Ein Glücksfall für die Uni
Prof. Dr. Helmut Kreuzer wird morgen 75 Jahre alt
Presseresonanz vom: 31.10.2002
Erschienen in: Siegener Zeitung
sz Siegen. Prof. Dr. Helmut Kreuzer, Germanistikprofessor
und Gründungssenator der Universität Siegen, vollendet morgen
sein 75. Lebensjahr. Die Entscheidung Helmut Kreuzers, Anfang
der 70er Jahre als einer der Gründungssenatoren am Aufbau der
neuen Siegener Hochschule mitzuwirken, erwies sich nicht nur
für die Gesamthochschule und das Fach Germanistik als ein
Glücksfall, sondern auch für die Studierenden, die ihn als
einen aufgeschlossenen, fachlich überaus kompetenten und
vielfältig engagierten Hochschullehrer erlebten.
Zu dieser Zeit hatte Helmut Kreuzer bereits als Professor in
Stuttgart, Saarbrücken und Bonn gelehrt und zudem an
amerikanischen Universitäten Erfahrungen gesammelt. Er gehörte
einer jungen Germanisten-Generation an, die sich anschickte,
ihre Fachdisziplin zu überprüfen und zu erneuern. Schon Helmut
Kreuzers Habilitationsschrift über »Die Boheme« sprengte den
Rahmen einer traditionellen Literaturwissenschaft.
Zu Schlüsseltexten der germanistischen Reformphase wurden zudem
seine Aufsätze »Trivialliteratur als Forschungsproblem« (1965)
und »Fernsehen als Gegenstand der Literaturwissenschaft«
(1974), in denen er sich mit zuvor vernachlässigten
Gegenständen des Faches auseinandersetzt. Ein veränderter
Literaturbegriff schuf die Voraussetzungen dafür, dass sich
literaturwissenschaftliche Untersuchungen nicht nur mit
literarisch anerkannten Texten, sondern auch mit populären
Lesestoffen und populären Textsorten befassten.
Durch die Erweiterung des fachlichen Spektrums eröffnete sich
die Möglichkeit, audiovisuelle Texte mit dem
literaturwissenschaftlich erprobten Instrumentarium zu
untersuchen. Da Forschung und Lehre von Helmut Kreuzer als eine
Einheit betrachtet wurden und die Forschungsergebnisse durch
seine intensive Publikationstätigkeit an die Öffentlichkeit
gelangten, wurden die Studierenden gewissermaßen zu Augenzeugen
einer fortschreitenden Profilierung der Gesamthochschule als
»Medienuniversität«.
Ein wichtiges Zwischenglied auf diesem Weg war der von Helmut
Kreuzer und Karl Prümm herausgegebene Sammelband
»Fernsehsendungen und ihre Formen«, in dem zum erstenmal das
fernsehmediale Programmangebot in seiner Gesamtheit in den
Blick genommen wird. Durch die Einrichtung des
DFG-Sonderforschungsbereichs »Bildschirmmedien«, an der Helmut
Kreuzer maßgeblich beteiligt war, konnte sich der gute Ruf der
Universität Siegen als produktiver medienwissenschaftlicher
Standort endgültig durchsetzen. Zu den zahlreichen von Helmut
Kreuzer mitinitiierten Aktivitäten gehören die Gründung des
»Forschungsinstitut für Geistes- und Sozialwissenschaften«, das
der internationalen und interdisziplinären Kooperation dient,
die Autorenlesungen, die auf eine Verzahnung des universitären
mit dem kulturellen Leben vor Ort abzielten, die Etablierung
verschiedener Buchreihen und auch die Bemühungen um einen
internationalen Austausch bei den Studierenden.
Die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Szeged und
die Verleihung der Ehrensenatorwürde der Universität Siegen
sind Zeichen für die großen Verdienste eines Hochschullehrers
und Wissenschaftlers, der auch nach seiner Emeritierung im Jahr
1993 weiterhin wissenschaftlich produktiv ist.