihren Heimatländern mitbringen, eine enorme Bereicherung -         wenn sie sich trauen, bei Ihnen frei zu sprechen. Daher die         Bitte: Beobachten Sie die ausländischen Studierenden und         ermuntern Sie sie, aktiv im Seminar teilzunehmen oder nach         der Vorlesung eine Frage zu stellen.         
3. Der Aufenthaltstitel
Studierende, die nicht aus der EU kommen, erhalten einen         Aufenthaltstitel zu Studienzwecken in Deutschland. Die         Ausländerbehörde hat das Recht, den Studienerfolg zu         prüfen. Vorausgesetzt wird in der Regel der Erwerb von         mindestens 20 ECTS pro Semester. Gerade zu Beginn des         Studiums ist dies für viele Studierende aus dem Ausland         schwierig, weil sie sich erst im Studium orientieren         müssen. Falls Studierende besorgt zu Ihnen kommen, nehmen         Sie ihre Ängste bitte ernst. Der Entzug des         Aufenthaltstitels würde zu einer Ausweisung aus Deutschland         führen, was verständlicherweise zu existenziellen Sorgen         führt. Bitte verweisen Sie die Studierenden in kritischen         Fällen an das International Office. Hilfreich ist es zudem,         wenn erbrachte Leistungen möglichst zügig verbucht werden,         damit die Studierenden nicht bei der Ausländerbehörde in         Erklärungsnöte kommen.         
         
         Grundsätzlich möchten wir Sie bitten, die ausländischen         Studierenden aufmerksam zu beobachten und sie aktiv         anzusprechen, wenn Sie beobachten, dass sie sich         zurückziehen, immer stiller werden und nicht mehr         regelmäßig zum Unterricht erscheinen. Viele leben allein in         Deutschland, haben finanzielle Sorgen und fühlen sich auch         in anderen kritischen Situationen sehr allein. Wenn Sie von         Problemen erfahren, verweisen Sie bitte an die         weiterführenden Beratungsstellen.
Handlungsempfehlungen
- Versuchen Sie, möglichst auf Deutsch mit den Studierenden zu kommunizieren (es sei denn, sie sind explizit in einem der englischsprachigen Studiengänge eingeschrieben).
- Seien Sie nachsichtig und geduldig bei sprachlichen Schwierigkeiten. Fragen Sie nach, ob Sie alles richtig verstanden haben.
- Sprechen Sie Verhaltensweisen an, die Sie verwundern oder die Sie nicht einordnen können.
- Versuchen Sie, Ihre Verhaltens- und Arbeitsweisen zu erklären, z.B. falls ein einer E-Mail die falsche Anrede verwendet wurde. Oft ist den ausländischen Studierenden der übliche Gebrauch nicht bewusst.
- Erklären Sie Ihre Entscheidungen, damit sie nicht willkürlich erscheinen (z.B. Ausschluss der Teilnahme am Seminar bei Unpünktlichkeit).
- Geben Sie den Studierenden Zeit, sich an unser Studiensystem, an die Einheit von Forschung und Lehre und die Selbständigkeit, die es erfordert, zu gewöhnen.
- Beobachten Sie die ausländischen Studierenden in Ihren Lehrveranstaltungen und ermuntern Sie sie aktiv, Fragen zu stellen oder sich an Diskussionen zu beteiligen.
- Benoten und verbuchen Sie Studienleistungen so schnell wie möglich.
- Wenn Sie feststellen, dass sich Studierende zurückziehen und ein Problem zu haben scheinen, sprechen Sie sie direkt an und versuchen Sie zu klären, wo sie Hilfe und Unterstützung finden können.
- Wenn Sie von Problemen erfahren, verweisen Sie bitte an die entsprechenden Beratungsstellen.

