Francis Mwangi Mugo

Francis Mwangi Mugo ist gebürtiger Kenianer, heute lebt und arbeitet er dort als Geschäftsführer von „Quantitative Revisions“. Francis Mugo studierte an der Universität Siegen Wirtschaftswissenschaften und hat insgesamt fünfzehn Jahre in Deutschland gelebt. Während dieser Zeit hatte er die Möglichkeit die deutsche Kultur mit allen Besonderheiten kennen zu lernen, vielmehr noch in ihr einzutauchen und sich fast als deutscher zu fühlen. Mit der Hilfe anderer Menschen, die er in Siegen traf und zu denen er auch heute noch Kontakt hat, schaffte Francis Mugo es trotz der zum Teil großen Unterschiede von seiner Kultur im Vergleich zu der deutschen, sich so gut zu integrieren, dass er viele Eigenschaften und Verhaltensweisen der deutschen Kultur für sich übernommen und verinnerlicht hat. Vor allem in seinem beruflichen Alltag bemerkt er tagtäglich die Vorteile seines langen Aufenthaltes in Deutschland, dazu zählen zum einen Pünktlichkeit und Genauigkeit. Auch der Erwerb der deutschen Sprache hilft ihm bei seiner Tätigkeit. Allerdings, so sagt Francis Mugo, sollten viele Deutsche etwas “lockerer“ und fröhlicher werden. Die Erfahrungen haben ihn als Mensch verändert und weitergebracht, sein kultureller und geistiger Horizont hat sich dadurch erheblich erweitert. Francis Mugo kommt auch heute noch gerne nach Siegen zurück, um Freunde zu besuchen oder an Veranstaltungen mit dem Thema „Interkulturelle Kommunikation“ der Universität Siegen teil zu nehmen, um von seinen Erfahrungen zu berichten.
Ihr Weg vom Ausland nach Siegen
Sie haben an der Universität Siegen BWL HSII und B.A. Economics studiert und abgeschlossen. Wie sind Sie von Afrika nach Deutschland gekommen?
Urspruenglich wollte ich in den USA studieren. Aber wegen der hohen Studiengebühren suchte ich nach günstigeren Möglichkeiten. Freunde von mir, die schon an der Siegener Universität ein Auslandsstudium absolviert hatten, berichteten mir von ihren Erfahrungen. Daraufhin besorgte ich mir die Universitätsbewerbungsunterlagen, bewarb mich und wurde an der Universität Siegen aufgenommen.
Sie haben insgesamt fünfzehn Jahre in Deutschland gelebt. Eine ziemlich lange Zeit. Was haben Sie in dieser Zeit am meisten vermisst? – Gibt es etwas deutsches, was Sie übernommen und in Ihren Alltag in Ihrem Heimatland integriert haben?
Fünfzehn Jahre ist sicherlich eine lange Zeit; aber
wenn man ständig beschäftigt ist, scheint das Jahr
halbiert zu sein. Während meines ersten Jahres in
Siegen habe ich meine Familie sehr vermisst. Da in
Kenia Familienbindungen sehr eng sind, war für mich das
Gefühl der Einsamkeit sehr ausgeprägt. Dazu kamen noch
die Freunde, die ich in der Heimat zurückgelassen hatte
und viele kleine Dinge.
Im Laufe der Zeit nimmt man vieles von Freunden, der
Gesellschaft sowie von der Umgebung auf und
verinnerlicht diese Verhaltensstrukturen in dem
Unterbewusstsein. Die habitualisierten Muster
beeinflussen unbewusst unsere Sichtweisen,
Wahrnehmungen und Entscheidungen. Selbstorganisation,
Flexibilität sowie Anpassung an unterschiedliche
Situationen. Im Laufe der Zeit habe ich wie ein
Deutscher verhalten, gefühlt und sogar gedacht.
Welche kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Kenia sind Ihnen aufgefallen? Welche Unterschiede sind Ihnen bei den Verhaltensweisen der Menschen aufgefallen?
In Deutschland wird sehr stark auf Normen und Regeln
geachtet. Im sozialen Bereich gibt es viele Dinge, die
man einfach „nicht tut“ und wiederum andere, die man
„tun sollte“. Dieses Verhalten gibt Hinweise darauf,
aus welchem sozialen Umfeld eine Person kommt. Es ist
daher einfach zu erkennen, ob die Person bestimmte
familiäre und somit auch gesellschaftliche Werte
während der Erziehung mitgegeben wurden oder nicht.
Vermutlich ist es für die Kinder schwierig, einen
Mittelweg zwischen der Freiheit und den
gesellschaftlichen Normen und Werten zu finden.
Im Gegensatz dazu ist das Verhalten der Kenianer
meistens lockerer und situationsbedingt, wobei
menschliche Gefühle auch eine wichtige Rolle spielen.
Im Laufe der Erziehung werden viele Entscheidungen von
den Eltern getroffen; die Freiheit der Kinder ist im
Vergleich zu Deutschland etwas beschränkter. Es ist vor
allem wichtig als Kind und Jugendlicher den Erwachsenen
großen Respekt uns Achtung entgegen zu bringen.
Heute Arbeiten und Leben Sie in Ihrem Heimatland als selbstständiger Geschäftsführer bei Quantitative Revisions. Skizzieren Sie uns kurz Ihr berufliches Aufgabenfeld. Was zeichnet Sie als Selbstständiger mit der Erfahrung lange Zeit in Deutschland gelebt zu haben aus? (Pünktlichkeit etc.)
Die Idee von „Quantitative Revisions“ wurde während
einer Financial-Engineering-Veranstaltung von Prof.
Arnd Wiedemann, (Professor von Finanz- und
Bankmanagement an der Universität Siegen) geboren. Nach
einigen Recherchen wurde mir klar, dass man kaum
zuverlässige und aktuelle Informationen der an die
Nairobi Stock Exchange notierten Unternehmen finden
konnte. An dieser Börse sind derzeit aktuell (Januar
2008) genau 54 Unternehmen aufgelistet.
Neben den üblichen Managementsaufgaben von
„Quantitative Revisions“ schreibe ich kurze
Unternehmensanalysen, die jedem, der einen
Internetanschluss hat, zugänglich sind. Diese Portale
sind für die Anleger von großer Bedeutung, da sie
bestimmte Hinweise auf die zukünftigen Performances als
auch über die Aktienpreisentwicklungen dieser
Unternehmen Auskünfte geben können. Langfristig
beabsichtigt das Unternehmen, sich auch mit der
Aufstellung ausführlicher Unternehmensprofile
auseinander zu setzen.
In Deutschland habe ich gelernt immer wieder von dem
täglichen 24-Stunden-Zeitbudget auszugehen. Die
Orientierung an die Zeit sowie eine ordnungsgemäße
Vorgehensweise vieler Aufgaben führt in Kenia
zwangsläufig dazu, dass die Hälfte der Arbeit schon bei
Arbeitsbeginn erledigt ist. Diese Vorteile habe ich
meinem Aufenthalt in Deutschland zu verdanken.
Ihre aktuelle berufliche Tätigkeit im Ausland
Warum haben Sie sich dazu entschieden selbstständig zu sein? Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich konfrontiert? - und wie wollen Sie diese meistern?
Im Leben begegnet man immer wieder neuen
Herausforderungen. Mit der Bewältigung einer
Herausforderung steht die nächste schon wieder vor der
Tür und klopft an. Manchmal muss man abwägen, für
welchen Preis man sie annehmen oder ablehnen möchte.
Nach einer nüchternen Situationsanalyse erkannte ich
die Lücke des Finanzinformationssektors unseres Landes.
Ich glaube daran, dass ich diese Lücke schließen kann
und bin auf dem Weg ein sicheres Gerüst zu bauen.
Das größte Problem ist die langsame Resonanz der
Unternehmen. Das basiert auf der Tatsache, dass viele
Unternehmen hohe Gebühren für die werbeorientierten
Firmen zahlen müssen.
Unser Ziel ist es, ein Produkt auf den Markt zu
bringen, das sich in vielen Punkten von anderen
unterscheiden soll. In erster Linie richten sich unsere
Bemühungen auf die Zufriendenheit des Kunden. Der Rest
wird von diesem zentralen Punkt im Laufe der Zeit
abgeleitet.
Werden Sie als Selbstständiger von einer Institution unterstützt? – Was würden Sie sich zusätzlich wünschen?
Nein, ich werde nicht unterstützt. Da das Unternehmen sich im Bereich der freien Marktwirtschaft engagiert, sind wir dem freien Markt mit seinen harten Spielregeln ausgesetzt. Dementsprechend sind wir unsere eigenen Kosten- und Risikoträger. Ich würde mir wünschen, dass sich unsere Klienten mit unterschiedlichen Problemstellungen an uns wenden, damit wir uns anhand dessen verbessern und weiterentwickeln können. Ich wünsche mir auch noch, dass die Fibre-Optics-Verklabblung Kenias, vorgesehen fuer 2008/2009, ohne weiteres durchgezogen wird. Dadurch würden wir mehrere kenianische sowie ausländische Anleger ohne zusätzliche Werbekosten erreichen können.
In welchem wirtschaftlichen Bereich sehen Sie das meiste Potenzial Ihres Landes Kenia?
Ende 2007 wurde das Wirtschaftswachstum Kenias für
das Jahr auf 7% geschätzt. Vor dem politischen
Machtwechsel im Dezember 2002, sprach man sogar von
einem nationalen Kapitalkonsum, da das Wachstum bei
minus 2% lag. Unter gleichbleibenden Nebenbedingungen
und der Annahme, dass das Wachstum auf einen
konservativen jährlichen Schnitt von 1.8% weiterhin
steigt, ist ein zweistelliges Wirtschaftswachstum gegen
Ende 2009 ganz realistisch.
Das Wirtschaftswachstum und eine angemessene
Verteilungspolitik führen dazu, dass den Haushalten
mehreren Konsumgütern sowie bessere Dienstleistungen zu
Verfügung stehen. Mit steigendem Einkommen werden sich
immer wieder mehr Haushalte Güter wie z.B.
Waschmaschinen, Computer und Autos leisten können.
Deren Einsatz führt allerdings dazu, dass der Pro Kopf
Energiebedarf sowie –verbrauch mehr als proportional
ansteigt. Weiterhin wächst auch die Nachfrage nach
Dienstleistungen, die direkt mit steigendem Pro-Kopf
Einkommen verbunden sind.
Im Allgemeinen ist das Potenzial Kenias in folgenden
Bereichen kaum ausgeschöpft; der Energiesektor,
Wohnungsbau und Immobilien besonders in den
Großstädten, Informationstechnologie,
Versicherungsgesellschaften, Urlaubs- und
Kurortsverbesserungen.
Wie beurteilen Sie die wirtschaftlichen und kulturellen Chancen des afrikanischen Kontinents unter dem Blickwinkel der zunehmenden Globalisierung?
Angesichts der rasanten Entwicklung im
Kommunikationsbereich wird es immer wieder schwierig,
eine scharfe Trennlinie zwischen „unterschiedlichen“
globalen Kulturen zu machen. Das Reisen in ferne
Länder, sei es aus Geschäfts-, wissenschaftlichen -
oder Urlaubsgründen ist billiger als je zuvor geworden.
Durch die Bemühungen, das Leben zu verbessern treffen
sich Menschen aus „unterschiedlichen“ Kulturen zusammen
und erkennen, wie ähnlich ihre Wertvorstellungen und
Normen tatsächlich sind. Je mehr sich der Mensch mit
anderen Mitmenschen engagiert, desto schneller
verschmelzen die Grenzen der Kulturen. Oftmals habe ich
mich gefragt, ob es eigentlich eine „Afrikanische
Kultur“ gibt. Ja, auf „multikulturellen“
Veranstaltungen wird getrommelt, obwohl das Trommeln
selbst in Afrika schon längst nicht mehr häufig
praktiziert wird. Diese inkorrekte Darstellung der
tatsächlichen Situationen kann zu Irrtümern und
möglicherweise auch zu Enttäuschungen führt.
Zusammengefasst sieht es so aus: In Afrika geht die
kulturelle Wandlung zu einer einheitlichen Kultur des
Wohlstandes, des Wissens und der Selbstbehauptung über.
Afrika besitzt einen großen Reichtum an Rohstoffen und
Bodenschätzen. Der Bedarf dieser Ressourcen wächst in
den westlichen, als auch in den asiatischen Ländern
enorm. Der afrikanische Kontinent sollte erkannt haben,
dass er heute besser da steht als je zu vor und sollte
sich auch dementsprechend Selbstbewusst gegenüber der
restlichen Welt behaupten. Im Vordergrund der
Handlungen, sollten die Interessen der eigenen Länder
stehen. Der Preis der kostbaren Ressourcen sollte von
dem freien Markt, und nicht vom Käufer selbst
determiniert oder bestimmt werden. Nüchterne und
strategische Handlungen können dem Kontinent eine
bessere Position verleihen, ansonsten ist die
Wiederholung der traurigen afrikanischen Geschichte
leider Vorprogrammiert.
Die Geschlechterfrage: Wie beurteilen Sie als Mann die Stellung von Mann und Frau in Deutschland und Kenia im Vergleich?
In Deutschland herrscht die Gleichstellung von Mann
und Frau derart, dass manche Gegebenheiten in diesem
Bereich sogar gesetzlich geregelt sind. Wegen des
höheren Bildungsniveaus in Deutschland ist den
Deutschen die Gesetzgebung und die Implikationen ihrer
eigenen Handlungen klar. Anscheinend versuchen die
Menschen einen Mittlepunkt zwischen der Familie, dem
beruflichen Leben und der eigenen Freiheit zu finden.
Diese Gleichstellung ist eine wichtige Voraussetzung
für die eigene Selbstverwirklichung.
In Kenia gibt es bei der Gleichstellung von Mann und
Frau bezogen auf das Leben in der Stadt und das Leben
auf dem Land gravierende Unterschiede. In den Städten
haben Frau und Mann fast gleichwertige Positionen,
jedoch wird dies nicht gesetzlich festgehalten. Es ist
aber mittlerweile durchaus vergleichbar mit anderen
Ländern in denen die Frau relativ gleichberechtigt
behandelt wird. Im krassen Gegensatz dazu erscheint
einem das Leben einer Frau auf dem Land. Hier hat die
Frau kaum Rechte. Wegen der im Durchschnitt schlechten
Bildung übernimmt der Mann die führende Stellung
innerhalb der Familie. Alle Entscheidungen werden von
dem Mann getroffen und die Frau hat diese ohne weiteres
zu befolgen. Obwohl das Gesetz Mann und Frau
gleichberechtigt und die Frau eher schützt, sind die
Rechte der ländlichen Frau meistens unbekannt oder
werden ignoriert. Frauen werden hier oft misshandelt
ohne dass sie etwas dagegen tun. Oft ist auch so, dass
sie gar nicht wissen, dass sie das Recht dazu hätten
sich den Misshandlungen zu widersetzen. Ihre Beiträge
zum Familienwohlstand, selbts wenn sie häufig fast
ausschließlich von der Frau erwirtschaftet werden,
werden vom Mann meistens ignoriert oder abgewertet.
Durch das Engagement der
Nicht-Regierungs-Organisationen während der letzten
Jahre ändert sich das Bild langsam. Man bleibt
zuversichtlich, dass die Frau auf dem Land sich langsam
befreien wird. /p>
Haben Sie sich durch den Aufenthalt in Deutschland verändert? (Verhalten, Sichtweisen)
Ja, sicher. Was ich selbst merke ist die Tatsache, dass ich offener geworden bin und dass ich keine Bedenken habe meine wahre Meinung zu äußern. Dadurch dass ich langjährige Erfahrungen in Deutschland und in Kenia gemacht habe, verstehe ich die Sichtweisen der beiden Gesellschaften jetzt besser. Weiterhin haben diese Erfahrungen mich gelehrt, mich an die unterschiedlichsten Situationen ohne große Schwierigkeiten anzupassen.
Haben Sie noch Kontakte nach Deutschland?
Ja, ich habe noch viele Kontakte nach Deutschand. überwiegend sind es die Kontakte die während der Studienzeit entstanden sind. Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele tolle, interessante Menschen einem begegnen können wenn man offen dafür ist.