Zerstreuungsversuch für Selbstzweifel
DAAD-Präsident Prof. Dr. Max Huber rät Universitäten zum Vertrauen in eigene Stärken
Presseresonanz vom: 17.07.2001
Erschienen in: Siegener Zeitung
Siegen. Nicht den erwarteten Vergleich der
Leistungsfähigkeit deutscher und ausländischer Universitäten,
sondern eher eine Rüstzeit für deutsche
Hochschulverantwortliche präsentierte der Präsident des
Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), der Bonner
Physiker Prof. Dr. Max Huber in der abschließenden
Vortragsveranstaltung der Ringvorlesung Forum Siegen. Statt des
angekündigten Themas »Die Leistungsfähigkeit deutscher
Universitäten im internationalen Vergleich« hielt er einen
Vortrag über »Die deutschen Hochschulen im internationalen
Wettbewerb«, wobei er das größte Defizit in mangelndem
Selbstbewusstsein der Deutschen sah, deren Hochschulen -
allerdings bei mangelnder finanzieller Ausstattung - im Grunde
Großes zu bieten hätten: Die nach wie vor aktuellen
Humboldtschen Ideale Freiheit (statt Verschulung), Einheit von
Forschung und Lehre sowie Universalität.
Im neuen Jahrhundert, so Huber, hat sich ein internationaler
Wettbewerb der nationalen Bildungssysteme eingestellt. Der
globale Bildungsmarkt sei ein neues Phänomen von
außenpolitischer, wirtschaftlicher und wissenschaftspolitischer
Bedeutung. Schon die Zahl der ausländischen Studenten auf der
Welt lässt die Größenordnung dieses Marktes erkennen: Von den
ca. 1,6 Millionen Studenten, die an Hochschulen anderer Länder
studieren, halten sich knapp 500000 in den USA auf, rund 170000
in Großbritannien und rund 100000 in Deutschland. In
Australien, dessen Einwohnerzahl annähernd derjenigen von
Nordrhein-Westfalen entspricht, studieren in etwa so viele
junge Leute aus anderen Ländern wie in Deutschland. Alles
spricht dafür, dass dieser Markt, der sowohl den Export als
auch den Import von Bildungsleistungen umfasst, weiter wächst.
Die USA als Hauptexportland solcher Leistungen seien dabei, mit
ihren Bildungseinrichtungen in andere Länder zu gehen, und
suchten, die Freihandelsbestimmungen der WTO auf die Bildung
auszuweiten. »Education is big business«, lautet die Devise.
Der wirtschaftliche Vorteil -- die USA erzielen allein mit den
ausländischen Studenten etwa 15 bis 18 Milliarden Dollar
Einnahmen pro Jahr - macht nur einen Teil der Vorzüge aus. So
sind etwa 50 Prozent der Doktoranden der
naturwissenschaftlichen Fächer in den USA Ausländer, von denen
später viele bleiben. Auch Deutschland müsse solche Potenziale
erschließen, erklärte Huber, wobei das Anwerbestoppgesetz von
1973 ausgesprochen kontraproduktiv wirkt. Zugleich stimmen
deutsche Studenten mit den Füßen ab und gehen in andere Länder.
Dagegen gilt es nach Darstellung des DAAD-Präsidenten, dass
Deutschland für die besten Köpfe der Welt attraktiver wird.
Doch was ist dazu an strukturellen Änderungen nötig?
Kurzfristig gelte es deutlich zu machen, dass die deutschen
Universitäten viel besser seien als ihr Ruf. Die (erwähnten)
Humboldtschen Ideale blieben gültig und würden von den größten
amerikanischen Research-Universitäten geradezu neu entdeckt.
Nachteile ergäben sich im globalen Bildungswettbewerb für
Deutschland durch die Sprachbarriere. Das lasse sich indes
dadurch unterlaufen, dass weit mehr Vorlesungen auf Englisch
angeboten werden. Es gelte »unser Produkt attraktiver zu
machen«. Daneben müssten deutsche Universitäten Präsenz im
Ausland zeigen. Die Teilnahme an Bildungsmessen beispielsweise
sei ein Weg, ausländische Studenten für Deutschland zu
interessieren. Man könne auch Studienangebote exportieren, so
bietet die TU Dresden in Hanoi ein Maschinenbau-Studium an.
Wenn man davon ausgehe, dass ca. 600000 bis 800000 ausländische
Studenten in Deutschland studiert hätten, die in ihren
Heimatländern jetzt oft hohe Positionen besetzen, dann komme
auch der Alumni-Pflege Bedeutung zu: Die Pflege der Kontakte
zahlt sich auf Dauer in mannigfacher Hinsicht aus. Schließlich
forderte Huber auch den Abbau bürokratischer Hindernisse, denen
sich ausländische Studierende in Deutschland ausgesetzt sehen.
Hinsichtlich der Finanzausstattung spendete Huber der
Bundesregierung sogar Lob, die einen Teil der UMTS-Zinsgewinne
in die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher
Universitäten (in dem erwähnten Sinne) gesteckt habe. Frage sei
nur, ob die nötigen Komplementärmittel der Länder hinzukämen.
So zeigte sich der DAAD-Präsident »relativ optimistisch«, wobei
es für ihn klar sei, dass die Universitäten dazu kommen
müssten, ihre Studenten selbst auszuwählen.
Nach irgendeiner Wahl werde man auch zur Einführung von
Studiengebühren übergehen, dann könne die deutsche Universität
auch den besten amerikanischen Universitäten pari bieten.