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Lamya Kaddor – eine Autorin, die Kontroversen auslöst

Die Islamwissenschaftlerin, islamische Religionspädagogin und Autorin war zu Gast bei Forum Siegen zum Thema „Salafismus – Warum deutsche Jugendliche in den Jihad ziehen".

Lamya Kaddor ist eine streitbare Zeitgenossin. Die 39-jährige Tochter syrischer Einwanderer ist islamische Religionspädagogin, Islamwissenschaftlerin, Autorin und häufiger Gast in Talkshows und Diskussionsrunden. Am 7. Dezember war sie zu Gast bei Forum Siegen. Sie sprach zum Thema „Salafismus – Warum deutsche Jugendliche in den Jihad ziehen“.

Seit einem Jahr unterrichtet Lamya Kaddor nicht mehr. Sie begründet dies mit „Morddrohungen“ gegen ihre Person. Fünf ehemalige Schüler zogen in den Jihad -, das bewegt und beschäftigt Lamya Kaddor bis heute. Salafismus, so legte sie dar, stamme ab vom arabischen Wort „salafiya“ und bedeute übersetzt die Altvorderen, die Vorfahren. Beim Salafismus handele es sich um eine Strömung im Islamismus. Kaddor: „Das sind keine gemäßigten Muslime, sondern Fundamentalisten.“ Diese wollten in einem Gottesstaat leben mit einer Gesellschaftsordnung, die auf den Quellen des Islam fuße (Koran und Sunna). Das Religionsverständnis der „rechtschaffenen Altvorderen“ beschränke sich dabei auf die ersten drei Generationen von Gläubigen, die nach muslimischer Auffassung die Grundlagen des Islam überlieferten. Kaddor: „Sie ignorieren 1000 Jahre islamischer Geschichte“.

Die wenigsten Muslime, so Kaddor, seien Islamisten, bei denen noch unter gewaltbereiten und nicht gewaltbereiten zu unterscheiden sei. Die Befolgung von Koran und Sunna könne jeder Moslem annehmen, das Verständnis gemäß den frühen Vorfahren nicht. In Deutschland gebe es etwa 10.000 Salalfisten. Rund 780 Jihadisten seien von Deutschland aus in den Krieg gezogen, 280 zurückgekehrt. Davon stünden 30 vor Gericht. Kaddor unterschied drei Erscheinungsformen des Salafismus: a) Puristischer Salafismus (Ultraorthodoxe), b) Politischer Salafismus (Propagandatätigkeit) und c) Jihadistischer Salafismus (Errichtung eines Gottesstaates durch Gewaltanwendung). Den politischen Salafismus erachtet die Referentin als besonders gefährlich. Die „kleinere“ Bedeutung von Jihad stehe für Abwehrkampf, die „größere“ für die Überwindung des eigenen Egos/des inneren Schweinehunds, erläuterte sie. Diese unterschiedlichen Bedeutungen verschwiegen die Salafisten allerdings. Genauso wie die Mehrdeutigkeit von Inhalten des Korans. Nur Allah wisse um die genaue Bedeutung. Eine liberale Auslegung der Scharia erachtete Kaddor als grundgesetzkompatibel.

Warum nun ziehen deutsche Jugendliche in den Jihad? Die Antwort bestehe aus einem Konglomerat von Aspekten: Die Botschaften der Salafisten seien klar und einfach. Vielen jungen Leuten fehle eine Orientierung im Leben. Die Salafisten rührten an das Gemeinschaftsgefühl, gäben vermeintlich Lebenssinn. Diskriminierungserfahrung sei keine Ursache für Radikalisierung, könne aber zum Push-Faktor werden. Kaddor: „Wir müssen nicht nur den Islamismus bekämpfen, sondern auch die Islamfeindlichkeit.“.

Gefährdet seien zumeist Personen mit persönlichen Dispositionen, mangelnden Beziehungen zu Primärangehörigen und fehlender Aufmerksamkeit. Kaddor: „Bei Vielen fehlt der Vater.“ Salafisten wüssten um Identitätssuche und Diskriminierung. Sie postulierten die Bedeutung, für eine Sache einzustehen, brächten Wut über soziale Missstände zum Ausdruck sowie über Eingriffe ausländischer Staaten in die Politik der islamischen Welt. Auch materielle Versprechungen wie Sold seien von Bedeutung. Kaddor: „Die wenigsten jungen Leute glauben ernsthaft, mit dem Jihad einen religiösen Gottesdienst zu vollbringen.“ Zunehmend werde Salafismus auch als eine Jugendprotestbewegung gedeutet.

Zur Person: 2010 gehörte Lamya Kaddor zu den Mitbegründern des Liberal-islamischen Bundes, dessen Vorsitz sie mehrfach innehatte. Dieser setzt sich für ein pluralistisches Gesellschaftsbild und eine dogmenfrei Auslegung religiöser Schriften ein. Für Lamya Kaddor ist islamischer Religionsunterricht wichtig als Baustein einer gesunden muslimischen Identität. Mangelndes Islamwissen macht sie für die Erstarkung radikaler islamischer Bewegungen wie beispielsweise des Salafismus mitverantwortlich. Um dem entgegenzuwirken, bringt sie sich vielfach in Sachen islamischer Religionsunterricht ein (z.B. als Lehrerin des NRW-Schulversuchs „Islamkunde in deutscher Sprache“ oder als Leiterin der Arbeitsgemeinschaft für die Lehrer für Islamkunde für die Bezirksregierung Düsseldorf) . Zudem hat sie Bücher verfasst wie der „Koran für Kinder und Erwachsene“ und „Islam für Kinder und Erwachsene“ (gemeinsam mit Rabeya Müller). Letzteres wurde von der „Stiftung Buchkunst“ 2013 als schönstes Buch in der Rubrik Kinder- und Jugendbücher ausgezeichnet. Bedingt durch die Arbeit an der Schule entstand die Idee zum ersten deutschsprachigen Schulbuch für einen islamischen Religionsunterricht „Saphir“ (mit Rabeya Müller und Harry Harun Behr). „Saphir“ erhielt 2009 den Ehrenpreis „Best European Schoolbook Award“ im Rahmen der Frankfurter Buchmesse. Aufsehen erregte 2015 ihr Buch „Zum Töten bereit – Warum deutsche Jugendliche in den Dschihad ziehen“. Von der Friedrich-Ebert-Stiftung wurde dieses Buch im vergangenen Jahr als politisches Buch des Jahres ausgezeichnet.

Lamya Kaddors Ansichten polarisieren. Für ihr Medienstatement, sie halte das Tragen des Kopftuchs in Deutschland für überflüssig, erntete sie harsche Kritik der konservativen Islamverbände. Für ihr Credo, Deutschland brauche ein neues „Wir“, dass mehr Wertschätzung für Zuwanderer vonnöten und es kein Widerspruch sei, Deutsche und Muslima zu sein, schlugen ihr Hasskommentare von rechts entgegen. Lamya Kaddor wurde 2011 von der Bundesregierung mit der Integrationsmedaille ausgezeichnet, 2016 erhielt sie den Duisburger Integrationspreis.