Jochen Manderbach
Jochen Manderbach begann 1979 Germanistik, Geschichte und Evangelische Theologie an der Universität Siegen zu studieren. Mit seiner Begeisterung zum Medium Film und glücklichen Zufällen mit Bekanntschaften in der Kino-Branche wurde er nach seinem Magisterabschluss Inhaber und Leiter des "Viktoria Kinos" in Hilchenbach/Dahlbruch - dem einzigen Filmkunst- und Programmkino in ganz Südwestfalen.
Kinosaal statt Klassenzimmer
Schon frühzeitig wusste Jochen Manderbach in seinem
Germanistik-Studium, dass er nach der Uni kein Lehrer werden
würde. Er genoss das Studium in Siegen in vollen Zügen und
nutzte die Vorteile der alten Studienordnung aus, indem er
Fächer aus anderen Fachbereichen frei wählen konnte. Somit
belegte er Kurse der Film- und Medienwissenschaft, um seiner
Leidenschaft zum Medium Film nachzugehen und diese mit
theoretischem Wissen zu verknüpfen. Freie Vorlesungszeiten oder
Freistunden verbrachte er so oft wie möglich in
Kinovorstellungen und schrieb örtliche Filmkritiken und
Rezensionen für die „Westfälische Rundschau“ in Siegen und das
damalige Siegener Stadtmagazin „Der tipp“.
Aber auch hinter der Kamera war Jochen Manderbach während
seiner Studienzeiten erfolgreich: Im Rahmen eines Seminars
drehte er 1986 mit Kommilitonen einen Kurzfilm: „Jenseits von
Casablanca“. Die liebevoll ausgestattete Hommage an alte
Hollywood-Klassiker wurde beim 1. Siegener Amateurfilmfestival
mit dem 1. Preis, der „Goldenen Linse“, ausgezeichnet. Die
Schlussszene des 20-minütige Streifens wurde im Viktoria- Kino
gedreht. „Jenseits von Casablanca“ handelt von einem
Kinogänger, der in die Handlung des Films im wahren Wortsinn
„eingesogen“ wird und verschiedene Rollen annimmt. In seiner
Magisterarbeit beschäftige sich Manderbach 1987 ebenfalls mit
dem Thema Film. Es war die erste deutschsprachige,
wissenschaftliche Arbeit, die sich mit dem Thema „Remakes“
befasste.
Seine Überlegungen, als Journalist zu arbeiten, stellte er
zurück, als er auf eine zufällige Bekanntschaft stieß, die ihm
die „Tür zum Kino“ öffnete: „Während des Studiums lernte ich
Herrn Felix Fischer, den ehemaligen Leiter des Viktoria Kinos
in Hilchenbach/Dahlbruch kennen und -wie der Zufall so wollte –
plante er in Ruhestand zu gehen und bot mir an, sein Nachfolger
zu werden.“ 1991 übernahmen Manderbach und sein Kompagnon
Carsten Gülker, den er schon aus Unizeiten kannte, gemeinsam
die Leitung des Viktoria Filmtheaters.
Bald darauf begann Manderbach eine Ausbildung zum Film- und
Theaterkaufmann im Auftrag der Filmstiftung NRW. Er nahm am
ersten Lehrgang in Wuppertal teil und schloss seine Ausbildung
1995 erfolgreich ab.
„Es gibt keine alten oder neuen Filme. Es gibt nur Filme, die man kennt oder nicht kennt!“
Das Viktoria
Filmtheater zeichnet sich durch seine Einzigartigkeit als
Filmkunst- und Programmkino in ganz Südwestfalen aus. Es
besitzt nur einen großen Kinosaal, in dem „jeder Film
präsentiert wird, als sei es der größte und beste Film der
Welt“, beschreibt es Jochen Manderbach. Die 50 m Leinwandfläche
mit rotem Vorhang und die 370 Plätze erzeugen beim Zuschauer
ein wahres Kino-Feeling. Neben wenigen klassischen Hollywood
Blockbustern werden hauptsächlich europäische Filme
präsentiert: „Das Land ist eigentlich egal. Der Film muss
einfach gut sein.“, so der Western- Liebhaber über die
Filmauswahl. Jährlich werden rund 200 Filme vorgeführt.
In den 1990er Jahren gab es im Viktoria-Kino noch sogenannte
„Themenwochen“, die entweder einem Regisseur oder einem Genre
gewidmet wurden. Legendär waren die „Blues Brothers“-
Vorstellung, bei denen zu jeder Tages- und Nachtzeit der
Kinosaal bis zum letzten Platz gefüllt war. Heute zeichnet sich
das Kino durch seine so genannten „Langläufer“ aus: Filme, die
schon auf DVD erschienen sind, aber trotzdem noch im Kino
präsentiert werden (bspw. „Ziemlich beste Freunde“ von Olivier
Nakache und Éric Toledano).
Ausgezeichnet mit dem Kinoprogrammpreis NRW der Film- und Medienstiftung
Jochen Manderbach
wird für das herausragende Filmprogramm seines Viktoria Kinos
schon seit über 20 Jahren ausgezeichnet. 2012 überreichten bei
der 22. Verleihung des Kinoprogrammpreises der Filmstiftung NRW
die beiden Schauspielerinnen Hannah Herzsprung und Henriette
Confurius als Paten die Urkunde an den Dahlbruch
Kinobesitzer. Besonders für sein „Kinderkino“- Programm
wurde Manderbach hoch gelobt. Neue, animierte Kinderfilme sowie
Klassiker wie „Pippi Langstrumpf“ stehen auf der
Vorführungsliste. Außerdem wurde das Kino vom
Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM), Herrn
Staatsminister Bernd Neumann, mit einer Prämie ausgezeichnet -
ebenfalls für das gute Kinder- und Jugendfilmprogramm.
Die Kinomagie
Neben verschiedenen Filmreihen findet
im Viktoria- Kino auch ein kleines Filmfestival statt: Seit
2010 organisiert Jochen Manderbach mit Prof. Barbara Christin
der Fachhochschule Kaiserslautern das „6010 – Film &
Videofestival“. Alle jungen Filmemacher der ganzen Welt können
mit ihren 60- sekündigen Kurzfilmen oder 10 minütigen
Dokumentationen am Wettbewerb teilnehmen und ausgezeichnet
werden.
Studierenden gibt Jochen Manderbach auf den Weg: : „Knüpfen Sie
während des Studiums Kontakte und bauen Sie Ihr Netzwerk auf“.
Mit viel Ehrgeiz und einem Funken Glück schaffe man es, sein
Hobby auch im oder als Beruf auszuüben. „Ich kann von Kino nur
schwärmen. Das sind große Emotionen, die da mitspielen. Das
Kino ist die einzige Möglichkeit, den Film angemessen zu
würdigen und sich vollkommen hinzugeben!“, zeigt sich der
passionierte Kinobetreiber begeistert.
Jochen Manderbach hatte nie den Wunsch, woanders ein Kino zu
eröffnen. Mit der Nähe zur Universitätsstadt Siegen und einer
Uni mit Kultur- und Medienstudiengängen ist das einzige
Programmkino für die Region unverzichtbar. Dabei legt sein
Ehrgeiz das Fundament für das Bestehen des Kinos gegen jegliche
Widrigkeiten durch die Konkurrenz der Multiplex- Kinos oder der
drohenden Digitalisierung. Er arbeitet nach wie vor aus Liebe
zum Medium: „Ich habe mir die Freude dabei bewahrt, im dunklen
Saal zu sitzen und zu warten bis der Vorhang aufgeht - und der
Film beginnt!“
Dieser Artikel wurde verfasst von Sanja Pijanovic und
basiert auf einem Interview in Hilchenbach/ Dahlbruch.