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Zentrum zur Förderung der Hochschullehre
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Posts aus dem ZFH

KI im universitären Lehr- und Lernkontext - Potentiale und Gefahren

Ein Gespräch mit Jonas Leschke von der Ruhr-Universität Bochum

Im Vorfeld des vom ZFH angebotenen Zertifikatsworkshops „KI in der Lehre“ am 25. April 2024 hatte das Team Digitale Lehre die Gelegenheit, den Referenten Jonas Leschke von der Ruhr-Universität Bochum zu einem Gespräch einzuladen. Jonas Leschke ist seit 2023 Leiter der Stabsstelle für strategische Lehrprojekte am Zentrum für Wissenschaftsdidaktik der Universität Bochum, davor koordinierte er an der RUB die Projekte KI:edu.nrw und AIStudyBuddy.

Hinweis: Das Interview wurde per Videokonferenz geführt. Zur besseren Lesbarkeit wurde die schriftliche Version deutlich gekürzt und teilweise auch im Wortlaut – nicht jedoch im Sinn bzw. im Inhalt – verändert.



Wie beeinflusst KI-Software jetzt bereits die traditionellen Lehr- und Prüfungsmethoden an den Hochschulen? Es werden neue Anforderungen gestellt. Entsprechend müssen Lehrende neue Formen finden.

Leschke: Der Möglichkeitsraum des Lehrens und Lernens hat sich an den Hochschulen durch die freie Verfügbarkeit entsprechender Tools sehr verändert. Ich beobachte, dass die Hochschullehre nach der Coronazeit, in der sie große Aufmerksamkeit erfahren hat, jetzt durch generative KI wieder sehr in den Mittelpunkt gerückt ist. Ich sehe das aus dieser Perspektive sehr positiv, dass wir uns wieder viel mit Hochschullehre, hochschul- und prüfungsdidaktischen Fragen auseinandersetzen und überlegen, wie praktische Umgangsformen aussehen können. Ich möchte noch voranstellen: KI ist nicht gleich KI. Neben generativer KI, die Medien wie Texte, Bilder usw. produzieren, existieren natürlich auch andere KI-Systeme, wie zum Beispiel für die Lerndatenanalyse. Auch dort liegt ein erhebliches Potenzial für die Hochschullehre. Die technische Hürde ist hier erheblich höher als bei den verfügbaren generativen KI-Tools.

Aktuell sehe ich, dass generative KI die Hochschullehre dahingehend beeinflusst, dass wir im Zuge ihrer Umsetzung in der Lehrveranstaltung kritisch prüfen müssen, ob sie zu den zu erreichenden Lernzielen passen. Ich sehe allerdings nicht, dass klassische Lehrmethoden obsolet werden. Es wird sich zeigen, ob unsere bisherigen Angebote als Hochschullehrende weiterhin in den aktuell verfügbaren Möglichkeitsraum passen.

Ich glaube auch, dass wir ein großes Potenzial zur Individualisierung der Hochschullehre auch in großen Kohorten insbesondere durch generative KI haben, aber eben auch durch lerndatenanalysierende KI. Wichtig ist, dass alle betroffenen Personen dafür einen reflektierten Umgang erlernen. Das sind einerseits natürlich die Studierenden, die wissen müssen, wie man solche Tools einsetzt und wie die Ausgaben kritisch zu reflektieren sind. Auf der anderen Seite sind da auch die Lehrenden, die eben auch hier eine neue Technologie nutzen können, die sie so vielleicht noch nicht kennen. Lehrende müssen Expertise aufbauen, um mit den Tools reflektiert umgehen zu können.

An welcher Stelle ergäben sich für Studierende in diesem Zusammenhang weniger Probleme, generell generative Systeme im Rahmen des Erlaubten einzusetzen?

Leschke: Wir haben durch entsprechende Systeme eine unerschöpfliche Menge an Lerngelegenheiten, die Studierende durch entsprechende Prompts erzeugen können. Zu beachten ist, dass solche Systeme zunächst grundsätzlich keine perfekten Lernaufgaben ausgeben, da sie didaktische Modelle nicht systematisch verarbeiten, sondern eine didaktische Verarbeitung didaktischer Modelle suggerieren. Was sie aber tun, ist eigentlich nur eine statistische Wahrscheinlichkeit dieser didaktischen Modelle zu bestimmten Begriffen zu nutzen. Auch wenn dort Operatoren hervorragend in den Lernaufgaben verwendet werden, heißt dies keinesfalls, dass diese sinnvoll für den Lernstand oder das Lernziel der Lernenden passen. Sie sind erst einmal nur statistisch wahrscheinlich. Das birgt natürlich die Gefahr einer Überinterpretation der Qualität der Lernaufgaben.

Aus Prüfungsperspektive kann durch solche Systeme eine Individualisierung der Prüfungsaufgaben stattfinden, beispielsweise durch individuelle Anpassung des Kontextes oder Anpassung von Prüfungsaufgaben entsprechend der Aufgabenschwierigkeit. Hier geht es um einen Forschungsbereich, weil die Qualität der Prüfungsaufgaben noch nicht systematisch durch die Systeme gewährleistet werden kann. Vor hochschulweitem praktischen Einsatz ist noch erhebliche Entwicklungs- und Forschungsarbeit notwendig.

Aktuell sind die statistisch angenäherten ausgegebenen Ergebnisse noch nicht ausreichend, um in aktuelle Lehrszenarien eingebunden zu werden?

Leschke: Zumindest nicht unreflektiert. Die Lehrperson sollte in jedem Fall noch mal sehr kritisch prüfen, ob die Ergebnisse zu den Lehrveranstaltungszielen passen und die gewünschte didaktische Qualität gegeben ist.

Als etwas informierterer Laie kann man natürlich schon den Eindruck bekommen, dass die Antworten durchaus fundiert sind und von hoher Qualität sind.

Leschke: Das ergibt sich ja auch aus der Entwicklung dieser Tools, die im erheblichen Dokumentenfundus trainiert wurden. Und in diesen Fundus sind sehr wahrscheinlich auch Operatorlisten in Bezug auf verschiedene didaktische Modelle mit eingeflossen. Das heißt, wenn ich prompte: „Entwickle eine Lernaufgabe zum Thema XY für die Aufgabenschwierigkeit Z“, dann kann eine generative KI schon suggerieren, dass sie einen Operator für diese Lernstufe systematisch richtig einfügt. Das heißt aber nicht, dass dies dann didaktisch fundiert ist. Es wurde nur ein Operator gewählt, der zu dieser Stufe passt. Das didaktische Design muss jedoch vollständig geprüft werden.

Liegt das Problem darin, dass KI-Systeme ein gewisses Lernniveau nicht ermessen können, oder worin sehen Sie diesbzgl. aktuell die Probleme der KIs?

Leschke: Es gilt das Niveau abzuschätzen, welchen Kompetenz- oder Leistungsstand die Lernenden erreicht haben. Das funktioniert im Moment noch gut durch standardisierte Aufgabensets. Daher betreiben wir auch diverse Forschungsprojekte, die einfach “nur“ (das ist nicht wertend gemeint) Aufgabensets zu Themen entwickeln, um valide Kompetenzen und Wissen zu erfassen. Das Erfassen des Lernstandes ist aufwendig. Hier muss man wieder zwischen generativer KI und Lerndatenanalyse unterscheiden. Wenn wir über Lerndatenanalyse sprechen, dann kann man mit diesen standardisierten Aufgabensets ganz gut arbeiten und die KI ausgeben lassen, in welchem Bereich die lernende Person gut ist und in welchem nicht. Ob man dafür jetzt wirklich KI braucht oder einfach eine systematische statistische Auswertung, ist dann sicherlich die nächste Frage. Wenn man über generative KI spricht, gibt es keine systematische Analyse des Lehrstandes, sondern eine Überführung in eine Wahrscheinlichkeitsanalyse.

Ein anderes Beispiel macht es vielleicht deutlicher: Man kann eine Prüfungsaufgabe in eine generative KI einspeisen und dieser auch einen Erwartungshorizont mitgeben. Anschließend gibt man Lösungen für diese Aufgabe an und lässt diese bewerten. Daraufhin wird eine statistische Nähe zwischen dem Erwartungshorizont und der eingegebenen Aufgabenlösung ermittelt. Es wird aber nicht systematisch der Sachzusammenhang verglichen. Nicht Inhalt des Erwartungshorizonts und der Abgabe werden verglichen, sondern die eingegebenen Wörter. Hier geht es um eine Wortwahrscheinlichkeit und nicht um Inhalt des Erwartungshorizontes.

Es macht oft den Anschein, inhaltlich träfe alles zu.

Leschke: “Den Anschein machen“ beschreibt es sehr gut. An dieser Stelle müssen wir lernen, mit solchen Systemen umzugehen. Denn nur weil sie uns suggerieren, dass sie eine passende Lösung ausgeben, heißt das keinesfalls, dass diese Lösung auch wirklich gut ist.



Fortsetzung

 
 
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