Jessica Schmitt
„Soziale Arbeit kann man nicht lernen. Du musst dafür gemacht sein!“
In Deutschland sind laut dem statistischen Bundesamt 24% der Kinder und Jugendlichen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Dass diese Kinder und Jugendlichen nicht nur viel Unterstützung sondern auch viel Fürsorge brauchen, weiß vermutlich keine besser als Jessica Schmitt. Die Sozialpädagogin begleitet seit März 2023 Jugendliche in einer Berufsausbildung. Ihre berufliche Entscheidung bereut sie bis heute nicht.
Aus einem kleinen Dörfchen in Rheinland-Pfalz, begibt sich die damals 19-jährige Jessica Schmitt für das Studium, in eine kleine Stadt namens Siegen. Ein anderer Grund dafür, ist die fehlende Infrastruktur in ihrem Dorf. Sie erinnert sich: „Der Jugendtreff war bei uns der einzige Ort, wo wir uns mit Freunden getroffen haben“. Schnell entwickelt sich aus den vergnügenbasierten Treffen, ein lebenslanges Amt. Die Sozialarbeiterin hilft damals auf Anfrage bei der Leitung einer Kindergruppe und ist begeistert. Es ist die Geburtsstunde ihrer Berufung. Denn von dem Augenblick an ist ihr klar: Sie will pädagogisch arbeiten.
Zurzeit betreut die 27-jährige,
die bei einem Bildungsträger angestellt ist, sozial
benachteiligte Jugendliche, die sie in den Arbeitsmarkt
vermittelt. Einfach sei der Job nicht. Schmitt kümmert sich in
dem umfangreichen Ausbildungsprojekt nämlich um 15
Auszubildende, die nicht unterschiedlicher sein können.
„Soziale Arbeit ist hochgradig individuell“, betont sie. Zum
einen sind es Jugendliche, die an der Armutsgrenze leben, zum
anderen Teenager, die schulisch schwach sind. Sie suche für
diese den passenden Kooperationsbetrieb, organisiere den
Nachhilfeunterricht und halte Kontakt zu den Lehrern in den
Berufschulen. Ihr Tätigkeitsfeld reiche von Verwaltungsaufgaben
wie Ausbildungsverträge bis hin zu sozialpädagogischem
Unterricht. Was genau die Azubis in dem pädagogischen
Unterricht lernen, erklärt sie ganz simpel: „Das was man in der
Schule nicht lernt“. Sie lernen, wie man mit Vorgesetzten
kommuniziert, erfahren über die gesellschaftlichen Do's &
Dont's und bekommen verschiedene Methoden zur
Konfliktbewältigung.
Auf die Frage, was ihr an der Arbeit mit den Jugendlichen am
meisten Spaß mache, antwortet Schmitt, dass es schön für sie zu sehen sei, wenn Teilnehmer ihre Ratschläge annehmen und
Fortschritte machen. Eine Eigenschaft versucht die selbstichere
Pädagogin dabei ganz besonders den Jugendlichen nahe zu
bringen: Nämlich für sich selbst einzustehen. „Ich kann
Jugendliche dabei unterstützen, für sich einzustehen“. Ihr Ziel
ist es so, das Selbstbewusstsein der Jugendlichen zu stärken
und zu fördern.
Die Hobbysängerin bemerkt bereits im Alter von 16, dass ihr die
Arbeit mit Menschen, aber allem voran Kindern und Jugendlichen
viel Freude bereitet und ist sich seitdem sicher: „Soziale
Arbeit kann man nicht lernen. Du musst dafür gemacht sein.“ Wer
in dem Beruf aufgehen und den Menschen wirklich helfen will,
müsse die entsprechenden Charaktereigenschaften wie
Empathiefähigkeit, Toleranz und Offenheit mitbringen.
Die geborene Pädagogin
Während des Studiums weiß Jessica Schmitt noch nicht, in welchem Bereich der Sozialen Arbeit sie mal tätig sein wird. „Das weiß ich im Endeffekt noch jetzt nicht“, erzählt sie lachend. Weil es sehr viele Möglichkeiten gebe. Gerade in der sozialen Arbeit. „Man kann in der sozialen Arbeit in jedes Berufsfeld gehen, ob ich mit Strafgefangenen arbeite, oder Obdachlosen, Auszubildenden, Kindern, mit Menschen mit psychischen Erkrankungen“. Genau diese Vielschichtigkeit sei das, was die engagierte Sozialpädagogin so reizt. Zu wissen, dass sie nicht ihr Leben lang denselben Beruf ausüben müsse, beruhigt sie:„ Ich bin so flexibel zu sagen, nach 5, 10, oder 20 Jahren kann ich was Neues machen“. Nicht immer war Schmitt von dieser enormen Auswahlmöglichkeit begeistert. Zu wissen, dass ihr so viele Möglichkeiten offen stehen, habe sie anfangs etwas überfordert. Sie entscheidet sich nach dem Studium offen und flexibel für alle Tätigkeiten zu sein, die sich ihr bieten. Nach kurzer Zeit stellt sie ernüchternd fest, dass viele Jobs bei der Sozialen Arbeit in Teilzeit angeboten werden. Für Schmitt ist das allerdings keine Option: „Für mich war klar, ich möchte Vollzeitarbeiten und ich möchte nicht in den Schicht oder Wochenenddienst“. Diese Eingrenzungen limitieren Schmitts Möglichkeiten, einen Job zu finden, der zu ihr passt. Sie beschließt also als Teilhabeassistentin in einer Grundschule zu arbeiten. Denn schon ihr Freiwilliges Soziales Jahr habe sie in einer Grundschule absolviert. „Das war voll mein Ding“. Kinder bei der Nachmittags und Hausaufgabenbetreuung zu unterstützten und eigene AGs anzubieten, habe sie damals sehr erfüllt.
„Ich habe nie an meiner Studienwahl gezweifelt“
Als Integrationshelferin begleitet sie acht Monate lang einen autistischen Schüler und steht ihm im Schulalltag zur Seite. Schmitt weicht ihm den ganzen Tag nicht von der Seite und drückt gewissermaßen selbst die Schulbank. Sogar in den Pausen und im Sportunterricht muss sie dabei sein. Schmunzelnd gibt sie zu: „Ich war wie ein Schatten, der permanent dabei ist und interveniert“. Leicht, sei das nicht gewesen. Es habe lange gedauert, um zu ihm durchzudringen. Sie nutzt ihre empathische Art und sucht nach Gemeinsamkeiten, bis sie schließlich rausfindet, dass sie beide ein Herz für Tiere haben. So gelingt es ihr das Eis zu brechen. Auch habe sie in ihrem aktuellen Job die Erfahrung gemacht, dass sie durch ihre Nahbarkeit, viel eher zu den Jugendlichen durchdringen kann.
Das Studium der Sozialen Arbeit liegt nun ganze zwei Jahre
hinter ihr. Trotzdem erinnert sich Schmitt gerne an ihre Zeit
an der Uni Siegen: „Das Studium, war für mich einfach ein
Gefühl von Freiheit“, sagt sie zufrieden. Dass sie autonom war
und für sich selbst sorgen musste, habe ihr
Verantwortungsbewusstsein nochmals verstärkt.
Natürlich ist Schmitt auch während ihrer Studienzeit
ehrenamtlich tätig. Sie hilft beim Heimrat an der Uni aus. Eine
ehrenamtliche Arbeit macht ihr aber ganz besonders Spaß. Es ist
die Arbeit bei RaBauKi, einem Abenteuerspielplatz für Kinder.
Sie hilft damals beim großen, alljährlichen Sommerprojekt das
schon fast Festival-Charakter habe mit. Sie bauen eine Woche
lang alles auf und übernachten auch vor Ort in Zelten. Schmitt
schwelgt in Nostalgie: „Tagsüber hat man die Kinder da gehabt
und abends hat man im Team noch zusammen am Feuer gesessen.
Dieses Beisammensein und diesen Teamcharakter fand ich sehr
schön“. Nicht nur die Kinder konnten sich an dem
Abenteuerspielplatz kreativ austoben, in dem sie Hütten und
Wasserrutschen bauen und Zeitungsartikel schreiben, genauso
konnten die ehrenamtlichen Helfer ihrer Kreativität freien Lauf
lassen. „Man hat sich in seiner Arbeit wirklich frei gefühlt“.
Diese Freiheit vermisse sie in ihrem jetzigen Job. Das
Ausbildungsprojekt sei an viele bürokratische Prozesse
verknüpft und bremsen sie in ihrer pädagogischen Arbeit aus.
Die dynamische Sozialarbeiterin bemerkt dadurch immer mehr,
dass ihr Beruf sie auch viel Kraft kostet.“Wenn ich nach Hause
komme, dann merke ich, dass meine soziale Batterie aufgebraucht
ist“, gesteht sie. Dass der Beruf der Sozialpädagogin deutlich
anstrengender sei, als man meint, verstehe Schmitt jetzt.
Diesen Beruf dürfe man daher auf keinen Fall unterschätzen.
Dennoch gibt sie reflektierend zu: „Ich habe nie an meiner
Studienwahl gezweifelt“. So sei es jetzt auch für sie an der
Zeit, einen neuen beruflichen Weg einzuschlagen.
Am liebsten möchte die hilfsbereite Pädagogin wie damals bei RaBauKi aktiv sein und ihre dynamische Art aufleben lassen. „Ich möchte dieses freie, aktive Arbeiten wiederfinden, betont sie ihr hoffnungsvoll. Womöglich wird sie das auch. Denn ab dem 01.01.2025 beschreitet sie einen neuen beruflichen Weg. Im Ambulant betreuten Wohnen, dürfen sich ab Neujahr, Erwachsene mit psychischen Einschränkungen an ihrem einfühlsamen und ihrem sonnigen Gemüt erfreuen. Schmitt ist schon ganz neugierig darauf, was sie in ihrem neuen Job erwartet. Auch bleibt so ihre Hoffnung bestehen, dass sie durch die Tätigkeit der Alltagsbegleitung wieder aufblüht und ihr lebhaftes Ich wiedererlangt.
Den einen oder anderen unerfüllten Traum habe sie aber immer noch. „Mein Traum war und ist es, in der Schulsozialarbeit zu arbeiten, aber das ist auch ein Halbtagsjob, der selten in Vollzeit angeboten wird“. Ein weiterer Traum, den sie schon lange hegt, sei die tiergestützte Sozialarbeit mit Hunden. Schmitt ist davon überzeugt, dass Hunde die Beziehungsarbeit zu Menschen um einiges erleichern kann. Denn Tiere spenden Trost, was den meisten von uns fehlt.
Dieses Porträt basiert auf einem Interview mit Jessica Schmitt und wurde von Duygu Cicek geführt und verfasst.