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Eine Stadt spricht über „Populismus“

Ein bürgerwissenschaftliches Projekt auf kommunaler Ebene gefördert durch die Bürgerstiftung Siegen (gefördert durch die Bürgerstiftung Siegen) (2019 / 2020)

Beobachter der gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklung stellen regelmäßig eine Zunahme „populistischer“ Einstellungen in der Bevölkerung fest (so z.B. das „Populismusbarometer“ der Bertelsmann Stiftung, 01.10.2018). Populistische Ansichten gelten insofern als brisant, als mit ihnen eine gedankliche Spaltung der Gesellschaft einhergeht: Einem als einheitlich gedachten, „wahren Volk“ werden – je nach politischer Position – als Gegner „abgehobene“ politische Eliten, kulturell „Fremde“ oder der jeweilige politische Gegner unversöhnlich und pauschal gegenübergestellt, um politische Erfolge zu erzielen. Auch erregt der populistische Stil (Tabubrüche, Provokationen, Aggressivität etc.) regelmäßig Anstoß – und damit Aufmerksamkeit. Der Begriff wird in öffentlichen Debatten als Vorwurf gegenüber politischen Akteuren (Stigmawort), als Selbstbeschreibung politischer „Rebellen“ gegenüber dem „Establishment“ (Fahnenwort) oder als zentraler Begriff für die Bestimmung aktueller Entwicklungstrends in der politischen Landschaft (Schlüsselwort) verwendet.

Populistische Denk- und Sprechweisen stellen auch und besonders für das Zusammenleben auf kommunaler Ebene eine Herausforderung dar, will man nicht nur„nebeneinander her“ oder gar in feindlicher Distanz leben, sondern symbolisch zu einem „Wir“ zusammenfinden. Ein Auseinanderdriften der Gesellschaft zwischen Arm und Reich, zwischen Alteingesessenen und Zugezogenen, zwischen unterschiedlichen Nationalitäten bzw. Kulturen usw. kann nur aufgehalten werden, indem Räume des Dialogs – auch zum Thema Populismus – geschaffen werden. Unser Ansatzpunkt war deshalb die Siegener Bürgerschaft: Was verstehen Siegener Bürgerinnen und Bürger unter Populismus? Hilft der Begriff ihnen dabei, die politische Kommunikation auf der ideologischen bzw. der stilistischen Ebene besser zu verstehen, Äußerungen einzuordnen und zu beurteilen? Welche Einstellungen (Bewertungen, Emotionen) verbinden Bürgerinnen und Bürger mit dem Wort, was fangen sie selbst damit an (z.B. Bewertung politischer Programme; Zivilcourage und Umgang mit alltäglichen Diskriminierungen etc.)?

Ein fundiertes Verständnis des Wortes Populismus und eine (auf wissenschaftlicher Basis) moderierte, aber ergebnisoffene Verständigung der Bürgerinnen und Bürger in einer Region  - einschließlich der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler - darüber, was als „populistisch“ zu bezeichnen und wie das zu bewerten ist, kann allen Beteiligten entschieden dabei helfen, die gegenwärtige politische Kommunikation besser zu durchschauen, dabei Perspektiven zu wechseln und durch das Gespräch miteinander den zerstörerischen Spaltungstendenzen entgegenzutreten. Dies schließt eine kritische Diskussion über ganz konkrete Äußerungen aus der aktuellen politischen Kommunikation mit ein (z.B. Schlagworte, Parolen, alltägliche Redensarten usw.). Eine bürgerwissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Populismus-Vokabel stellt in diesem Sinne ein zentrales Element politischer Bildung dar: Da sich der demokratische Kern einer Gesellschaft durch Selbstbestimmung, Teilhabe und Mitentscheid aller Bürgerinnen und Bürger auszeichnet, sind demokratische Systeme auf eine aktive Bürgerschaft, politischen Sachverstand und sprachkritisch fundierte gesellschaftliche Debatten angewiesen, um zu gesellschaftlicher Willensbildung und politischer Entscheidungsfindung zu kommen.

Das bürgerwissenschaftliche Projekt nimmt hier die Verantwortung der Wissenschaft für die Gesellschaft ernst und will den Austausch zwischen Bürgerschaft und Universität fördern. An der Schnittstelle zur Öffentlichkeit – in Kooperation mit der Stabstelle „Wissenschaft in der Stadt“, den Formaten „Mittwochsakademie“ und „Forum Siegen“, der Philosophischen Fakultät sowie drei Siegener Schulen – zielte das Projekt zugleich darauf, das sprachkritische Gespräch unter den Bürgerinnen und Bürgern über zentrale politische Konfliktfelder der Gegenwart zu moderieren und durch begriffliche Schärfung zu unterfüttern. Die Bevölkerung wurde dabei nicht nur als Objekt der Wissenschaft und Empfänger von Ergebnissen, sondern als gleichberechtigter Partner einbezogen und eingeladen, selbst kritisch über Populismus nachzudenken.

Erste Pilot- bzw. Teilstudien haben bereits im Rahmen der „Mittwochsakademie“, einem Transfer-Format der Universität Siegen, und in Lehrveranstaltungen des germanistischen Seminars stattgefunden. Im Frühjahr wird in einer weiteren Teilstudie an Siegener Schulen begonnen. Danach ist ein Workshop „Eine Stadt spricht über Populismus“ im Rahmen des Forum Siegen sowie eine interaktive Webpräsenz in Form eines Wikis geplant.

 
Projektteam:
Luisa Fischer, M.A.
Prof. Dr. Stephan Habscheid
Dr. Olaf Jann

 
Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema „Populismus und Kommunalpolitik“ wird seit 2021 fortgeführt in dem DFG-Projekt „‘Einer von uns' – Diskursive Konstruktionen, Medien der Partizipation und sprachliche Praktiken der Bürgermeisterkommunikation in der gegenwärtigen Krise politischer Repräsentation“ unter der Leitung von Stephan Habscheid und Friedemann Vogel im SFB 1472 „Transformationen des Populären“.
 
Literatur zur Einführung:
Habscheid, Stephan / Friedemann Vogel (2021): Eine Krise in der Krise: Corona-Krisenkommunikation von Bürgermeister*innen in Deutschland. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik. Heft 03, Jg. 51, September 2021. https://doi.org/10.1007/s41244-021-00208-0. 
 
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