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Der Betrüger wird zum Betrogenen

Uni-Studiobühne feierte gelungene Premiere mit der feinen Komödie »Mandragola«

Presseresonanz vom: 21.11.2002
Erschienen in: Siegener Zeitung

bö Siegen. Liebe und Verlangen. Das bedeutet nicht nur Lust und Leidenschaft, sondern oft auch Frust, der Leiden schafft. Das war so, das ist so und wird sein, solange Menschen den blauen Planeten bevölkern. In Florenz wie in Niederholzklau. Zugegeben, einige Jährchen hat sie auf dem Buckel, die »Mandragola« des Italieners Niccol#98 Machiavelli (1469 bis 1527), seines Zeichens Staatsmann, Geschichtsschreiber und Kulturkritiker. Aber der Plot ist so gelungen, so feingestrickt, dass er auch ein halbes Jahrtausend später noch überzeugt. Mögen die Ansichten in Sachen Sitte und Anstand auch liberaler geworden sein, ein Ehemann, der seiner Frau selbst den Liebhaber ins Federbettchen legt, wäre heute noch - und das nicht nur im Siegerland - für manch erhobenen Zeigefinger und viel Gespött gut. Der Betrüger wird zum Betrogenen, der Intrigant stolpert in seine eigene Falle. Das Positive an der verwickelten, witzigen und unterhaltsamen Love-Story? Die Liebe siegt über die Moral. 1:0 für die Leidenschaft! 2:0 für die Schadenfreude.

»Ausgegraben« hat die »Mandragola«, die als die erfolgreichste Charakter- und Sittenkomödie der italienischen Renaissance gilt, der Siegener Germanist Dr. Jürgen Kühnel. Der Motor der Uni-Studiobühne, seit 1980 bei mehr als 30 Inszenierungen als Schauspieler oder Regisseur dabei, hat es aber nicht bei der archäologischen Tätigkeit belassen, sondern das Stück mit seinem studentischen Ensemble auf die Bühne des Lÿz-Theaterchens gebracht. Zur Freude des Publikums, denn das kam bei der Premiere am Dienstag sichtlich voll auf seine Kosten. Das spielfreudige Ensemble unter der Regie von Jürgen Kühnel und alle Helfer vor und hinter den Kulissen haben ein feines Komödienpaket geschnürt. Ein besonderer Clou ist es natürlich, den gut abgehangenen Stoff in das Florenz unserer Tage zu verlegen. Statt der Laute lärmt der Ghetto-Blaster, geheime Botschaften werden nicht per Brieftaube (oder wie das damals sonst geschah), sondern per Handy übermittelt oder ins Laptop getippt. Die Zeiten ändern sich, die Menschen nicht.

»Mandragola«, das für die geheimnisvolle Pflanze Alraune oder Mandragola, im Programmheft Viagra des 16. Jahrhunderts genannt, steht, bedeutete im Italienischen schnell auch »Betrug« oder »Schwindel«. Aus der Story um den impotenten und wesentlich älteren Gatten Nicia der jungen Lucrezia macht die Studiobühne, wie es bei ihr Tradition hat, niveauvolles literarisches Theater. Schließlich strotzt der Text (Übersetzung Paul Heyse) vor versteckten Anspielungen und satirischen Seitenhieben. Vor allem die Kirche - da können die Glocken noch so laut klingen - bekommt ihr Fett weg. Aber auch wer an den Jungbrunnen aus mysteriösem Pflanzengebräu oder Chemielabors glaubt, muss erkennen, dass er wohl nur Bauernfängern auf den Leim geht. Obwohl, weiß man es so genau...?

Verschworen haben sich letztlich alle gegen ihn, den - zugegeben - recht einfältigen Nicia, den Christian Neuhaus überzeugend auf die Bühne bringt. Gebückt schlurfend, am Tisch in sich zusammengesunken seine Taler zählend, sondert er mit nervig-schriller Stimme Unsinn ab, lässt sich vom pseudo-intellektuellen Geschwafel des vermeintlichen Dottore blenden. Seine Unaufrichtigkeit gegenüber dem eigenen Versagen bei der Erfüllung der ehelichen Pflichten ermöglicht dem sich nach Lucrezia (Barbara Kordes bei der Premiere, die Rolle ist mit Barbara Lamberty doppelt besetzt) verzehrenden Callimaco (Thomas Matena) unterstützt von seinem treuen Diener Siro (Nico Battistini) und dem im Zwielicht die Fäden ziehenden Ligurio (Tim Krieger) die erfolgreiche Attacke auf die unbescholtene, aber final überaus zufriedene Frau. Nicht zuletzt dank des - nicht gerade preiswerten - Engagements von Fra Timoteo (Robert Woernle als pointiert agierender Geistlicher). Zu dem sehr organisch agierenden Ensemble gehören außerdem Anne-Kathrin Schulte als Sostrata und Dörte Barsch als Frau mit ausgeprägtem Hang zu kuttentragenden Männern. Wenn sie und der heilige Bruder zu balzen beginnen, kann man sich vorstellen, wie die katholische Geistlichkeit reagiert hat. Bestimmt nicht amused.

Amüsieren kann sich allerdings das Publikum über ein geschickt komponiertes Stück und gute Darsteller, die oft auch mit kleinen Gesten viel sagen. Die »Mandragola« ist kein Schenkelklopfer, sondern eine Inszenierung mit feinem Humor. Beste Unterhaltung wird geboten, bei der die kleinen grauen Zellen nicht ausgeschaltet werden dürfen. Weitere Aufführungen im Kleinen Theater Lÿz, jeweils um 20 Uhr: 25., 26. und 27. November, 3. und 4. Dezember.

 
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