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Das Stereotyp des fehlerhaften Menschen

Prof.in Martina Heßler zu Gast: Sisyphos Berg wird immer steiler, der Stein größer und schwerer

„Wie formt Technik Gesellschaft?“ – Diese Eingangsfrage von Moderator Prof. Dr. Ralph Dreher (Technikdidaktik an der Uni Siegen) setzte bei „Wissenschaft um 12“ den Rahmen einer gut zweistündigen Veranstaltung. Zu Gast war die Technikhistorikerin Prof.in Dr. Martina Heßler von der TU Darmstadt. Ihr vor wenigen Wochen erschienenes Buch „Sisyphos im Maschinenraum. Eine Geschichte der Fehlbarkeit von Mensch und Technologie“ ist für den Deutschen Sachbuchpreis 2025 nominiert. Seit der Industrialisierung gebe es den Stereotypen, Maschinen funktionierten besser als Menschen, so Martina Heßler.

Der Technikchauvinismus werte den Menschen im Vergleich zur Maschine systematisch ab. Diese Einstellung stelle eine Grundfiguration der westlichen Moderne dar. Der fehlerhafte Mensch führe zur Folgerung, dieser müsse durch Maschinen ersetzt werden. Autonomes Fahren werde apostrophiert, um menschliches Versagen zu beseitigen. Autonome Drohnen töteten „ethischer“ als Menschen. Empfangsroboter in Hotels hätten bessere Manieren als Menschen….. Martina Heßler: „Ich untersuche die Figur des fehlerhaften Menschen als Stereotyp in unterschiedlichen Lebensbereichen. Seit über 200 Jahren wiederholen sich die Argumente.“

Die Figur wurde im frühen 19. Jahrhundert etabliert. Die Autorin verdichtet in ihrem Buch Argumente und ist sich bewusst, dass ihre Darstellungen nicht immer objektiv sind. Konsequenzen des Stereotypen sind a) die Überzeugung, Menschen seien überfordert, b) eine Zunahme technologischer Fehler und c) eine stete Steigerung der Technologie, um Fehler zu korrigieren – eben Sisyphos. Durch eine immer komplexere Technologie, die auch immer fehleranfälliger werde, erschienen der Berg des Sisyphos immer höher und steiler, der Stein immer schwerer und größer. Während ihrer Recherchearbeit fühlte sich die Autorin mehrfach an das stetig wachsende Bürokratiesystem in Deutschland erinnert.

Mit Blick auf die Fabriken betonte der schottische Mediziner und Naturwissenschaftler Andrew Ure 1895 die Schwäche der menschlichen Natur und die menschliche Fehlbarkeit. Menschen seien sündig, fehlbar, unvollkommen und hätten körperliche Schwächen. 1974 sei in einer VDI-Zeitschrift eine Liste der menschlichen Unzulänglichkeiten erschienen: Langsamkeit, Unregelmäßigkeit, mangelnde Präzision, Hang zu schlecht geordnetem Wissen, langsames Lernen bis hin zur Kritikunfähigkeit… Die Ausschaltung der menschlichen Fehler sei gleichzusetzen mit der Ausschaltung des Menschen in der Fabrik. 2016 sei im Rahmen des US-Wahlkampf die Idee aufgekommen, einen Computer als geeigneteren Kandidaten aufzustellen – „Watson for President“.

In den 1950er Jahren herrschte Angst vor einem Atomkrieg und vor allem davor, dass Menschen irrational und emotional entscheiden und eine solche Auseinandersetzung auslösen könnten. Als Lösung wurde der Computer betrachtet, der besser denken könne als Menschen. Der Maschine werde folgendes Idealbild zugedacht: präzise, schnell, gleichmäßig, regelmäßig, zuverlässig, berechenbar, planbar, objektiv, rational, Regeln einhaltend. Dass es am 26. September 1983 nicht zu einem atomaren Gegenschlag der Sowjetunion gegen die NATO kam, ist dem sowjetischen Oberstleutnant Stanislaw Petrow und seiner Entscheidung zu verdanken, einem Fehlalarm des Frühwarnsystems nicht zu vertrauen. Der Fehlalarm war durch Sonnenreflexionen an Wolken ausgelöst worden.

Das Sicherheitsbedürfnis der fehlerhaften Menschen ist hoch. Beim Autofahren soll die Schrecksekunde durch ABS umgangen werden. Kam der Computer gerade also zur rechten Zeit? Wenn ja, wofür? Die Spirale von Fehler, Fehlerbehebung, Technik und immer komplexerer Technik dreht sich weiter. Dabei, so Heßler, könnten manche Probleme durchaus mit Verhaltensveränderungen von Menschen behoben werden. So seien Autos bei niedriger Geschwindigkeit besser beherrschbar als bei hoher. Weniger Autoverkehr komme der Sicherheit der Verkehrsteilnehmer zugute. Diese Beschränkung würde dem steten Höher und Weiter zumindest punktuell Grenzen setzen. Dem Vortrag von Prof.in Martina Heßler folgte eine etwa einstündige, intensive und spannende Diskussion.