Auf die Sprünge helfen
Von der Berufsorientierung bis zur Präsentationstechnik: Career-Services vermitteln, was im Studium sonst oft aus dem Blick gerät.
Presseresonanz vom: 24.02.2003
Erschienen in: Süddeutsche Zeitung
Süddeutsche Zeitung online
(http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/berufstudium/artikel/861/9852/)
Armin Himmelrath
(SZ, NRW vom 24.2.2003) Es gibt sie immer wieder: Studenten,
die ambitioniert ein Lehramtsstudium begonnen haben und nach 13
oder mehr Semestern schon zufrieden sind, wenn sie einige
Stunden wöchentlich in einem Nachhilfe-Institut unterrichten
dürfen. Studentinnen der Literaturwissenschaft, die nach
erfolgreichem Magister keine Stelle als Verlagslektorin finden
und irgendwas in den Medien machen wollen. Oder Absolventen
wie Michael Döring, der seine Fächerwahl Geschichte,
Politikwissenschaften und Philosophie mit einem Top-Magister
krönte und sich plötzlich, mit dem Examen in der Tasche, rat-
und hilflos auf dem Arbeitsmarkt wiederfand.
Im Studium war ich immer an gute Leistungen gewohnt, sagt
Döring selbstkritisch, da habe ich ziemlich leichtfertig den
Blick auf meine Berufsperspektiven immer weiter nach hinten
geschoben. Jahrelang vertröstete sich der heute 30jährige mit
der Gewissheit, es werde schon gut gehen: Dann kam die
Unsicherheit. Welche Tätigkeiten kommen für mich in Frage? Wie
präsentiere ich mich? Wie knüpfe ich Kontakte? Nichts davon
hatte er im Studium gelernt.
Andreas Eimer wollte sich nicht damit abfinden, dass solche
missglückten Ausbildungskarrieren an den Hochschulen einfach
dazu gehören: Viele motivierte, akademisch solide ausgebildete
Hochschulabsolventen haben Probleme, ihre Qualifikationen und
ihre persönlichen Stärken auf die Arbeitswelt außerhalb der
Hochschule zu übertragen.
Das muss nicht so sein, wusste Eimer: In den USA hatte er in
den 90er Jahren die so genannten Career Services kennen gelernt
- Hochschulbüros, die sich spezialisiert haben, Absolventen
möglichst reibungslos in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Eimer
importierte die Idee nach Münster und überzeugte dort
Universität, Fachhochschule und Universität, die seit 1998 im
Career Service zusammen arbeiten. Auch die Hamburger Körber-
Stiftung konnte Eimer für das Projekt gewinnen; sie zeichnete
es in ihrem Wettbewerb USable aus, der Reformansätze aus den
USA in Deutschland umsetzen will.
Großer Nachholbedarf
Dem Münsterschen Pilotprojekt folgten an den anderen
nordrhein-westfälischen Hochschulen schnell weitere: AkZent
in Duisburg und KIQ in Köln, KoBra in Bochum, das
Praxiszentrum in Essen oder einfach Career Services in
Bielefeld, Siegen, Aachen oder eben Münster sind längst
etabliert, wenn es darum geht, die Studierenden in Sachen
Berufspraxis flügge zu machen.
Hinter den unterschiedlichne Namen stehen ganz ähnliche
Ansätze: Er verstehe sich als Moderator im Dialog mit
Unternehmen und Absolventen, sagt etwa Jürgen Albers, Leiter
des Career Centers an der privaten International School of
Management (ISM) in Dortmund. Ziel sei es, den Studenten bei
der Planung und Verwirklichung ihrer Karriere zu helfen. Die
Mittel dafür reichen von der Praktikumsvermittlung bis zum
Absolventenkatalog, von Seminaren und
Informationsveranstaltungen bis zu Unternehmenspräsentationen
innerhalb der Hochschule und speziellen Beratungsgesprächen für
Existenzgründer.
Drei Hauptziele nennt die Bielefelder
Career-Service-Koordinatorin Christine Doppler: die
Koordination unterschiedlicher berufsorientierender Aktivitäten
innerhalb einer Hochschule; die Kooperation zwischen
Universität, Arbeitsverwaltung und regionaler Wirtschaft; die
Kommunikation mit ähnlichen Projekten an anderen Hochschulen.
Initiiert von den nordrhein-westfälischen Hochschulen, hat sich
mittlerweile unter dem Namen Career Circle ein bundesweites
Netzwerk gebildet. Damit wollen wir die Professionalisierung
unsere Angebote weiter voran bringen, sagt Andreas Eimer.
Zusammen mit der Körber-Stiftung und dem in Bochum
angesiedelten Wissenschaftlichen Sekretariat für die
Studienreform NRW wurde deshalb eine Fortbildungsreihe
entwickelt, in der sich die Berater aus den verschiedenen
Hochschulen mit den gestiegenen Anforderungen auseinander
setzen. Denn als junge Einrichtungen haben die deutschen
Praxisinitiativen gegenüber ihren angelsächsischen Vorbildern
einen gewaltigen Nachholbedarf an Qualifizierung und
Professionalisierung", bestätigt eine Studie der
Körber-Stiftung.
Hinzu kommen Veränderungen in der Arbeitswelt: So gehörten noch
vor wenigen Jahren Seminare über Vorstellungsgespräche zum
Standard-Programm. Inzwischen jedoch, so haben die
Career-Service-Mitarbeiter festgestellt, gebe es durch die
Globalisierung auch etwa Bedarf an Kursen, die sich mit dem
Telefonieren beschäftigen. Immer mehr Konzerne verschaffen sich
zunächst einen telefonischen Eindruck, bevor sie Bewerber zu
einem Gespräch in die Zentrale nach England oder gar in die USA
einfliegen.
Netzwerk für Frauen
Die Ursachen für einen holprigen Start ins Berufsleben sind
dagegen weitgehend die gleichen geblieben: Oft bauen
Studierende während ihrer Hochschulzeit keine Kontakte in die
Arbeitswelt auf, sondern verlassen sich allein auf Studien- und
Prüfungsordnungen. Die aber spiegeln längst nicht in allen
Fächern die eigentlich notwendige Berufsorientierung wider.
Entsprechend groß ist der Praxis-Schock, wenn die Absolventen
erstmals mit der vorher ausgeblendeten Berufswirklichkeit zu
tun bekommen.
Aber auch da, wo die Hochschulen zum Beispiel durch die
Einführung gestufter Studiengänge deutlich stärker
Praxiskontakte forcieren, wird die Arbeit der Career-Centers
eher mehr als weniger. Denn die Berater haben genau jene
Erfahrungen und Kontakte, die angehende Bachelor- und Master-
Absolventen brauchen, um schon während des Studiums
Praxiserfahrungen zu sammeln.
Mittlerweile ist von den Frauenbeauftragten mehrerer
Hochschulen in Köln und Bonn auch das erste Female Career
Center ins Leben gerufen worden. Das Netzwerk richtet sich
nicht nur an Studentinnen, sondern auch an Doktorandinnen und
Habilitandinnen. Auch hier gilt: Die berufliche Ratlosigkeit
nach dem Examen soll der Vergangenheit angehören.