syntik
Der gebürtige Siegerländer Mert Erdoğan ist der Gründer des Start-Ups „syntik gmbH“. In seinen KI-Workshops lehrt er nicht nur die KI-Grundlagen, sondern vermittelt mittelständischen Unternehmen auch, wie sie durch die gerechte Nutzung von Artifical Intelligence profitieren können.
Was ist syntik?
Mit syntik biete ich eine klassische IT-Dienstleistung an.
Es geht unter anderem darum, KI durch Workshops den Kunden
näherzubringen. Wir schauen was für Möglichkeiten wir haben,
welchen Mehrwert es für den kaufmännischen Bereich bietet und
wie wir damit den Mittelstand verändern können. Ich nehme
bestehende Tools oder entwickele auch individuelle Lösungen, je
nachdem, wie groß das Problem ist.
Bei KI geht es letztlich darum, Daten zu analysieren, Muster zu
erkennen und auf Basis dessen Entscheidungen abzuleiten. Sei es
automatisierte Angebotserstellungen oder ein Unternehmen, das
viel an Ausschreibungen teilnehmen oder etwas mit der internen
Checkliste abgleichen möchten. Man versucht alle repetitiven
Prozesse, also Prozesse, die sich immer wiederholen und wo kein
Kreativitätsbedarf ist zu automatisieren. Das ist der Ansatz in
der KI und bei syntik.
Kannst du ein Beispiel nennen, wie du Unternehmen durch automatisierte Prozesse zu mehr Effizienz verhilfst?
Wenn wir zum Beispiel ein Chatbot für einen Service haben, in dem man bestimmte Anfragen, die reinkommen allein beantwortet. Man spricht manchmal mit einem Assistenten und irgendwann, wenn die Grenze erreicht wird, kommt dann die Person dahinter, der den Fall komplett abwickelt. Wir können nicht alles immer zu 100% automatisieren und digitalisieren, sondern gegebenenfalls nur bis zu einem gewissen Grad. Und diese ganzen Use Cases, sei es ein Chatbot im Service, automatische Angebotserstellung, der Ausschreibungsabgleich, wenn man an Ausschreibungen teilnimmt als Unternehmen. Dass man diesen Prozess, der drei Stunden dauert, automatisiert, so dass man dann nur noch 15 Minuten für diesen Prozess benötigt. Das ist der Ansatz: Zeitsparen, damit man die Kapazitäten, die frei werden, für andere Bereiche nutzen kann.
Was ist das Besondere an deinem Start-up?
Das Besondere, also der Unique Selling Point von syntik ist,
dass wir einen Fokus auf den Mittelstand setzen und auch die
Erfahrung von großen Unternehmen mitbringen.
Wir haben die Erfahrung und verstehen, wie die Prozesse bei
großen Unternehmen funktionieren. Dadurch dass wir die Ansätze
kennen und dieses Know-how besitzen, können wir es im
Mittelstand übertragen und dann entsprechend auch einschätzen,
wie groß der Mehrwert wirklich ist.
Machen wir Lösungen, die viel zu teuer und überschätzt sind,
bringt es am Ende kaum etwas oder haben wir Lösungen, die
direkt einen Mehrwert geben und das mit Fokus auf dem ganzen
Hype von ChatGPT. Seit zwei, drei Jahren wird nur noch über
ChatGPT gesprochen, aber viele fragen sich: Woher weiß ich
genau, was ich damit im Unternehmen machen kann? Was ist
datenschutzkonform, was wiederholt sich, was nicht; soll ich
überhaupt Geld rein investieren? Das sind die Ansätze, die wir
verfolgen und meiner Meinung nach, macht das niemand in
Siegen-Wittgenstein.
Wir halten uns fern von Produktion und den Bereichen Hardware
und Sensorik, dass ist ein hoher Investitionsaufwand, dass habe
ich schon damals in anderen Projekten feststellen können.
Deswegen haben wir gesagt, wir fokussieren uns auf das was wir
können und was wir wissen, nämlich das rein Kaufmännische und
da sehen wir unseren USP, vor allem in der Region.
Was zählt zu einem mittelständischen Unternehmen?
Grundsätzlich gibt es den klassischen Mittelstand, den unteren oder den gehobenen Mittelstand. Wenn wir in unserem Fall von Mittelstand sprechen, ist es immer ab 50 Mitarbeitern, dass heißt, sobald ein Unternehmen unter 50 Mitarbeiter hat, sind es eher kleinere Unternehmen. Diese sind dann für uns weniger interessant, weil das Problem darin liegt, dass individuelle KI-Lösungen teuer und kostenintensiver sind und diese kann man Unternehmen nicht zumuten, für die bereits fertige Lösungen eher relevant sind. Das heißt nicht, dass wir nicht auch fertige KI-Lösungen unter dem Mittelstand empfehlen. Manchmal reicht das schon, weil auch fertige Lösungen 80% Lösungsgenauigkeit haben. Also kommt es sehr auf den Use Case an und die Grenze liegt dann bei bis zu 5000 Mitarbeitern, weil da der gehobene Mittelstand aufhört. Da geht es in Richtung Großunternehmen und davon halten wir uns fern, weil wir selbst dafür zu klein sind und unseren Fokus verlieren würden.
Wann hast du dich dazu entschlossen, selbstständig zu sein?
Grundsätzlich war mein Interesse an digitalen Lösungen schon
immer da. Ich habe Wirtschaftsinformatik studiert, weil ich
immer versuchen wollte, digitale Lösungen so einzusetzen, damit
man die Wirtschaft und Gesellschaft verändern kann, weil diese
Möglichkeiten wirklich signifikanten Einfluss auf Menschen
haben. Ich wusste, dass ich irgendwann etwas Entwickeln oder
Vermarkten möchte.
Hier in der Region höre ich jedes Mal aus meinem eigenen Kreis,
dass wenig Wissen da ist, wenn es um die Nutzung und
Möglichkeiten von KI geht. Da dachte ich mir, ich bin vor Ort,
ich kann es riskieren. Interesse habe ich sowieso. Also der Drang war
auf jeden Fall da, irgendwas in der Zukunft zu machen, aber der
Zeitpunkt war eben auch der Situation geschuldet.
Gab es Seminare an der Uni Siegen, von denen du jetzt in deinem Unternehmen profitierst?
Im Studium habe ich die Basics gelernt, also was ist KI? Was
kann KI? Was ist Machine- und Deep Learning? All diese Elemente
kommen natürlich aus der Theorie im Studium, auch aus dem
Praxisprojekt an der Uni.
Es gibt Module in der Wirtschaftsinformatik , da geht es um
Prozesse, Prozessverständnis schaffen, gestalten, optimieren,
so wie wir es eigentlich heute machen. Parallel dann aber auch
Informatikfächer. Ich erinnere mich gut an das
Programmierpraktikum, da haben wir eigene Lösungen und Spiele
entwickelt. Da habe ich schon die ersten Kenntnisse zu
objektorientierten Entwicklungen gehabt. Zum Glück habe ich
schon einen starken Praxisbezug in der Uni gehabt, sowohl
technisch, aber auch wirtschaftlich, das heißt Investitionen,
Finanzierung und Buchführung.
Wie würdest du einen ganz normalen Arbeitsalltag von dir beschreiben?
Normal gibt es aktuell leider gar nicht. Zurzeit bin ich stark im Vertrieb. Wir bieten ja nicht nur KI-Lösungen an, sondern machen auch Workshops. Das heißt, wir müssen auch KI greifbar machen.Von daher muss ich erstmal der Region zeigen, was es gibt. Entsprechend mache ich auch ganz klassische Kaltakquise. Ich gehe auf die IHK, auf mein Netzwerk zu. Ich mache viel Marketing. Wenn ich morgens hier hinkomme, starte ich mit dem Vertrieb und arbeite meine Mails im Nachgang ab. Ums Marketing kümmere ich mich ein bis zwei Mal die Woche und bereite mich auch für die Termine vor.
Was lernen Unternehmen aus den KI-Workshops, die du anbietest?
In den Workshops lernen Unternehmen erstmal was KI ist, was
sie genau kann und was es für Best Practices in den jeweiligen
Brachen gibt. Ob im Handel, Industrie- oder Chemiebranche. Ich
konzentriere mich auf alle Branchen außer auf Finanzen und
Medizin, weil das sehr regulatorische Branchen sind. Aber
abgesehen davon schauen wir mit den Best Practices, mit den
fertigen KI-Lösungen, die es gibt, wie es mit dem KI-Gesetz
aussieht, welche Rolle der EU-AI-Act rechtlich spielt und wie
man sich eigene KI-Assistenten aufbaut. Sie lernen auch wie man
ein eigenes GPT erstellt und DSGVO-konform nutzt.
Am Ende des Workshops versuchen wir gemeinsam mit den
Fachabteilungen, also im Einkauf mit dem Vertrieb etc.
herauszufinden, wo die Prozesse sind, die sich immer
wiederholen. Daraus versuchen wir dann Use Cases, also richtige
Anwendungsfälle zu identifizieren, z.b eine Angebotserstellung
oder einen Chatbot im Service und dann nehmen wir diese Use
Cases, priorisieren sie nach technischer Machbarkeit und auf
Basis dessen starten wir dann mit einer KI-Lösung. Also der
KI-Workshop ist wirklich holistisch zu betrachten, von was ist
KI bis was können wir fürs Unternehmen umsetzen.
Du hast mit deinem Start-up ganz frisch gestartet. Vor welchen Herausforderungen stehst du aktuell?
Den Menschen KI nahe zu bringen.Viele hören von KI, viele
sehen KI, aber sie tun sich schwer damit zu verstehen, wo da
der Mehrwert genau liegt. Diesen Mehrwert zu verdeutlichen, da
sehe ich den wichtigsten Punkt aktuell bei mir. Also ich sehe
das Problem nicht darin, dass keine Termine stattfinden. Ich
habe das Glück, dass viele offen für das Thema sind.Vor allem,
weil wir selbst aus der Region sind, merke ich die regionale
Unterstützung.
Die Herausforderung ist wirklich, im Termin die Menschen davon
zu überzeugen,welchen Mehrwert KI für sie hat,weil sie oft
Angst davor haben in etwas zu investieren, wovon sie nicht 100%
sicher sind, dass der Mehrwert direkt zurückkommt. Das ist noch
ein bisschen schwierig in der Region. Mein Ziel ist es da, KI
nahbar zu machen und dabei ein sicheres Gefühl zu
vermitteln.
Was gefällt dir am meisten an dieser Tätigkeit oder überhaupt in dieser Branche?
Mich begeistern IT- und KI-Themen. Mein Interesse liegt darin, dass man Prozesse automatisiert, die nicht notwendig sind, die Roboter in 10 oder 20 Jahren übernehmen können. So haben wir mehr Freiheit und Kapazitäten für andere Aufgaben, die uns viel mehr interessieren und uns im Alltag nicht langweilen. Am Anfang meiner Beratungstätigkeit habe ich zum Beispiel drei Wochen lang eine reine Excel-Tabelle ausgefüllt, ganz stupide, ganz manuell. Ich finde sowas, ist heutzutage nicht mehr notwendig.
Was würdest du jungen Gründern empfehlen, die sich selbstständig machen wollen?
Ich habe mich zu Beginn ein bisschen schwer getan. Ich war
auf dem Weg Manager zu werden und hatte eine tolle Position.
Dieser Sprung ins Kalte, ohne klare Kunden, ohne Sicherheit,
das ist der größte Sprung, den viele nicht wagen wollen.
Meine Empfehlung ist, wenn man eine gewisse finanzielle
Sicherheit hat und für ein halbes Jahr das Risiko in Kauf
nehmen kann etwas zu machen, wovon man überzeugt ist, was einem
auch Spaß macht, sollte man diesen Schritt immer gehen. Ein
sehr guter Freund von mir, der selbst ein Start-up hat, hat
immer gesagt: „Einfach starten, dem Rest kriegst du hin“. Also
Vertrauen in sich selbst haben und einfach starten.
Was ist dein Ziel mit syntik?
Ich möchte KI in der Region, den Unternehmen und Menschen
zugänglicher machen. Mit syntik will ich Unternehmen so
unterstützen, dass sie gleich aufgestellt sind wie andere
Länder und andere Kontinente. Ich weiß, wie es in Amerika
funktioniert, in den USA und China.
In Deutschland wird wenig in KI investiert, weil man Angst hat.
Ich möchte KI nahbar machen und die Mehrwerte schaffen, damit
wir uns sowohl kulturell als auch wirtschaftlich daran
weiterentwickeln können. Wir haben KI in der Produktion, aber
in kaufmännischen Prozessen wie Controlling, Buchhaltung,
Vertrieb und Einkauf sind wir noch sehr manuell und repetitiv
und LLMs, also Large Language Models sind in der Anwendung kaum
vorhanden. Da müssen wir uns weiterentwickeln, andernfalls
werden noch mehr Unternehmen Probleme damit bekommen,
entsprechend Umsätze einzufahren und sich in diesem Zeitalter
etablieren zu können.
KI wird wie Industrie 4.0 ein vollkommen neues Zeitalter
erschaffen und damit muss man sich auseinandersetzen.
Dieses Porträt basiert auf einem Interview mit Mert Erdoğan und wurde von Duygu Cicek verfasst.
Hier zur Homepage des Start-ups.



