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Medienakteure und Medienpraktiken analog/digital

Überblick


Die Frage nach der Handlungsmacht von Medienakteuren und nach der kulturellen Situierung ihrer Medienpraktiken ist seit dem ersten Entwurf einer kulturwissenschaftlichen Medienforschung in der ‚Toronto-Schule‘ der 1950er Jahre ein stetiger Ausgangspunkt der Medienforschung, hat sich aber im Laufe der letzten zehn Jahre noch einmal neu zugespitzt. In dieser Situation, die gerade in der deutschsprachigen Medienwissenschaft
eine noch unabsehbare Dynamik aufweist, spielen zwei große transnationale Theorie-Entwicklungen eine tragende Rolle. Erstens gilt zwar nicht für alle, aber für viele sozial- und kulturwissenschaftliche Theorie-Entwicklungen der letzten zwanzig Jahre, dass der Dualismus von structure und agency, der jahrzehntelang die Diskussion weithin dominanter Sozialtheorien, Kulturtheorien und Historiographien bestimmte, in Auflösung begriffen ist. Die ‚Handlungsmacht‘ (agency) soziotechnischer, kollektiver oder individueller Akteure wird nicht mehr als Gegensatz zur ‚Strukturierung‘ einer Situation, Institution oder Organisation verstanden, im Gegenteil, ‚Handlungsmacht‘ und ‚Strukturierung‘ werden zunehmend durch eine einheitliche Betrachtungsweise verbunden: keine Handlungsmacht ohne die Fähigkeit zur Strukturierung, keine Strukturierung ohne eine sie bestimmende und aus ihr hervorgehende Handlungsmacht. Die Rede von der ‚Performativität‘ medialer, kultureller und sozialer Abläufe ist nur das prominenteste – und mittlerweile anerkannteste – Beispiel für diese grundlegende Verlagerung, durch die der alte Gegensatz von structure und agency seine prägende Macht verloren hat. Zweitens ist die Beziehung zwischen ‚Mikro‘- und ‚Makro‘-Analysen und ihren theoretischen Ansprüchen in Bewegung geraten und wird in einigen neuen Theorie-Entwürfen ganz zur Disposition gestellt. Frühere Diskussionen zum Verhältnis von ‚Mikro‘ und ‚Makro‘, und zwar in historischen wie in gegenwartsbezogenen Untersuchungen, richteten
sich vor allem auf drei Fragen: die Vereinbarkeit von Mikro- und Makroperspektiven, die Kongruenz der dabei gewonnenen Ergebnisse und die richtige Einschätzung einer wechselseitigen Unabhängigkeit von Mikro- und Makro-Faktoren. Dieser Aufbau wird in neueren Forschungsrichtungen, etwa in den Science and Technology Studies (STS), konsequent unterlaufen. Der Fokus liegt jetzt weniger auf der Vermittlung zwischen verschiedenen Maßstäben der theoretischen Betrachtung als auf einer Heuristik, mit der man die konkreten materiellen, logistischen und insbesondere medialen Vermittlungsschritte zwischen einer Mikro-Organisation und ihren möglichen Makro-Effekten nachzeichnen kann. Das althergebrachte Problem der Vermittlung zwischen ‚Mikro‘ und ‚Makro‘ wird nicht mehr durch einen Theorievergleich und eine Optimierung der Konsistenz von Makro-Theorien gelöst, sondern durch bewusst heterogene Darstellungsformen und Narrative, die wissenschaftlich plausibel machen sollen, dass und auf welche Weise es historischen und aktuellen Akteuren und Mikro-Organisationen, ihren Praktiken und ihren Artefakten gelingt, zwischen verschiedenen Maßstäben zu wechseln. Der Maßstabwechsel zwischen ‚Mikro‘ und ‚Makro‘ bleibt daher in den einschlägigen Schriften – paradigmatisch in mikrohistorischen Studien und in den Schriften der sogenannten Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) – die anspruchsvollste theoretische Aufgabe, wird aber zugleich als eine Aufgabe der behandelten Personen, Dinge und Medien behandelt: Mit welchem Vokabular und welcher Semantik, mit welchen Operationen und Artefakten gelingt es ihnen, den Maßstab zwischen verschiedenen Größenordnungen zu wechseln und eine entsprechende ‚Handlungsmacht‘ (agency) aufzubauen, die sich in der Strukturierung ihrer Praktiken und Artefakte niederschlägt?

 

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