Mannheim/Siegen/München Im Club der Ehemaligen
Hunderte neuer Alumni-Vereine bemühen sich um Absolventen - und neuerdings auch um Studenten
Presseresonanz vom: 24.10.2001
Erschienen in: Süddeutsche Zeitung
Keine Sorge, wenn eines Tages plötzlich das Telefon klingelt
und eine Stimme sagt: "Es ist eine Zeit lang her, aber wir
hatten mal eine Beziehung miteinander. Lass uns daran
anknüpfen." Jetzt nicht auflegen. Vielleicht ist dieser
Ex-Freund nur Ihre frühere Uni. Mit einer Einladung zur großen
Jahresfeier ehemaliger Kommilitonen.
Absolventen-Vereine an Hochschulen haben eine lange Tradition.
Die Zunft der Diplom-Bierbrauer an der Technischen Universität
München mit rund 2000 Mitgliedern ist beispielsweise mehr als
100 Jahre alt. Doch erst Mitte der neunziger Jahre, als die
Hochschulen nach neuen Geldquellen suchten und international um
die besten Köpfe buhlten, ist die Szene regelrecht explodiert.
Zu den alten Vereinen und Freundeskreisen aus den Fünfzigern
gesellen sich Hunderte neuer Alumni-Clubs. Ihr Vorbild heißt:
USA.
Alumni - das ist lateinisch und bedeutet Zöglinge. So werden in
Amerika die Hochschulabgänger genannt. Und wie dort sollen auch
bei uns aus etablierten Ex-Studenten eines Tages Uni-Sponsoren,
Praktika-Beschaffer für den Nachwuchs oder Weiterbildungskunden
werden. Im neuen Hochschulgesetz von Bayern und Baden
Württemberg wurde Alumni-Arbeit gar zur universitären Pflicht
erklärt.
Gibst du mir, geb ich dir - das ist das Alumni-Prinzip. Und so
werden die Zöglinge reich beschenkt: mit Mobiltelefon-Rabatten
und Uni-Shirts, mit Zugang zum Hochschulsport, zu Mensen und
Bibliotheken sowie einer E-Mail-Adresse auf Lebenszeit. Hinzu
kommen Praktikumsbörsen, Unternehmens- und Auslandkontakte,
Fortbildungsangebote und Nachrichten aus der Forschung. Und
natürlich jede Menge Partys, von der Zeugnisfeier bis zum
Jahrestreffen.
Doch es geht um mehr als um Handy-Rabatte. In den siebziger
Jahre vertrieben die Studenten den "Muff unter den Talaren". In
den Achtzigern stand das Ego im Mittelpunkt. Heute ist
Networking angesagt. "Wer jetzt studiert, wird oft den Beruf
und den Wohnort wechseln oder ins Ausland gehen. Und er wird
sich kontinuierlich weiterbilden müssen", sagt Susanne Padberg
vom Alumni-Verbund der Universität Siegen. "Da bekommen
Kontakte zu Ex-Kommilitonen und einer Institution wie der Uni
plötzlich einen ganz neuen Wert."
Meister im Anbandeln mit den Zöglingen unter den staatlichem
Hochschulen ist die Universität Mannheim (siehe Interview).
Dafür gab es im Juli den ersten Preis vom Stifterverband für
die Deutsche Wissenschaft. "Wir haben 400 neue Mitglieder pro
Jahr und Deutschlands größte Absolventen-Datei", sagt Christian
Kramberg vom Alumni-Verein "AbsolventUM". Mit der Datei
unterstützt der Club Ehemalige in Kapstadt, Honolulu oder
Moskau, die in der Fremde einen "Wegzieher-Stammtisch" gründen
wollen.
Koffer voller Fan-Artikel vom Schlüsselanhänger bis zum Shirt
mit Uni-Emblem
Professoren erhalten Spendenkoffer, in denen zwar keine
Banknoten, aber Fan-Artikel vom T-Shirt bis zum
Schlüsselanhänger sind. Alles mit Uni-Emblem, versteht sich.
Als Missionare sollen sie damit den Geist der Universität in
die Welt hinaus tragen. "Das kriegt eine Eigendynamik", meint
Kramberg, "und dann wird da eine Mode draus." Bei den
Mannheimern hat sich das Anbandeln schon rentiert: Dort haben
Studenten und Alumni zwölf Hörsäle renoviert. Im alten Zustand,
meint Kramberg, "wäre ein Student aus den USA vor Schreck
wieder rückwärts herausgegangen."
Viele Hochschulen gründen einen übergeordneten Alumni-Club, der
die schon bestehenden Vereine in einzelnen Fachbereichen als
Servicestelle unterstützt. "Oft identifizieren sich Studenten
eher mit ihrer Fakultät als mit der ganzen Hochschule", sagt
Susanne Padberg. Zum ersten Siegener Alumni-Tag im Juli kamen
mehr als 1000 Gäste. Während der Veranstaltung wurde der
nächste Club geboren: "Für unsere Elektrotechniker und
Informatiker. Die hatten noch keinen."
An der Technischen Universität München gibt es rund 30
Organisationen, vom Freundeskreis eines einzelnen Jahrgangs
oder Lehrstuhls bis zum eingetragenen Verein. Im letzten Jahr
wurde das Alumni-Netzwerk "KontakTUM" gegründet, als
Schnittstelle für alte und künftige Clubs.
Anfangs haben die Alten den Emporkömmling mit Misstrauen
beäugt. Droht da Konkurrenz? "Überhaupt nicht. Wir machen
sozusagen ein Gesamtprogramm, füllen die Lücken und
präsentieren uns jetzt viel wirksamer als Ganzes", sagt
Netzwerk-Mitarbeiterin Gerlinde Friedsam. Das Networking unter
den Vereinen klappt bestens. Auch klassische Aufgaben von
Career Services übernehmen die neuen Alumni-Clubs - von der
Praktikumsbörse im Internet bis zur CDRom mit den
Bewerber-Profilen der fertigen Studenten. Eine Fundgrube für
Firmen auf Nachwuchssuche.
Doch es muss sich noch viel bewegen. 8000 Examinierte, Wechsler
und Abbrecher wurden vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE)
in Gütersloh danach befragt, wie sie heute zu ihrer Hochschule
stehen. Ergebnis der Studie: Selbst viele erfolgreich
Examinierte würden ihre Universität oder ihren Fachbereich
nicht noch einmal wählen, geschweige denn anderen
weiterempfehlen. "Viele Hochschulen fangen mit ihren
Aktivitäten erst bei den Absolventen an", sagt Markus Langer
vom CHE. Zu spät. "Denn was bis dahin schief gelaufen ist,
lässt sich nicht mehr reparieren."
Alumni vom ersten Tag an - so heißt deshalb neuerdings die
Devise in der Szene. "Auch eine Reduzierung der Abbrecher-Quote
gehört dazu. Zum Beispiel durch eine individuelle
Studienberatung", sagt CHE-Mitarbeiter Markus Langer.
Alumni-Arbeit müsse Teil eines Gesamtkonzepts namens
Hochschulbindung sein. "Das fängt mit Infoprojekten für
Schulklassen an, setzt sich an der Uni mit Tutoring, Mentoring
und einer Modularisierung des Lehrangebots fort," meint Alrun
Niehage, Vizepräsidentin der Fachhochschule Osnabrück. "Dazu
kommen dann die Leistungen für Ehemalige."
Das Fazit der CHE-Untersuchung? "Studenten wollen eine echte
Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden erleben", sagt Markus
Langer. "Daraus kann dann wirklich eine lebenslange Beziehung
erwachsen."
Corinna Klünsch
Kontakt: Im Internet findet sich ein Überblick über sämtliche
Ehemaligen-Vereine unter www.alumni-germany.de und
www.alumni-clubs.net