Katharina Löhr
Als langsam die Skyline Kontur annimmt, wird
mir bewusst: noch drei Minuten bis „Mainhatten“. Der Zug
rolltin der europäischen Finanzmetropole ein. Es ist Mittag.
Und nicht nur die Verkehrsadern des Finanzzentrums Frankfurt
pulsieren. Das Ziel liegt downtown am Kaiserplatz und ist nicht
zu verfehlen. Hatte das Gebäude doch bis 2003 mit 259 Metern
Höhe den Nimbus als höchstes Gebäude Europas inne. Ich treffe
Katharina Löhr in der Zentrale ihres Arbeitgebers, im Tower der
Commerzbank in Frankfurt.
Vom Herzen der Schaltzentrale an die Alster
Die gebürtige Siegenerin hat ihr Büro im sogenannten
„Gallileo-Tower“ auf halber Höhe des Turms. Aus der 22. Etage
leitet sie das Team „Vertriebsstrategie für Privat- und Private
Bankingkunden“ und arbeitet somit an der Schnittstelle zwischen
zentralen Produktabteilungen, der Marketing-Abteilung, den
Vertriebsabteilungen der Filialen und den Spezialisten der
Informationstechnik. Neue Konzepte zur Kundenberatung, noch
filigranere Prozessabläufe und die konzeptionelle Verbesserung
der Softwareanwendungen werden in ihrem Team entwickelt und
unterstützen den Vertrieb im Privatkunden-Bereich.
Detailsicheres Know-how der Abläufe und kreative Denkstrukturen
machen diese Arbeit erst möglich.
Das Pendeln zwischen diesen sehr unterschiedlichen Welten, der
Stress und Aufwand für den Weg vom Siegerland zu den
Schaltzentralen der Finanzwelt (oder umgekehrt) gehörte jedoch
geraume Zeit zu ihrem Alltag. Denn die gebürtige Siegenerin
wohnte und lebte lange an beiden Orten. „Ich habe Frankfurt
immer mehr ins Herz geschlossen“, erinnert sich die Bankerin.
Nur noch alle sechs bis acht Wochen sei sie heute in
Südwestfalen anzutreffen, wo ihre Wurzeln liegen und ihre
Karriere begann.
Konsequent geblieben
Schon nach dem Abitur legte sie mit einer Ausbildung zur
Bankkauffrau ihre erste Etappe auf dem Weg in die oberen Etagen
der damals noch in jeder Beziehung schönen, heilen Bankenwelt
zurück. Dass schon direkt danach weitere Etappen folgten, sei
jedoch eher ein Zufall gewesen. „Ursprünglich wollte ich
Psychologie studieren“, erinnert sich die Karrierefrau, „die
Ausbildung war eigentlich nur ein Alternativplan zur
Absicherung.“ Recht schnell erkannte Löhr jedoch ihre neue
Leidenschaft - und nutzte sie. Die geweckte und entdeckte
Freude wurde zur Triebfeder ihres Erfolgs: „Ich gehe jeden Tag
gern hierhin. Und was ich tue, das tue ich mit
Überzeugung."Will heißen: Das Bankgeschäft hat sie nicht mehr
losgelassen.
Die Änderung der Studienplanung und die Wahl des Studienortes
waren nur konsequent: Betriebswirtschaftslehre an der
Universität Siegen. „Die Siegener Uni hatte in den
Wirtschaftswissenschaften ein gutes Ansehen. Zusammen mit der
damals seltenen Chance, berufsbegleitend zu studieren, war die
Kombination perfekt für mich“, resümiert sie. Das Siegerland
war der beste Ort für den Karrierestart, denn die
Doppelbelastung aus Studium und Beruf war genau die
Herausforderung, die die Karrierefrau suchte. Es sei eine gute
Entscheidung gewesen – sagt sie noch heute – mit der auch das
Studentenleben zu einer reizvollen und seltenen Mixtur wurde:
„Einerseits hatte ich schon damals eine sehr große Clique, die
ich noch heute gern besuche. Andererseits vermittelten mir
viele interessante Leute, die ich noch kennenlernen durfte, in
diesen Jahren den besonderen Charme des Studentenlebens. Ich
denke sehr gern an diese Zeit zurück“.
Mit den Schwerpunkten Bank- und Finanzmanagement und dem
Management kleiner und mittlerer Unternehmen wählte sie bewusst
nicht die vermeintlich einfachste Kombination, womit ihr Rat an
den Nachwuchs glaubwürdig klingt: „Jungen Studierenden empfehle
ich immer, sich im Studium möglichst breit aufzustellen. Die
tatsächliche Spezialisierung folgt ohnehin erst in der Praxis."
Zügiges Vorankommen, ohne gleichzeitig das Studentenleben zu
vernachlässigen, sei die Kunst während einer so anstrengenden
Zeit.
Sie spielt gezielt
Die Work-Life-Balance im Blick zu behalten, das ist für sie
ein weiterer wesentlicher Aspekt, um Höchstleistungen zu
erbringen. Und so zieht sich - wie ein roter Faden - die Musik,
die Geige, durch ihre Biografie: „Ich liebe die Musik, und
meine Freunde und Kollegen wussten und wissen, was mir das
Orchester bedeutet“. Selbst heute, trotz langer und
anstrengender Arbeitstage, bleibe ihr montags regelmäßig der
mahnende Zeigefinger der Kollegen nicht erspart: „Es ist
Montag. Sieh' zu, dass du wegkommst“, gehöre im Tower sonst
eher zu den seltenen Aufforderungen. Löhrs Schmunzeln
untermalt, dass sie den Respekt im Team für ihre
außergewöhnliche Leidenschaft zu schätzen weiß. Doch mit dieser
Balance wächst auch das Gespür, Karriere und berufliche
Entwicklungsstufen zu planen: „Wenn das Feuer zu brennen
aufhört, dann ist es Zeit für einen neuen Sprung." Den größten
tat sie 2006 - aus einer Siegener Vertriebsfiliale in eine der
großen Zentralen nach Frankfurt. „Man sprach immer von der
Zentrale. Ich wollte endlich wissen, wie das Herz einer solchen
Institution wirklich schlägt." Noch heute lässt sich die
Spannung nachempfinden, mit der sie sich in den folgenden
eineinhalb Jahren auf dem ungewohnten Parkett bewegte. Denn die
Arbeitsweise war eine ganz andere ("viel konzeptioneller"), und
auch im Event-Management gab es "viel Interessantes" zu
erarbeiten.
Aber: "Es gab auch viel Routine." Da sich die Aufsteigerin aber
immer Ziele gesetzt hat (und setzt) und ihr Momente der
Orientierungslosigkeit völlig fremd sind, lasse sich gegen
Routine nur eins tun: nextStep, next Goal. „Meine Ziele
funktionierten immer wie Zugpferde. Sie lassen mich fachlich
wie persönlich wachsen und vorankommen“, erklärt die
Karrierefrau. Frustmomente und Rückschläge, wenn etwa ein in
mühevoller Kleinarbeit entwickeltes Konzept nicht zum Tragen
kommt, gehören ihrer Meinung nach mit zu diesem
Entwicklungsprozess. Es sei aber in erster Linie eine Frage der
persönlichen Einstellung, ob oder wie schnell ein jeder wieder
in seiner Spur sei. „Ändere, was du ändern kannst. Und
akzeptiere, was sich nicht ändern lässt“. Diese Worte des
Vaters und den eigenen Ehrgeiz wusste sie gekonnt auszupendeln.
Den Wunsch nach Neuem hat sie - je nach Bedarf - mit dem einen
oder anderen verbunden. So auch 2008, als sie zur Commerzbank
wechselte: „Ich wollte zum einen meinen Ausbildungsbetrieb
hinter mir lassen und zum anderen in die Projektarbeit
einsteigen." Dabei wusste sie, dass sie hier die Plattform
geboten bekam, um ihr Potenzial zu entfalten. Außerdem waren
Abwechslung und neue Herausforderungen sicher. Denn nun war
gefragt, was sie selbst als größten Nutzen aus ihrer
akademischen Ausbildung im Siegerland nach Hessen mitgenommen
hatte: analytische Fähig- und Fertigkeiten: „Man lernt im
Studium Methodiken, wissenschaftliches Arbeiten und übt sich
bereits im Netzwerken und Selbstmanagement." Das sind die
Kompetenzen, die die Aufsteigerin mit jeder Karrierestation
mehr zu schätzen weiß.
Menschen sind der wesentliche Karrierefaktor
Dabei sei gerade das Networking nicht nur für die Karriere
ein wesentlicher Faktor. Die Schnelllebigkeit in einem modernen
Geldhaus mit vielen strukturellen Änderungen mache kurze
Kommunikationswege wichtig. Nur gut, dass Katharina Löhr die
Arbeit mit Menschen zu jeder Zeit zu schätzen wusste: „Ich
mochte es immer, Menschen zusammenzubringen. Vielleicht ist
daraus auch mein Interesse an einer Führungstätigkeit
entstanden.“ Was mit dem Interesse an Psychologie in jungen
Jahren begann, das reifte über die Jahre zu dem Wunsch und/oder
Ziel, in die Teamleitung einzusteigen. 2011 war es erreicht.
Nach diversen Weiterbildungen, mit der Zertifizierung als
Projektmanagerin durch das International Project Management
Institute (IPMA) oder mit einer „Herz- und Nierenprüfung“ im
Assessment-Center war das nächste Etappenziel erreicht, die
Leitung der Gruppe "Vertriebsstrategie für Privat- und Private
Bankingkunden". Es war ein hartes Stück Arbeit. Doch „jetzt bin
ich wieder da, wo ich hingehöre“, schließt Löhr das Gespräch
mit einem zufriedenen Lächeln.
Wieder ist sie mit Leidenschaft dabei. Doch im Hinterkopf
bleibt das Bewusstsein: Der Frankfurter Tower bietet noch so
manches Stockwerk und hält sicher noch einige Herausforderungen
parat.
Die kamen dann schneller als gedacht. Nach der Konzeption der
Vertriebsstrategie geht sie für die Umsetzung wieder näher an
den Vertrieb. Als Mitglied der Geschäftsleitung der Commerzbank
Hamburg leitet Löhr seit Oktober die Vertriebsunterstützung für
die über 60 Filialen in Hamburg.
Dieser Artikel wurde verfasst von Christian Lenz und basiert auf einem Interview in Frankfurt.