Matthias Leidig
Auf den ersten Blick hat die Arbeit bei einer renommierten
Softwareentwicklungsfirma nicht viel mit einem
Politikwissenschaftsstudium zu tun. Alumnus Matthias Leidig hat
sich auch nicht träumen lassen, einmal in der IT-Beratung zu
arbeiten. Doch seit nunmehr zehn Jahren dreht sich seine
berufliche Welt um die Bestimmung und Lösung der „IT-Probleme“
innerhalb der Unternehmen dieser Welt. In einem Rohbau in einem
Außenbezirk von Köln treffe ich Alumnus Matthias Leidig. Die
Baustelle ist bisher nur die Fassade von dem, was einmal das
Rechenzentrum des Hausärtzlichen Verbandes (HäVB) werden soll.
Hier nun, zwischen nackten Büros, Konferenzräumen, Kaffee-Ecken
und Kilometern von Kabeln spielt sich der augenblickliche
Arbeitsalltag von Matthias Leidig ab. Er soll als Mitarbeiter
der Softwareentwicklungsfirma PTA die notwendigen Programme
erstellen und Abläufe definieren und so die Grundlage für den
gesamten späteren Arbeitsprozess legen, für den dieses Gebäude
errichtet wird.
Nicht geradeaus, aber immer auf Kurs
Dass ihn sein beruflicher Werdegang einmal in diese Richtung verschlagen würde, damit hat Matthias Leidig selbst nicht gerechnet. Er absolvierte von 1992/1993 bis 1999 an der Universität Siegen ein Magisterstudium mit dem Hauptfach Politikwissenschaft. Dazu gehörte ebenso Anglistik, Englische Literaturwissenschaft und Informatik in den Geistes- und Sozialwissenschaften in den Nebenfächern. „Dies war ein Modellstudiengang, in dem Inhalte der Informatik zur Verwendungen innerhalb der Geistes- und Sozialwissenschaften vermittelt werden sollten“, so Matthias Leidig.
Gesellschaft verstehen
Sein übergeordnetes Ziel sei zu dieser Zeit das Studium der Politikwissenschaften gewesen. Auf die Frage, warum ausgerechnet Politikwissenschaften, ist seine Antwort ebenso simple wie einleuchtend: „Wenn man das Ziel hat herauszufinden, wie die Dinge in der Gesellschaft funktionieren, warum die Gesellschaft an sich funktioniert oder eben auch nicht, kommt man an der Politikwissenschaft nicht vorbei.“ Sein Berufsziel sei damals etwas blauäugig das des forschenden Professors gewesen und dessen akademische Freiheiten und wirtschaftliche Unabhängigkeit, erzählt er mir mit einem sympathischen Lachen.
Als interessierter und damals auch noch aktiver politischer
Mensch beteiligte sich Matthias Leidig an den großen
studentischen Protesten 1995/96, die von dem damals linken ASTA
organisiert wurden. Doch die völlig unpragmatischen Forderungen
seiner Kommilitonen und deren Weigerung „über ihren eigenen
Schatten zu springen“ veranlassten ihn, von den Protesten
Abstand zu nehmen. „Sie waren selbst in der Studentenschaft
nicht mehr ernst zu nehmen, was einen Großteil des Enthusiasmus
zunichte gemacht hat.“ Diese prägenden Ereignisse und der enge
Austausch mit dem „Mittelbau“, den wissenschaftlichen
Mitarbeitern in Fachbereich und Lehrstuhl, zur Frage nach den
Möglichkeiten und Risiken eine Professur anzustreben, brachten
Matthias Leidig schließlich dazu, sein Studium abzuschließen
und sich in außerhalb der Universität neu zu orientieren.
Hierbei habe ihm auch der Studienstandort Siegen geholfen, bei
dem die Nähe zu den Dozenten und der Austausch zwischen
Lehrenden und den Studenten eine große Hilfe sein kann.
Prozesse begleiten: vom Problem zur Lösung
Über die Kombination mit seinen Nebenfächern landete Matthias Leidig schließlich in der IT-Branche. Zu der Zeit seines Abschlusses 1999 herrschte aufgrund des großen IT-Booms und dem beginnenden Siegeszuges des Internet ein erheblicher Mangel an Informatikern. In der PTA fand Alumnus Matthias Leidig schnell einen Arbeitgeber, der sich mehr oder weniger auf Quereinsteiger in diesem Bereich spezialisiert hat. Seine und die Arbeit vieler anderer Mitarbeiter aus verschiedensten Bereichen wie beispielsweise den Sozial- oder Gesellschaftswissenschaften, besteht darin, einem Kunden aus dem jeweiligen Bereich eine auf ihn speziell zugeschnittene Software zu entwickeln. „Ähnlich einem Schneider, der jedem seiner Kunden individuell einen Anzug auf den Leib schneidert.“ Der große Vorteil ist dabei, dass es den Mitarbeitern so wesentlich leichter fällt die Probleme zu erkennen und sie mit adäquaten Lösungen zu beseitigen. Dieser Aspekt gefiel Matthias Leidig von Anfang an an seinem Beruf. „Am Anfang des Prozesses steht ein Problem und am Ende im besten Falle die vollständige Lösung aber immer ein Ergebnis, das anderen Menschen hilft.“
Offen für neue Wege
Die Herstellung eines eigenen Produktes, das von Nutzen für
andere Menschen ist, ist einer der Hauptgründe warum Matthias
Leidig seit nunmehr zehn Jahren im Bereich Softwareentwicklung
tätig ist. Aber es seien auch noch andere Vorteile wie der
größere individuelle Spielraum bei der Festlegung der
Arbeitszeiten oder der Kleidung, die seinen Beruf auch heute
noch attraktiv für ihn machen, erklärt er mir augenzwinkernd.
Aus seinem Studium habe er bis heute die Informatik und die
Anglistik verwenden können, doch die Politikwissenschaft eher
weniger. Und auch wenn bei Ihm langsam der Wunsch nach
Kontinuität wachsen würde, weil man niemals wüsste, an welchen
Ort einen der nächste Auftrag führt, so habe er doch eine Sache
aus seinem Lebensweg gelernt und zwar, dass man nicht alles
planen kann und sollte. „Auch bei dem Druck, der heute auf den
Studenten lastet, sollte jeder den Mut dazu aufbringen, das zu
tun was ihm Spaß macht und dieses Ziel mit Leidenschaft zu
verfolgen. Die Offenheit den daraus resultieren Konsequenzen
gegenüber entscheidet dann über das eigene Glück.“
Der Artikel wurde verfasst von Jan Lübke auf der Grundlage
eines Interviews mit Matthias Leidig.