Forschungsstelle transnationale Kulturgeschichte
"Geschichte für alle" in europäischen Zeitschriften des 19. Jahrhunderts
Teilprojekt I:
Der französische Einfluss auf bürgerlich-populäre
Zeitschriften der Iberischen Halbinsel im 19.
Jahrhundert
- Prof.'in Dr. Raphaela Averkorn, Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Geschichte
- Martina Palli
Teilprojekt I
"Geschichte für alle" in europäischen Zeitschriften des 19. Jahrhunderts. Der französische Einfluss auf bürgerlich-populäre Zeitschriften der Iberischen Halbinsel im 19. Jahrhundert.
Dieses Projekt soll in vergleichender europäischer Perspektive und in enger inhaltlicher und technischer Verzahnung mit den beiden anderen Teilprojekten durchgeführt werden. Es soll ein besonderes Augenmerk auf die Vermittlung von Geschichte in diversen bürgerlich-populären Zeitschriften der Iberischen Halbinsel gelegt werden. Es gibt bislang nur einige wenige Veröffentlichungen zur Entwicklung des Pressewesens in Spanien und Portugal, jedoch sind qualitativ-inhaltliche Analysen zu einzelnen Themenbereichen noch weitestgehend ein Forschungsdesiderat.
Das Pressewesen war auf der Iberischen Halbinsel und besonders in Spanien im Vergleich zum übrigen Europa zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch nicht sehr entwickelt. Die Errungenschaften der Französischen Revolution, die sich u.a. in einem Aufblühen der spanischen Presse gegen Ende des 18. Jahrhunderts manifestiert hatten, wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach den Unabhängigkeitskriegen und der Rückkehr zum Ancien Régime unter Ferdinand VII. (1814-33) sowie der Wiedereinsetzung der Spanischen Inquisition zunichte gemacht, so dass sich ein deutlicher Rückschritt konstatieren lässt. Viele Zeitschriften wurden nach wenigen Ausgaben mangels Publikum wieder eingestellt bzw. von der Zensur verboten. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern war die Alphabetisierungsrate erschreckend gering, so dass ebenfalls nur mit einer geringen Leserschaft zu rechnen war. Spanien erreichte erst um 1900 ein Alphabetisierungslevel, das mit England in der Mitte des 18. Jahrhunderts und mit Frankreich in der Mitte des 19. Jahrhunderts vergleichbar war. Noch 1860 waren drei Viertel der spanischen Gesamtbevölkerung und 86 % der weiblichen Bevölkerung Analphabeten. In den folgenden Jahrzehnten nahm diese Rate ab, wenn auch sehr langsam. Erst nach der Revolution von 1868 fanden tiefgreifende Änderungen im Bildungswesen statt. Die Entwicklung der spanischen Presse orientierte sich sehr eng an den französischen Vorbildern, die zum Vergleich herangezogen werden sollen. In Frankreich wurde 1819 die Pressefreiheit erneut gewährt und die Zensur abgeschafft, in Spanien letztendlich erst mit der neuen Verfassung von 1869, da das Edikt der Cortes von Cádiz (1811) zur Pressefreiheit von Fernando VII. wieder außer Kraft gesetzt worden war und auch die Vereinbarungen von 1834 keine wirkliche Pressefreiheit garantierten. Es sei in Bezug auf Frankreich in diesem Zusammenhang lediglich exemplarisch auf das Wirken von Emile de Girardin (La Mode 1829, La Presse 1836), François Buloz (Revue des Deux Mondes 1829) und Charles Philipon (Le Charivari 1832) verwiesen.
Es kann in Spanien und in Portugal davon ausgegangen werden, dass neben der aktiven Lektüre von Zeitschriften, die nur den alphabetisierten Schichten, die zumeist in den Städten anzutreffen waren, vorbehalten war, das Vorlesen, die "tertulias" und andere Arten mündlicher Kommunikation von besonderer Bedeutung waren und somit weitere Bevölkerungskreise erreicht werden konnten. In diesem Zusammenhang ist es von hohem Interesse zu untersuchen, ob soziale Transformationsprozesse, die besonders in Spanien seit dem Ende der Regierung von Königin Isabel II. (1833-1868) erkennbar sind, ebenfalls einen Niederschlag in der populären Presse erfuhren. Es soll anhand von ausgewählten literarischen und allgemein unterhaltenden Zeitschriften u.a. untersucht werden, welche politischen Intentionen die Herausgeber verfolgten, welche Beiträge sich mit Geschichte und dem aktuellen politischen Geschehen befassen, welches Geschichtsbild vermittelt sowie welche inhaltlichen Schwerpunkte gesetzt wurden. Inwieweit genderspezifische Aspekte von Bedeutung waren, soll an ausgewählten Zeitschriften untersucht werden, die speziell für ein weibliches Publikum konzipiert wurden. Ein besonderes Interesse gilt überdies den sogenannten "folletines" oder "entregas", die zahlreichen Zeitschriften beigefügt wurden und bei denen es sich zumeist um populärwissenschaftliche Werke, die oftmals historische Themen aufgriffen, handelte.
Zu den Untersuchungsgegenständen werden Zeitschriften wie z.B. Las Novedades (1850-1872), La Ilustración (1849-1857), Museo de las Familias (1843-1871), El Semanario Pintoresco Español (1836-1857), La Moda (1842-1927), El Correo de la Moda. Periódico del Bello Sexo. Modas, Literatura, Bellas Artes, Teatros, etc. (1851-1886), La Flaca (1869-1876) bzw. portugiesische wie Ilustração Portugueza (1880-1978), O Século ilustrado (1880-1978), O Correio da Sertã (1884-1894), Jornal da Certã (1886-1888), Correio da Província (1889-1895) und Certaginense (1889-1895) zählen.
Weitergehende Informationen finden Sie auf der Webseite zum Teilprojekt im Rahmen des Internetauftritts des Projekts "Geschichte für alle".