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Konzept

Profil und Ziele

Die Forschungsstelle Literatur in elektronischen Medien (LEM) stellt sich in die Tradition der – nicht zuletzt an der Universität Siegen – seit den 1970er Jahren entwickelten medienvergleichenden Literaturwissenschaft. Mit einem ‚erweiterten Literaturbegriff‘ wird seither die Aufmerksamkeit auf die Medialität und Materialität der literarischen Texte und Werke gerichtet. Vom Manuskript über das Buch und die Zeitung bis zu den audiovisuellen Medien bildete die Literatur als (Wort-)Kunst dabei besondere Formen der Reflexion der in diesen Medien generell laufenden Kommunikationsprozesse aus, eine eigene, eben ästhetische Transformation historischer Diskurse.

Insbesondere seit audiovisuelle Medien wie Radio und Fernsehen etc. unter die Forschungsgegenstände der Literaturwissenschaft einbezogen worden sind, werden die medialen Bedingungen für die literarische Reflexion gewissermaßen als das ‚medientechnische Unbewusste‘ betrachtet und seine Strukturen und Automatismen eruiert. Mit den sog. ‚digitalen Medien‘, in die in den letzten Jahren alle vorherigen Medien transformiert oder zumindest integriert worden sind, bildet Software dieses medientechnische Unbewusste, dessen Mitwirkung an soziokulturellen Diskursen wiederum von neuen literarischen Formen wahrnehmbar gemacht wird. 

Die bisherige Forschung und Lehre zur Literatur in elektronischen Medien, die vor allem in mehreren drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten (DFG, Volkswagen- und Alexander-von-Humboldt-Stiftung, Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung NRW) betrieben worden ist, wird daher mit der Einrichtung der Forschungsstelle fortgesetzt und auf eine nachhaltige Basis gestellt. Die Analyse neuerer literarischer Kommunikationen, die Entwicklung entsprechender theoretischer Modelle und geeigneter methodischer Konzepte sowie die archivarische Sicherung der analysierten Projekte umreißen daher die Aufgaben und Ziele der Forschungsstelle.

 

LEM an der Philosophischen Fakultät

Die Forschungsstelle LEM knüpft an die in der deutschen und vor allem internationalen Forschungslandschaft anerkannten Siegener Forschungen zur literarischen Kommunikation in nicht-biblionomen Medien an. Seit ihrer Gründung sind die Siegener Literaturwissenschaften an einem ‚erweiterten Literaturbegriff‘ orientiert. Dies hat sich sowohl in der Denomination der prägenden Professuren (z.B. Helmut Kreuzer, Siegfried J. Schmidt, Christian W. Thomsen, Hans Ulrich Gumbrecht, K. Ludwig Pfeiffer, Karl Riha, Helmut Schanze etc.) und in wichtigen Publikationen wie dem Sammelband Materialität der Kommunikation (1988) als auch in der führenden Rolle der Literaturwissenschaften bei der Etablierung von wegweisenden Institutionen gezeigt, etwa dem Institut für Empirische Literatur- und Medienforschung (LUMIS, 1984-2001), dem Sonderforschungsbereich Ästhetik und Pragmatik der Bildschirmmedien (Sfb 240, 1985-2000), den Graduiertenkollegs Kommunikationsformen als Lebensformen und Intermedialität, dem Studiengang Medien-Planung, -Entwicklung und -Beratung und den BA- und MA-Studiengängen in seiner Nachfolge (seit 1990), der Stiftungsprofessur für Literatur, Kunst, Neue Medien und Technologien (seit 1996) sowie zuletzt dem Kulturwissenschaftlichen Forschungskolleg Medienumbrüche (Sfb/FK 615, 2002-10) und dem DFG-Paketantrag Medienakteure und Medienpraktiken analog/digital (2010-12).

Das Forschungsprojekt Literatur in Netzen/Netzliteratur, das von 2002 bis 2012 als Teilprojekt des Sfb/FK 615, anschließend als Einzelprojekt von der DFG sowie im Rahmen eines TransCoop-Forschungsprojekts mit der Brown University (Providence, USA) auch von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung gefördert worden ist, hat wichtige, international breit rezipierte theoretische Voraussetzungen für die Erforschung der Transformationen des Literatursystems sowie der literarischen Ästhetik geschaffen. Das Archiv der deutschsprachigen elektronischen Literatur (ADEL), dessen Einrichtung vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung NRW gefördert wurde, soll die deutschsprachige elektronische Literatur dokumentieren und in Zukunft auch zugänglich machen.

 

Internationale Kooperationen

In den letzten 15 Jahren konnte – insbesondere durch die am Forschungskolleg Medienumbrüche veranstalteten internationalen Konferenzen Netzliteratur: Umbrüche in der literarischen Kommunikation (2004) und Beyond the Screen: Transformation of Literary Structures, Interfaces and Genres (2008), durch die englischsprachigen Publikationen Beyond the Screen, Reading Moving Letters (beide 2010) und The Aesthetics of Net Literature (2007) sowie durch die Beteiligung an internationalen Kooperationsprojekten – ein sehr dichtes weltweites Netzwerk aufgebaut werden. Dabei sind mehrere kollaborative Forschungszusammenhänge mit Kooperationspartnern in den USA, Australien und zahlreichen europäischen Ländern initiiert worden. So gehören Prof. Gendolla und Dr. Schäfer zu den Gründern des Consortium on Electronic Literature (CELL) und des DDDL: European Network of Digital Literature. In diesem Arbeitszusammenhang ist das erwähnte MIWF-Projekt ADEL Teil eines globalen Archivprojekts mit Partnern in den USA, Australien, Kanada, Norwegen, Spanien und Portugal.

Prof. Gendolla ist überdies Mitherausgeber des Jahrbuchs für Computerphilologie, Dr. Schäfer ist Herausgeber der Buchreihe International Texts in Critical Media Aesthetics im renommierten Verlag Bloomsbury Academic, Mitglied mehrerer internationaler Working Groups zur Erarbeitung biblio- und mediographischer Standards sowie Mitglied der Editorial Boards der electronic book review und von Dichtung Digital. Außerdem war er am Erasmus Intensivprogramm European Digital Literatures in Madrid beteiligt.

 

Forschungsfelder und Arbeitsprogramm

1. Theoriebildung, Methodenentwicklung und historische Studien zur medienvergleichenden Literaturwissenschaft

Seit der Erfindung des Buchdrucks bzw. spätestens seit der Entstehung eines Literatursystems im 18. Jahrhundert haben sich zumindest die Gesellschaften ‚des Westens‘ für lange Zeit daran gewöhnt, Literatur mit auf Papier gedruckten Buchstabenreihen, in der Regel zwischen zwei Buchdeckel gebunden, gleichzusetzen. Diese in den Begriff des ‚Werks‘ geronnene Auffassung ist zu einer kaum noch problematisierten kulturellen Selbstverständlichkeit geworden, die bis heute auch die literaturwissenschaftliche Forschungspraxis weitgehend dominiert.

Die Forschungsstelle LEM geht vor diesem Hintergrund von zwei Prämissen aus:

(1) dass elektronische Medien eine grundlegende Überarbeitung der tradierten Modelle literarischer Kommunikation erforderlich machen, welche auch die autonomen Anteile des technischen Mediums sowie Handlungen der Rezipienten und anderer Akteure berücksichtigen muss;

(2) dass sich Literatur dennoch nicht ausschließlich durch ihre Medialität definieren lässt und daher tradierte literarische Formen, Gattungen und Konventionen unter veränderten medientechnischen Rahmenbedingungen teilweise erhalten bzw. ausdifferenziert, teilweise obsolet werden.

In den künftigen Forschungen sollen daher zum einen literaturtheoretische Überlegungen zu einer ästhetischen Theorie der Literatur in elektronischen Medien verdichtet werden, zum anderen sollen Heuristiken und Methoden für konkrete Fallstudien zur literarischen Kommunikation ‚nach dem Buch‘ entwickelt werden.

 

2. Digital Humanities: Archive und Datenbanken zur elektronischen Literatur

Die sog. ‚Digital Humanities‘ gehören zweifelsohne zu den international am schnellsten wachsenden Bereichen der Geistes- und Kulturwissenschaften. Vor allem in den amerikanischen ‚Humanities‘ haben sich in den letzten Jahren zahlreiche Forschungszentren und hochschulübergreifende Institutionen etabliert. Auch an der Universität Siegen sind in der Vergangenheit wichtige Beiträge zu dieser Entwicklung geleistet worden, an die angeknüpft werden kann.

Interessanterweise werden die computerbasierten Methoden in den Literaturwissenschaften noch heute – zumindest in Deutschland – vorwiegend zur Archivierung, Edition und Analyse von traditionellen, ursprünglich in Buchform veröffentlichten Werken eingesetzt (Computerphilologie, Text Mining, Fachdatenbanken). An der Forschungsstelle LEM hingegen sollen diese Methoden die Forschungsarbeiten zur Literatur in nicht-biblionomen Medien unterstützen (‚born-digital works‘). Dazu sind zunächst die folgenden Projekte vorgesehen:

(1) „Archiv der deutschsprachigen elektronischen Literatur" (ADEL) (gefördert in der Programmlinie „Infrastrukturelle Förderung für die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften in NRW“ des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen)

Das Archiv der deutschsprachigen elektronischen Literatur (ADEL) soll die Entwicklung der elektronischen Literatur in Deutschland, Österreich und der Schweiz seit den 1960er Jahren dokumentieren. Dazu wird in mehreren Arbeitsschritten eine Auswahl der wichtigsten Werke gesammelt, gemeinsam mit textgenetischen Materialien dokumentiert sowie durch Emulatoren nachgebildet. Die Bestände werden zum einen über ein webbasiertes Content Management System zugänglich gemacht, zum anderen soll ein Sammlungsschwerpunkt aufgebaut werden, der Hardware, Software, Dokumente, Sekundärliteratur etc. für wissenschaftliche und kuratorische Zwecke bereitstellt. Das Projekt wird überdies im Rahmen des weltweiten Consortium of Electronic Literature (CELL) in enger Kooperation mit vergleichbaren Archivprojekten in den USA, Kanada, Australien, Portugal, Spanien und Norwegen sowie weiteren Medienkunstarchiven durchgeführt, um die Verwendung standardisierter Metadaten und die Interoperabilität der verwendeten Content-Management-Systeme zu gewährleisten. 

(2) Entwicklung von Methoden, Standards und Werkzeugen zur Archivierung, Dokumentation und Edition von Literatur in nicht-biblionomen Medien

Es ist eine entscheidende Voraussetzung für den Aufbau eines Archivs, dessen Interoperabilität mit vergleichbaren Archiven in anderen Ländern gewährleistet sein soll, dass einheitliche Metadaten und Taxonomien verwendet werden. Während dies in den Buchwissenschaften seit Jahrhunderten erfolgreich praktiziert wird, wirft Literatur in elektronischen Medien ganz neue Kategorisierungsprobleme auf. Die Forschungsstelle LEM beteiligt sich an internationalen Datenbanken wie dem Electronic Literature Directory (ELD) und der ELMCIP Knowledge Base. Dr. Schäfer und Robert Kalman sind Mitglieder der Working Groups A Vocabulary for Electronic Literature und A Search Engine for Electronic Literature (Koordination: Professor Sandy Baldwin, Rochester Institute of Technology, Rochester, NJ). Diese Arbeitsgruppen erarbeiten zum einen standardisierte biblio- und mediographische Metadaten für Datenbanken, Archive und Bibliotheken zur elektronischen Literatur, zum anderen soll die Interoperabilität der verschiedenen Datenbanken ermöglicht werden.

 
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