
Die einzelnen Projekte im Überblick
1. Trancemedien und Neue Medien in den beiden Globalisierungsschüben (1900 und heute)
Leitung: Prof. Dr. Erhard
Schüttpelz
Das Forschungsprojekt untersucht den Zusammenhang zwischen
personalen Trancemedien
und neuen technischen Medien. In beiden Globalisierungsschüben
finden zentrale
Debatten über die Modernität von Trancepraktiken statt, die um
1900 in den modernen
Medienbegriff eingehen und in der Gegenwart durch religiöse und
säkulare Organisationen
‚glokalisiert‘ werden. Der ethnographische Teil beobachtet
(zwischen Marokko und
der marokkanischen Diaspora) Modernisierungsdebatten über
Trancemedien und Neue
Medien, deren
Geschichte der historische Teil nachzeichnet, um beide
medienanthropologisch
überprüfen zu können.
2. Kulturgeographie des Medienumbruchs analog/digital
Leitung: Prof. Dr. Jörg Döring
Das Forschungsprojekt untersucht die Transformation von
Kulturgeographie in Mediengeographie.
Hierin ist die nächste Weiterung humangeographischer
Gegenstandskonstruktion
nach dem cultural turn zu erkennen. Kulturgeographie
konzeptualisiert Raum
und Ort nicht länger pauschal als sozial und kulturell
produziert, sondern sucht den spezifischen
Anteil von Medien an der Erzeugung von Geographien namhaft zu
machen.
Dieser medienwissenschaftlichen Öffnung der Kulturgeographie
entspricht kehrseitig ein
neuer, kulturgeographisch informierter Raumbezug der
Medienwissenschaft. Hypothese
ist, dass diese Konvergenz nur vor dem Hintergrund
global-lokativer Medienpraxen nach dem digitalen Medienumbruch
zu verstehen ist. Ziel ist die Erarbeitung eines historischen
wie systematischen Konzeptes von Geomedialität, das anhand der
Analyse dreier Korpora
gewonnen werden soll: a) Laienkartographie im Social Web; b)
mobile Kartographie
anhand von Navigationssystemen; c) Globalraumsimulation durch
Geobrowser.
3. Methoden und Werkzeuge für die rechnergestützte medienwissenschaftliche Analyse
Leitung: Prof. Dr. Bernhard Freisleben, Prof. Dr. Manfred Grauer
In dem beantragten Projekt werden folgende
Aufgabenstellungen bearbeitet: Erstens wird
ein e-Service Media Grid entwickelt, das der
medienwissenschaftlichen Forschungsgemeinschaft
die Möglichkeit bietet, Analysealgorithmen, Datenbestände und
Ergebnisse
über das World Wide Web einfach und flexibel zu nutzen und
miteinander zu kombinieren.
Zweitens werden neue Analyseverfahren für multimediale (Social)
Web-Inhalte zur Unterstützung
von medienwissenschaftlichen Forschungsaktivitäten erforscht;
für die semantische
Analyse von Videos werden neue Methoden entwickelt. Drittens
wird eine Softwarelösung
zur Archivierung der Datenbestände des auslaufenden
Forschungskollegs
615 und der Paketgruppe in Kooperation mit den relevanten
Einrichtungen der Universität
Siegen (Universitätsbibliothek, Zentrum für Informations- und
Medientechnologie (ZIMT),
Institut für Medienforschung (IfM)) konzipiert.
4. Literatur in Netzen / Netzliteratur
Leitung: Prof. Dr. Peter Gendolla
Das Forschungsprojekt geht von der Prämisse aus, dass
computergestützte und vernetzte
Medien eine grundlegende Überarbeitung der tradierten Modelle
literarischer
Kommunikation erforderlich machen, welche auch die autonomen
Anteile des technischen
Mediums, der physischen Aktionen der Rezipienten sowie anderer
über Sensoren erfasster
Daten berücksichtigt. Der Einsatz mobiler Medien und die
Entwicklung literarischer
Installationen hat das Spektrum der medialen Dispositive für
Netzliteratur erweitert. Die
Interaktionen mit den sprachlichen Zeichen werden nicht mehr
nur per Tastatur und Maus
vollzogen. Vielmehr werden über Mobiltelefone, GPS-Systeme und
PDAs sowie in virtuellen
Umgebungen neuartige Kopplungen von physischen, virtuellen und
symbolischen
Räumen erprobt. Im beantragten Forschungsprojekt werden
Beobachtungs-, Dokumentations-
und Auswertungsmethoden entwickelt, um an konkreten Beispielen
das Zusammenwirken
körperlichen Handelns im Raum, literarischen Wissens und
technischer Systeme
zu untersuchen. Auf der Grundlage der Ergebnisse wird die
Ausdifferenzierung
literarischer Formen und Strukturen analysiert, um abschließend
eine Theorie der ästhetischen
Erfahrung als Bedeutungszuschreibung in konkreten interaktiven
(Transkriptions-)
Prozessen zu entwickeln. Außerdem beteiligt sich die
Arbeitsgruppe an internationalen
Aktivitäten zum Aufbau von Datenbanken sowie zur Archivierung
von Netzliteratur.
5. Boulevard, Bohème und Jugendkultur. Verhandlungen von Massenmedialität und Marginalität
Leitung: Prof. Dr. Walburga Hülk-Althoff, Prof. Dr. Georg Stanitzek
Das Projekt fokussiert mit den Kategorien „Boulevard“ und
„Bohème“ zwei zentrale
Phänomene um 1900 in Frankreich und Deutschland: Im
Spannungsfeld dieser beiden
Größen entsteht eine neue Erfahrung von Massenmedialität,
während sich gleichzeitig
das Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit verschiebt.
Auf das massenmediale
Dispositiv des Boulevards reagieren präavantgardistische
Bohèmegruppierungen, die den
Boulevardmedien sowohl zuarbeiten als auch mit kritischer
Aufmerksamkeit begegnen.
Diese Wandlungsprozesse sollen anhand der sie begleitenden
Semantik beschrieben
werden, wobei der Boulevard sich weniger als
urbanistisch-topographische, denn als
begriffliche Kategorie etabliert, und die Bohème ein besonderes
medienkritisches Potential
entfaltet. Der gegenwärtig diskutierte Begriff der
„Boulevardisierung“ der Öffentlichkeit
erfordert eine historische Dimensionierung, aber auch die
kurrente Jugendkultur, nicht
zuletzt mit ihrem avancierten Projekt einer „digitalen Bohème“,
motiviert den Rekurs auf
traditionelle Bohèmeformationen.