Technikbegeisterung und »soft skills«
Alumni-Forum von Elektrotechnik und Informatik / Studium früh mit Praxis verschränken
Presseresonanz vom: 21.11.2006
Erschienen in: Siegener Zeitung
Rö Siegen. »Stell dir vor, die Menschheit ist von lauter
Technik umgeben, aber die Hochtechnologie kommt nicht mehr aus
Deutschland.« Diese heimliche Angst ist bei Vertretern aus
Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gleichermaßen zu
vernehmen. Gerade kann man im Internet beim Verband der
Deutschen Ingenieure (VDI) nachlesen, dass derzeit rund 15 000
Ingenieure in Deutschland fehlten, davon 11 500 allein in
mittelständischen Unternehmen. Laut VDI wird der derzeitige
Ingenieurmangel sogar als Investitionsbremse Nr. 1 in
Deutschland gewertet.
Andererseits suchen angeblich rund 60 000 vorwiegend ältere
Ingenieure einen Arbeitsplatz. Wie geht das zusammen?
Einerseits suchen nach wie vor viele Betriebe in der hiesigen
Region junge Ingenieure. Andererseits muss sich die Universität
verstärkt im Verbund mit Schulen und Unternehmen der Region um
wieder steigende Erstsemesterzahlen in dieser nicht
unbedeutenden Ausbildungsrichtung bemühen. Außerdem hat es sich
längst herumgesprochen, dass auch in den heimischen
Maschinenanlagebaubetrieben u. ä. neben Maschinenbauingenieuren
zunehmend Elektrotechniker und Informatiker gebraucht werden.
Deshalb fand jetzt im Artur-Woll-Haus der Uni Siegen unter der
Überschrift »Elektrotechnik trifft Informatik
Ingenieurausbildung, quo vadis?« das erste Alumni-Forum des
Alumni-Vereins des Fachbereichs 12 (Elektrotechnik und
Informatik) statt. Mit dabei Klaus Gräbener von der IHK Siegen.
Unter der Regie von Prof. Dr.-Ing. Günter Schröder gaben
ehemalige Absolventen und andere Fachleute aus der Praxis
Studierenden und Ehemaligen Einblicke in ihr derzeit aktuelles
Tätigkeitsfeld. Dabei reflektierten sie ihre Ausbildung und
erworbenen Fähigkeiten, die sie im Beruf einsetzen müssen.
Die Organisatoren des Alumni-Forums hatten die Veranstaltung in
zwei Themenbereiche aufgeteilt. Im ersten, an dem auch Prof.
Dr. Armin John von der Unico Germany in Wilnsdorf teilnahm,
ging es um Berufsbilder und Ausbildungswege von
Elektrotechnikingenieuren und Informatikern. Einer von Johns
zentralen Tipps lautete, dass sich ein Ingenieur- oder
Informatikstudium ohne Interesse an technischen Vorgängen von
kleinauf wohl ziemlich bald als »Flop« erweisen werde. Ohne
eine gewisse Technikbegeisterung sei man z. B. für den Beruf
des Automatisierers fehl am Platz.
John wies auch darauf hin, dass für den Ingenieurberuf die
Bereitschaft zum lebenslangen Lernen und zu einer gewissen
Mobilität unverzichtbare Voraussetzungen bildeten. Dies
bestätigte auch Dipl.-Ing. Martin Rossmann von Rittal
(Herborn). Von einem ausgebildeten Ingenieur müsse man erwarten
könne, dass er von sich aus an den neuen Entwicklungen am Ball
bleibe, so Rossmann. John nannte die Fähigkeit zum Autodidakten
als das Wesensmerkmal des Ingenieurs.
Doch anderes ist ebenfalls wichtig. »Soft skills« lautet das
Zauberwort, was derzeit auch in Ingenieur- und
Informatikerkreisen zunehmend an Bedeutung gewinnt: Schauen
über den »Tellerrand«, Beherrschung der englischen
(Fach-)Sprache sind neben Motivation, Disziplin, Flexibilität,
Selbstständigkeit und Teamfähigkeit zu unverzichtbaren
Voraussetzungen geworden. An der heimischen Uni trägt man
diesen Anforderungen an zukünftige Ingenieure Rechnung, indem
im Rahmen des neuen Bachelor-Studienganges Qualifikationen wie
Projektmanagement, Teamarbeit, Präsentationstechniken, das
Schreiben von technischen Berichten, technisches Englisch etc.
gelehrt werden.
Weitere Anforderungen an den Ingenieur der Zukunft fasste
Martin Rossmann zusammen. Seine Schlagworte lauteten: steigende
Komplexität der Produkte und Dienstleistungen, kürzere
Produktentwicklungszyklen, Entwicklung globaler Produkte,
interdisziplinäre Entwicklungsteams, Vernetzung mit Instituten
und Universitäten sowie ganzheitliche, innovative und
nachhaltige Lösungen entlang der Produktwertschöpfungskette.
Im zweiten Teil des Alumni-Forums ging es um Chancen und
Perspektiven auf dem nationalen und internationalen Markt.
Haupttenor: Wer auf der beruflichen Karriereleiter vorwärts
kommen will, für den sind befristete Auslandsaufenthalte
unumgänglich. Sie geben den jungen Ingenieuren und
Informatikern vor allem Einblick in die Herangehensweise
anderer Länder und andere Wertigkeiten. Und mit einem solchen
Erfahrungsschatz in der Tasche ist man natürlich auch bei den
heimischen Betrieben gerne gesehen.
Zum Beispiel Dipl.-Ing. Ercan Tüylü von Achenbach Buschhütten.
Seine vielfältigen Erfahrungen als Elektrotechnikingenieur
werden auch in den Achenbacher Entwicklungsabteilungen gern
genutzt. Sein Rat an die Ingenieure von morgen: So früh wie
möglich erste Kontakte zur Wirtschaft zu knüpfen. Wer dabei
seine Sache gut mache, der habe schon viele Pluspunkte für eine
kommende Bewerbung gewonnen.