Flexible Arbeitszeiten gewünscht
Arbeitsplätze in der Heimerziehung stellen große Herausforderungen an Arbeitnehmer*innen. Wie Fachkräfte in diesem Berufsfeld langfristig gehalten werden können, erforschen Wissenschaftler*innen der Universität Siegen.
Sie arbeiten nachts und am
Wochenende, ihre Verantwortung ist riesig: Fachkräfte in der
stationären Erziehungshilfe betreuen Kinder, die nicht bei
ihren Eltern leben können – teils rund um die Uhr, 365 Tage im
Jahr. Sozialarbeiter, Pädagogen und Erzieher sind in diesem
Berufsfeld gefragt wie nie. „Wenn die Politik vor allem mehr
Fachkräfte in Kitas, Schulen und in der Altenpflege fordert,
fragen wir uns: Wo sollen die herkommen?“, sagt Professor Klaus
Wolf. Er leitet die Forschungsgruppe „Heimerziehung“ an der Uni
Siegen. Schon bald könnte sich der Fachkräftemangel deutlich
bemerkbar machen. Wie attraktiv ist ein Job in der
Heimerziehung? Und wie können wir Fachkräfte in diesem
Berufsfeld langfristig halten? Mit diesen Fragen haben sich
Prof. Wolf und sein Team beschäftigt.
Die Siegener Forschergruppe hat für ihre Studie im Jahr 2016
elf Personalverantwortliche in Deutschland interviewt. Dabei
kam heraus: So unattraktiv, wie der Job mit seinen
herausfordernden Bedingungen zunächst klingt, ist er gar nicht.
„Die Bezahlung ist besser als in anderen Feldern der Sozialen
Arbeit und die meisten Beschäftigten haben unbefristete
Verträge“, berichtet Wolf. Die Hauptmotivation für viele
Fachkräfte, sich für die Heimerziehung zu entscheiden, sei aber
der Freiraum: „Viele berichten, dass sie aktiv etwas gestalten
können und die Kinder, die oft schwierige Erfahrungen gemacht
haben, positiv beeinflussen können“, sagt Wolf. „Sie haben das
Gefühl, dass es auf sie persönlich ankommt und sie kein bloßes
Rädchen im System sind.“
Um die Fachkräfte langfristig zu halten, reicht das aber nicht
aus, sagt Andrea Dittmann, Wissenschaftliche Mitarbeiterin in
der Forschergruppe. 70 Prozent der Fachkräfte sind weiblich,
die meisten zwischen 20 und 30 Jahren. Spätestens wenn es um
die Familienplanung geht, können Schichtdienst, fixe
Vollzeit-Verträge und Wochenendarbeit Hindernisse sein. „Manche
Fachkräfte sehen darin kein Problem, aber viele eben schon. Vor
allem für Alleinerziehende ist Schichtdienst fast unmöglich zu
stemmen“, erzählt Dittmann. „Wenn wir jede junge Frau
verlieren, die ein Kind bekommt, dann haben wir ein riesiges
Problem.“
In den Interviews hat sich gezeigt, dass sich viele weibliche
Beschäftigte individuelle Gestaltungsmöglichkeiten für ihre
Arbeitszeiten wünschen. Einige Personalverantwortliche ziehen
mit und machen vieles möglich, um die jungen Frauen zu halten.
Andere sagen ganz klar: „Mit Teilzeitstellen kriegen wir das
nicht hin.“ Vor allem in Einrichtungen, in denen unter
vierjährige Kinder betreut werden, sei Schichtdienst rechtlich
gar nicht erlaubt. „Vor allem bei jungen Kindern, die
Beständigkeit und feste Bezugspersonen brauchen, liegt in der
Dienstplanung eine besondere Herausforderung. “, sagt
Wissenschaftler Manuel Theile.
Die Forschungsgruppe „Heimerziehung“ führt seit 2013 sowohl
Grundlagen- als auch Praxisforschungsprojekte zur stationären
Kinder- und Jugendhilfe durch. Zu den Themen gehören unter
andrem Geschwisterbeziehungen und die geplante Rückkehr von
Kindern und Jugendlichen aus der stationären Erziehungshilfe in
Familiensystem. Regelmäßig tauschen sich die
Wissenschaftler*innen mit Praktikern aus, zuletzt Mitte März auf
der selbst organisierten Fachtagung „Ein attraktiver
Arbeitsplatz? – Fachkräfte(mangel) in der stationären
Erziehungshilfe?!“.
Mehr Informationen
Kontakt
Manuel Theile
Tel.: 0271 740 2228
E-Mail: manuel.theile@uni-siegen.de