Wirtschaftsweiser Weber soll Welteke-Nachfolger werden
21. April 2004 Die Bundesregierung wollte erst an diesem Mittwoch die Katze aus dem Sack lassen. Doch der Name des designierten neuen Mannes an der Spitze der Bundesbank ließ sich nicht so lange geheimhalten. Der Wirtschaftsweise Axel A. Weber soll am Morgen im Kabinett als Nachfolger des über die Hotelkosten-Affäre gestolperten Ernst Weltek
Presseresonanz vom: 21.04.2004
Erschienen in: Frankfurter Allgemeine
Der 47jährige Weber ist seit zwei Jahren Mitglied des
Sachverständigenrates zur Begutachtung der
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Er lehrt an der Universität
zu Köln, wo er den Lehrstuhl für Internationale Ökonomie
innehat. Von 1998 bis 2002 war er Leiter des Center for
Financial Studies in Frankfurt am Main. Außerdem war und ist
Weber unter anderem Berater und Autor von Positionspapieren für
die Europäische Zentralbank (EZB) sowie für die Europäische
Kommission und das Europäische Parlament.
Für Weber habe sich vor allem Eichel stark gemacht, sagte Jörg
Müller, Sprecher des Finanzministeriums. Mit dem Kölner
Wirtschaftsprofessor sei bewußt ein Kandidat außerhalb der
Politik und der Bundesbank benannt worden, um die
Unabhängigkeit der Bundesbank zu wahren. Weber verfüge über
profunde Kenntnisse in Finanz- und Wirtschaftsfragen und habe
als Wissenschaftler Erfahrungen in Deutschland, Großbritannien
und den Vereinigten Staaten gesammelt.
Überraschender Vorschlag
Die Nominierung Webers gilt als Überraschung, da zuletzt vor
allem Bundesbank-Vizepräsident Jürgen Stark als
chancenreichster Kandidat gehandelt wurde. Nach der Benennung
durch das Bundeskabinett wird der Bundesbankvorstand den neuen
Kandidaten der Regierung anhören und dann über ihn abstimmen.
Wir erwarten, daß ihn auch die Bundesbank akzeptiert, sagte
Ministeriumssprecher Müller am Dienstagabend.
In einer ersten Reaktion nannte der Vorsitzende der
CDU/CSU-Fraktion, Friedrich Merz, das Votum für Weber eine
fachlich in jeder Hinsicht überzeugende Lösung. Gegenüber der
Deutschen Presse-Agentur betonte Merz aber, es müsse sich noch
erweisen, ob Weber den schwierigen anstehenden
Umstrukturierungsprozeß der Bundesbank als Behördenchef
bewältigen könne.
Ein Falke oder eine Taube?
Der Wirtschaftsprofessor und Bankexperte Wolfgang Gerke nannte
die Nominierung Webers sehr überraschend. Weber sei ein hoch
angesehener Experte und genieße allerhöchste Reputation. Der
Vorschlag der Bundesregierung ist aber offensichtlich der
Versuch, an Jürgen Stark vorbeizukommen, sagte Gerke.
Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise nannte Weber einen sehr
kompetenten Ökonomen. Es sei aber schwer einzuschätzen, ob
Weber geldpolitisch ein Falke oder eine Taube werde. Der
Sachverständigenrat hat unter seinem Einfluß die Abkehr von der
Geldmengensteuerung hin zur Inflationssteuerung gemacht, sagte
Heise weiter.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung,
Klaus Zimmermann, sagte, Weber verfüge über tiefe Einblicke in
die nationalen und internationalen Institutionen sowie
entsprechende Kontakte und werde das Gewicht Deutschlands in
der EZB stärken. Der Wirtschaftsweise werde sich wie die
bisherigen Amtsinhaber der Geldwertstabilität verschreiben. Als
eigentliche Herausforderung für Weber, der über keinerlei
Erfahrungen mit Bürokratien verfüge, bezeichnete Zimmermann die
Aufgabe, die Bundesbank zu reformieren und gesund zu
schrumpfen. Er erwarte, daß sich mit Weber die Bundesbank zu
einem Zentrum für monetäre Forschung entwickle. Daran habe es
bislang gemangelt, sagte Zimmermann der Zeitung. Die Positionen
der Bank müßten in Europa wissenschaftlich untermauert werden.
Weber selbst wollte sich zunächst nicht zur Sache äußern. Er
wollte am Mittwoch zu Gesprächen ins Bundesfinanzministerium
reisen. Die Bundesbank wollte den Personalvorschlag zunächst
nicht kommentieren. Der Bundesbank-Vorstand hat kein Recht,
gegen die Nominierung Webers Einspruch zu erheben. Er hat aber
ein Recht auf Anhörung.
Spekulationen überschlugen sich
Zuletzt hatten als aussichtsreichste Kandidaten
Bundesbank-Vizepräsident Jürgen Stark,
Wirtschaftsstaatssekretär Alfred Tacke und Finanzstaatssekretär
Caio Koch-Weser gegolten. Im Laufe des Tages hatten sich zudem
die Spekulationen überschlagen. Genannt wurden die Namen Gerd
Häusler vom Internationalen Währungsfonds, Bernd Thiemann von
der Investmentbank Rothschild, KFW-Vorstandsmitglied Ingrid
Matthäus-Maier und Axel Nawrath, Bereichsvorstand der Deutschen
Börse. Alle standen nach Informationen der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung nicht zur Verfügung oder waren nicht
gefragt worden. Spekuliert worden war auch über den
Wirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Otto Ebnet
(SPD), sowie das Sachverständigenratsmitglied Peter Bofinger.
Der Name Weber war dagegen nicht gehandelt worden, da er bisher
keine politische und Verwaltungserfahrung aufweisen kann.
Diskutiert worden waren auch die Folgen der Besetzung des Amtes
des Bundesbankpräsidenten für die EZB. Im Mai 2006, vor den
Bundestagswahlen im Herbst 2006, scheidet EZB-Chefvolkswirt
Otmar Issing aus dem Direktorium aus. Die großen Euro-Staaten
haben vor wenigen Wochen in einem Präzedenzfall durchgesetzt,
daß für den im Mai ausscheidenden Spanier Eugenio Domingo
Solans mit José Manuel González-Páramo erneut ein Spanier in
das EZB-Direktorium einziehen darf. Es gilt als wahrscheinlich,
daß Deutschland Anspruch auf die Nachfolge erheben wird. Die
jetzige Besetzung der Bundesbankspitze könnte also
vorentscheidend sein.
Text: F.A.Z., dpa, Reuters, AP, AFP
Bildmaterial: dpa/Uni Köln
Quelle:
http://www.faz.net/s/RubC8BA5576CDEE4A05AF8DFEC92E288D64/Doc~E1C425AECDAC240BB9236B74E8C02B3C7~ATpl~Ecommon~Scontent.html