WortWechsel
Lehramtsstudentin Jessica Fraas und Poetry Slammer Tobias Beitzel sind das kreative Duo des StartUps „WortWechsel“, das im Frühjahr 2023 gegründet wurde. Mit ihren unterschiedlichen literarischen Veranstaltungen bereichern sie die Kulturszene in Siegen-Wittgenstein.
Was genau ist WortWechsel? Was ist das Besondere daran?
Jessica: WortWechsel ist ein kleines Kultur StartUp. Unser Hauptgeschäft besteht darin, Workshops für kreatives Schreiben mit dem Fokus auf Poetry Slam oder English Creative Writing zu geben. Wir bieten außerdem Moderationsdienste sowie Auftragstexte an.
Tobias: Das Besondere daran ist, dass wir mit unseren Workshops und Veranstaltungen versuchen, Menschen von etwas zu begeistern, das am Aussterben ist, nämlich das geschriebene und gesprochene Wort auf Papier und auf der Bühne. Außerdem gibt es hier, insbesondere in ländlichen Regionen, ein solches Unternehmen wie unseres nicht. Jeden ersten Montag im Monat bieten wir in der Schreibstube, das ist unser ehrenamtliches Projekt, einen kostenlosen Workshop an, in dem jeder an seinen Schreibfähigkeiten arbeiten kann.
Wer gehört zum Team und wie kam es zur Gründung von WortWechsel?
Jessica: Tobias und ich sind die Gründer von WortWechsel. Das, was uns zusammengebracht hat, ist die Liebe für die Sprache.
Tobias: Jessica ist mit der Idee auf mich zugekommen, eine Schreibwerkstatt in Siegen zu gründen, wo sich Menschen vernetzen können, die verschiedenste Arten von Texten wie Romane, Theaterstücke oder auch Musik schreiben. Das war unsere erste Idee, die so gut geklappt hat, dass wir noch mehr Ideen hatten und weitermachen wollten.
Jessica: Ich habe Tobi zuerst mehrmals auf Instagram kontaktiert und gefragt, ob er nicht Lust hätte, eine Schreibszene in Siegen zu starten, weil es hier so etwas noch nicht gab und ich ihn schon oft bei Poetry Slams gesehen habe. Es kam aber nie eine Antwort. Als ich ihn dann in der Einkaufszone in Siegen musizieren sah, habe ich ihn persönlich angesprochen und so entstand dann alles Weitere.
Warum habt ihr euch für dieses besondere Themenfeld entschieden?
Jessica: Wir haben WortWechsel gegründet und uns für dieses kulturelle Themengebiet entschieden, um die Kulturlandschaft in Siegen, die doch ziemlich einseitig, elitär und nicht jung ist, zu bereichern. Die Stadt hat sehr viel Potenzial und das versuchen wir mit Kulturveranstaltungen verschiedenster Art auszuschöpfen.
Tobias: So ein Vorhaben als Unternehmen zu organisieren und eine Geschäftsidee daraus zu entwickeln, ist vielen Menschen fremd. Viele wollen mit ihrer Kunst auch kein Geld verdienen.
Jessica: In der Gesellschaft herrscht immer noch der Glaube, dass Kunst und Kultur kostenlos sein müssen. Das ist totaler Quatsch. Kunst ist genauso viel Wert, wie andere Dienstleistungen auch. Genau das versuchen wir auf Dauer vermitteln zu können.
Was sind die Vorteile, im Team zu gründen?
Jessica: Es ist manchmal einfacher kreativ zu sein und Künstlerisches zu Schaffen, wenn man sich von anderen inspirieren lässt und gemeinsam arbeitet. Ich wollte eine Schreibszene in Siegen etablieren und mich mit Leuten vernetzen, die auch schreiben, weil ich zu der Zeit eine Schreibblockade hatte. Es gibt somit fast nur Vorteile im Team zu gründen. Tobi und ich sind auch ein sehr gutes Team und ergänzen uns auf vielen Ebenen.
Was waren eure größten Herausforderungen? Und wie seid ihr damit umgegangen?
Jessica: Was die Gründung betrifft, wurden wir sehr viel unterstützt und uns wurden bisher keine Steine in den Weg gelegt, außer der Beantragung des Gründungsstipendiums. Ich hätte es mir ehrlich gesagt schwieriger vorgestellt, eine Firma zu gründen.
Tobias: Institutionell gesehen gab es eigentlich keine, nur mit den Behörden gab es ein paar Schwierigkeiten. Es hat zum Beispiel ein halbes Jahr gedauert, bis wir die Gewerbeanmeldung hatten, die auch bestätigt war. Ansonsten, waren der Zeitfaktor und die Ressourcenplanung bei uns etwas problematisch. Es hat ein wenig gedauert, bis wir erkannt haben, dass es nicht notwendig ist, jeden Tag 15 Stunden in ein Projekt zu investieren.
Jessica: Wir haben anfangs sehr viel gearbeitet und sehr wenig geschlafen. Man ist Feuer und Flamme für das, was man tut. Da merkt man nicht, wann man sich eine Ruhephase nehmen muss.
Tobias: Eine ziemlich große Herausforderung war es zum Beispiel auch, unsere gegenseitigen Arbeitsstile anzupassen.
Welche Zielgruppe sprecht ihr an?
Wir sprechen alle Altersgruppen ab der fünften Klasse an. Wobei wir sogar in der Grundschule Workshops gegeben haben. Wir geben genauso Workshops für Senioren. Unsere Kulturveranstaltungen sind also für jeden offen und zugänglich und wir hoffen, dass wir auch alle Altersgruppen erreichen und begeistern können. Bisher haben uns aber vor allem Schulen gebucht.
Kann jeder Mensch Kreatives Schreiben erlernen oder muss man dafür ein gewisses Talent besitzen?
Jessica: Oft wird von der Gesellschaft gesagt, Kreativität sei eine Charaktereigenschaft. Ich sag in meinen Kursen immer: “Creativity is not a trait, but a state.” Für manch einen ist es einfacher, den Zugang zu Kreativität zu finden. Es gibt manche Menschen, die ein bisschen geprägter sind oder mehr Voraussetzungen mitbringen, aber an sich kann jeder kreativ sein und eigentlich ist auch jeder Mensch kreativ. Das versuche ich auch in den Workshops immer wieder klar zu machen. Kreativität bedeutet etwas Neues zu schaffen, also ein Produkt, was es vorher noch nicht gab und das macht jeder, ob durch einen Instagram Post, Stories, ob man einen Tisch baut oder am Motorrad rumschraubt oder unter der Dusche singt oder tanzt. Jeder Mensch ist in irgendeiner Art und Weise kreativ.
Tobias: Grundsätzlich kann jeder kreativ schreiben. Bei unseren Workshops geht es aber weniger darum, die Qualität des Geschriebenen zu verbessern, sondern Mittel und Wege zu zeigen, überhaupt erst kreativ zu werden, weil das etwas ist, was viele Menschen verlernt haben. Wir öffnen sozusagen den Kanal für die Kreativität.
Was empfehlt ihr Menschen, die glauben, keinerlei Affinität zum Schreiben zu haben?
Tobias: Einen Workshop bei uns zu buchen. :)
Gab es finanzielle Unterstützung, vielleicht auch von der Uni Siegen?
Wir haben erfahren, dass es eine Initiative für Gründer*innen gibt und haben uns auf das Gründungsstipendium beworben. Und dann auf das Inkubatorprogramm. Das ist ein zusätzliches Unterstützungsprogramm vom Entrepreneurship Center in Siegen. Hier werden viele interessante Workshops für Finanzierung, LinkedIn etc. angeboten.
Was sind eure nächsten Ziele? Kurzfristig, aber auch langfristig?
Jessica: Auf lange Sicht gesehen, möchten wir regelmäßig mit Klienten zusammenarbeiten und unser Klientenportfolio erweitern, besonders im Bereich Unternehmen. Eins meiner großen Ziele ist es, irgendwann jemanden einstellen zu können, der unsere Social-Media-Kanäle bedienen kann. Da Social Media doch sehr wichtig ist, wir beide aber keine Affinität dazu haben.
Tobias: Nächstes Jahr haben wir auch ein großes Projekt anstehen. Wir holen mit den NRW-Meisterschaften im Poetry Slam das größte Bühnenliteraturfestival Nordrhein-Westfalens nach Wittgenstein, Bad Berleburg, Erndtebrück und Bad Laasphe.
Tobias, du bist Poetry Slammer und stehst oft auf der Bühne. Welchen Rat würdest du Menschen geben, die ihre Bühnenpräsenz verbessern und Vorträge selbstbewusst und angstfrei vortragen möchten?
Tobias: Auch einen Workshop bei uns zu buchen und aufzutreten. Auftreten. Auftreten. Auftreten. Du musst ohne Ende auftreten. Das ist das Einzige, was man machen kann. Du kannst solch eine Situation nicht simulieren. Das ist auch etwas, was Jess gerade merkt. Sie hat innerhalb der letzten vier Monate einen großen Sprung gemacht, was Bühnenpräsenz angeht. Sie hat noch nie richtig auf der Bühne gestanden und hat vor kurzem in Frankfurt eine Comedy-Veranstaltung moderiert.
Jessica: Ich hatte schon immer den Wunsch, auf einer Bühne zu stehen, habe mir das aber nie zugetraut und Tobias hat mich gepusht. Das habe ich gebraucht und gemerkt, wie sehr mir das Spaß macht auf der Bühne zu stehen.
Welche Tipps habt ihr für Menschen, die noch am Anfang einer Gründung stehen oder überlegen zu gründen?
Jessica: Machen. Einfach anfangen. Nicht lange hinauszögern, was man machen möchte und sich bei Gründerinitiativen melden. Es gibt dort sehr viele Möglichkeiten unterstützt zu werden und auch Menschen, die Lust darauf haben einen zu unterstützen, die auch für alle Ideen sehr offen sind und einem immer wieder helfen. Ansonsten one step at a time. Nicht zu viel auf einmal machen. Das Wichtigste ist einfach machen und sich trauen.
Tobias: Die Gründerinitiativen bieten nicht nur Coachings an, sondern helfen auch beim Aufbau eines Netzwerks. Das ist total unterstützend, selbst wenn man nur ein Gespräch oder einen Kontakt herstellt.
Dieses Porträt basiert auf einem Interview mit Jessica Fraas und Tobias Beitzel im Juni 2024 und wurde von Duygu Cicek verfasst.
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