Alumni Akademie 2014. Wege zur Nachhaltigkeit. Die internationale Zukunftswerkstatt
Vom 04.-12.09.2014 trafen sich 29 internationale Alumni an den Standorten Siegen und Alfter, um Projekte für nachhaltige Entwicklung gemeinsam zu erarbeiten und zu vertiefen. Die vom DAAD geförderte Alumni Akademie war auch in diesem Jahr ein Erfolg auf ganzer Linie.
Der kleine Gingkobaum auf dem Campus Hölderlinstraße fällt kaum einem Besucher der Universität Siegen auf. Schief, verkümmert und einsam sieht das karge Bäumchen aus. Vor gut einem Jahr pflanzten es die Teilnehmer der Alumni Summer School 2013, als Symbol für Nachhaltigkeit und Hoffnung. Leider wurde der junge Gingko, der bis zu 1000 Jahre alt werden kann, nach einigen Monaten von Vandalen einfach abgeknickt. „Man muss damit rechnen, dass man auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Welt auch auf Widerstände trifft“, konstatierte Prof. Dr. Mathias Wirths in seinem Eröffnungsvortrag zur diesjährigen Alumni Akademie, der internationalen Zukunftswerkstatt, die er wie auch bereits die Alumni Summer School im vergangenen Jahr gemeinsam mit Dr. Susanne Padberg als Zuständige für den Alumniverbund der Universität Siegen organisierte. „Es ist wichtig trotzdem den Mut und die Begeisterung nicht zu verlieren, denn wer den Gingkobaum genauer betrachtet, kann erkennen, dass er neue Triebe gebildet hat und sich langsam wieder erholt“.
Fokus auf Projekten
Insgesamt 29 Ehemalige der Universität Siegen und der in diesem Jahr erstmals über die Tätigkeit von Prof. Wirths im Department Architektur sowohl an der Universität Siegen wie auch an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft kooperierenden Alanus Hochschule in Alfter trafen sich vom 4. bis zum 12. September, um sich mit dem Thema „Projekte für eine nachhaltige Entwicklung“ gemeinsam zu beschäftigen. Genauso wie das zähe Pflänzchen beweist auch die Alumni Akademie Beständigkeit. Vorangegangen waren viele Anregungen während der Alumni Summer School im vergangenen Jahr. Dort wurde an jedem der zwölf Veranstaltungstage ein anderer Aspekt von Nachhaltigkeit zu den Schwerpunkten Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft beleuchtet und diskutiert. Neben dem Besuch von ortansässigen Industriebetrieben, gab es zahlreiche Expertenvorträge aus unterschiedlichen Fachbereichen sowie Einblicke über die Bedeutung von Nachhaltigkeit für die jeweiligen Herkunftsländer von Seiten der teilnehmenden Alumni.
Im Unterschied zur letztjährigen Veranstaltung wurde in
diesem Jahr nun ein anderer Schwerpunkt gesetzt. „Jeder der
Teilnehmer hat ein Projekt aus seinem Heimatland mitgebracht,
an dem er momentan arbeitet eine Projektidee für eine
nachhaltige Entwicklung, an der er arbeiten möchte“, erklärt
Organisatorin Susanne Padberg. „Unsere Ehemaligen sollen im
Rahmen ihrer Begegnung in der internationalen Zukunftswerkstatt
ausreichend Zeit haben diese Projekte weiterzuentwickeln.“
Schon lange beschreibt der Begriff Nachhaltigkeit nicht mehr
nur einen sich selbst regenerierenden Waldbestand, wie ihn
Carlowitz 1713 definierte. Heutzutage hat sich die Bedeutung
enorm erweitert. Diese breite Begriffsdefinition schlägt sich
auch in den unterschiedlichen wissenschaftlichen Hintergründen
des internationalen Teilnehmerfelds nieder. So sollte
Nachhaltigkeit nicht nur als ökologische Aufgabe verstanden
werden, sondern auch auf gesellschaftlicher und ökonomischer
Ebene. Daher waren neben Umweltexperten auch
Wirtschaftsspezialisten, Architekten, Ingenieure, Chemiker,
Physiker, Germanisten, Medienwissenschaftler und Pädagogen
anwesend.
Wege zur Nachhaltigkeit
Zu Anfang der „internationalen Zukunftswerkstatt“ stand
zunächst die Vorstellung der individuellen Projektideen jedes
Teilnehmers aus seinem jeweiligen kulturellen und beruflichen
oder persönlichen Umfeld im Fokus. Hier galt es, für die Alumni
möglich Anknüpfungspunkte zwischen den Projekten auszumachen.
Der nächste Schritt bestand aus der Bildung von Clustern, die
sich auf bestimmte Teilaspekte von Nachhaltigkeit
konzentrierten. Nach dem Prinzip „think pair share“ fand in
neugebildeten Teams die Hauptarbeit an den Projektideen statt.
„Ich hatte im Vorfeld große Zweifel, ob wir aufgrund der vielen
unterschiedlichen Disziplinen, Kulturen und Interessen
überhaupt zu Einigungen kommen könnten“, bekennt Diplom
Ingenieur Jorgé Enrique Rodriguez Arenas aus Kolumbien. „Doch
internationale Sorgen, wie der Mangel an Ressourcen,
nachhaltige Energieversorgung und der Wunsch nach besserer
Bildung vereinen uns. Die Arbeit im Cluster war daher sehr
fruchtbar.“
Weitere Anregungen und vor allem Praxiserfahrung brachte ein
Team von Experten, die ebenfalls Alumni der Universität Siegen
sind. Mara Mendes von Transparency International beschäftigt
sich besonders mit Kommunikation in Entwicklungsprozessen und
Korruptionsbekämpfung. Input im Bereich Solarenergie und
internationale Projektierung lieferte Maschinenbauer Steffen
Stiehl sowie José Ramirez, derzeit neben seinem Masterstudium
für die Sparkasse Siegen an nachhaltigen Unternehmenskonzepten
arbeitet.
Den Überblick über den Fortschritt und die Ergebnisse der
verschiedenen Gruppen hatte stets Kathrin Zirkel, erfahrene
Pädagogin, die die Gruppenarbeit moderierte und die Projekte
koordinierte.
Nachhaltigkeit: Eine internationale Herausforderung
Selbstverständlich brachte jeder Teilnehmer neben seinem
Fachwissen auch Erfahrungen aus seinem Heimatland und seiner
Kultur mit nach Siegen. „Es ist besonders wichtig, dass
Nachhaltigkeit international betrieben wird“, betonte auch
Kanzler Ulf Richter in seiner Willkommensrede. Jedes Land hat
eigene Vorgehensweisen um Probleme nachhaltig zu lösen. „Man
lernt viele andere Perspektiven kennen. Dieser Austausch
schafft nicht nur Inspiration, sondern auch Motivation mit dem
eigenen Projekt zu Hause weiterzumachen“, betont Chemiker und
Umweltanalytiker Dr. Cheick Moussa Ndiaye aus dem Senegal, der
inzwischen als Projektmanager für ein internationales
Beratungsunternehmen in den Ländern Westafrikas unterwegs ist.
Insgesamt 14 Projekte wurden aus der Vorstellung der
Projektideen entweder für die Weiterentwicklung einzelner oder
als neue gemeinsam aus der Zusammenführung definierte
festgelegt und weiter im Rahmen der internationalen
Zukunftswerkstatt bearbeitet. Projektkonzipierung und konkrete
Projektplanung für eine mögliche Umsetzung nach Abschluss der
Alumni Akademie – das war die gemeinsame Herausforderung.
Beispielhaft werden im Folgenden drei dieser 14 Projekte
vorgestellt.
Nachhaltig denken, nachhaltig handeln
„Der erste Schritt zur Nachhaltigkeit ist Bewusstsein
schaffen. Sie muss von innen herauskommen.“ Ganz im Sinne
dieser Aussage von Kanzler Ulf Richter ging es im ersten
Projekt, das hier vorgestellt werden soll, um eine
Sensibilisierung der Gesellschaft. Die Architektin Anna
Marchenko aus der Ukraine bildete eine Gruppe mit dem
Elektrotechniker Dr. Amr Saleh aus Ägypten, dem
Sprachwissenschaftler Dr. Assem El Ammary ebenfalls aus
Ägypten, der Stadtplanerin Marian El Achkar Machado aus
Brasilien und dem Umweltanalytiker Cheick Moussa Ndiaye aus dem
Senegal. Ziel ist es ein dauerhaftes Umdenken in der
Gesellschaft zu erreichen. Dies soll mit Hilfe von konkreten
Veranstaltungen, wie Informationsabenden und Mitmachprojekten
erreicht werden, die jedes Gruppenmitglied in seinem Heimatland
organisiert. Durch monatliche Online-Konferenzen bleibt die
internationale Gruppe in Kontakt. „Unser Vorhaben ist nicht
einfach. Wir müssen damit rechnen, dass ein grundlegendes
Umdenken der Bevölkerung Zeit braucht. Doch in kleinen
Schritten werden wir unserem Ziel näher kommen“, erläutert
Marchenko.
Für den Erhalt der regionalen kamerunischen Sprache Kenyang
setzen sich die Sprachwissenschaftlerin Dr. Vera Ebot Boulleys
aus Kamerun und die Anglistikerin Dr. Pamela Dube aus Südafrika
ein. In Kamerun existieren circa 250 verschiedene Sprachen. 14
von diesen Sprachen sind bereits ausgestorben und die
Kenyang-Sprache droht ein ähnliches Schicksal zu ereilen. Ziel
des Projekts ist die Gründung einer Gesellschaft zum Erhalt der
Sprache. Diese soll unabhängig von der Regierung finanziert
werden und den Menschen in den kleinen Dörfern Sprachunterricht
ermöglichen. Diese bottom-up-Methode der Sprachförderung soll
kulturelle Identität fördern und vor allem den Schulkindern zu
Unterricht in ihrer Muttersprache und somit besseren
Lernerfolgen verhelfen.
Für die Verbesserung der Lebenssituation von Kleinbauern setzen
sich die Mechatroniker Dilip Kumbham aus Indien und Duc Le Anh
aus Vietnam ein. Jährlich fallen rund 100 Millionen Tonnen
Reisschalen weltweit als Nebenprodukt bei der Reisernte an. Die
Reishülsen werden als Abfall betrachtet und meist komplett
verbrannt. „Dabei ist dieses Material so vielseitig
einsetzbar“, betont Le Anh. Da es eine hohe elektrische
Leitfähigkeit besitzt, eignet es sich für die Produktion von
Akkus und Energiespeichern. In Form von gepressten Briketts,
kann effektiv damit geheizt werden. „Außerdem dient es zur
Wasserfiltration und kann somit zahlreiche kleine Bauern mit
sauberem Trinkwasser versorgen.“
Projekte bis zur nächsten Alumni Akademie verfolgen
Um die geplanten Vorhaben bis zur Alumni Akademie 2015 nicht aus den Augen zu verlieren, soll ein zunächst leeres Buch die Fortschritte der einzelnen Teilnehmer und ihrer Projekte dokumentieren. „Es wird von Land zu Land geschickt und so allmählich mit den nachhaltigen Projekten unserer Teilnehmer gefüllt,“ erläutert Dr. Susanne Padberg. Ergänzend dazu wurde mit einem share point an der Universität Siegen eine digitale Plattform geschaffen, die nicht nur die Entwicklung der Projekte dokumentier, sondern das miteinander an den Projekte arbeiten über die Kontinente hinweg ermöglicht. Über diese interaktive Online-Plattform können die Teilnehmer der „Internationalen Zukunftswerkstatt“ Daten austauschen und über Foren mit Chatfunktion in Kontakt bleiben und ihre Projekte gemeinsam organisieren.
Trotz eines straffen und arbeitsintensiven Zeitplans, blieb
den Nachhaltigkeitsexperten genug Zeit, um sich auch persönlich
kennenzulernen. Eine gemeinsame Kanufahrt und ein
Kreativ-Workshop an der Alanus Hochschule in Alfter brachten
die Teilnehmer enger zusammen und ermöglichten die Bildung von
persönlichen sozialen Netzwerken. „Die Welt wird kleiner und
die Familie wird größer“, resümierte Dr. Susanne Padberg zum
Ende der Veranstaltung. Nun gilt es den Samenkörnern, die in
der ganzen Welt in Form von jungen Projekten gestreut wurden
beim Wachsen mit zu verfolgen, um im nächsten Jahr bei den
nächsten Zusammentreffen zur Internationalen Zukunftswerkstatt
an der Universität Siegen und an der Alanus Hochschule erste
Früchte der Arbeit ernten zu können.
Die Alumni Akademie mit ihrer internationalen Zukunftswerkstatt
wird ermöglicht durch die Förderung des DAAD Alumni-Programm,
finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
Christoph Ernst, Redaktion Alumni-Team
Mit unseren Angeboten zur Weiterbildung möchten wir die internationale Verständigung und den interkulturellen Austausch auf eine besondere Weise unterstützen. Das Projekt wird gefördert vom DAAD aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).