Ernstes zum 40. Geburtstag - HWF-Festveranstaltung: McKinsey-Europachef regte Ex-Kommilitonen zum Nachdenken an
Siegen. Ernstes zum 40. Geburtstag des ersten Absolventenjahrganges der ehemaligen »Staatlichen Höheren Wirtschaftsfachschule Siegen« (HWF, die SZ berichtete vorab): Im Artur-Woll-Haus der Universität Siegen lieferte Prof. Dr. Herbert Henzler rund 160 Gästen meist HWF-Absolventen und deren Anhang gestern Abend eine Standortbestimmung der
Presseresonanz vom: 09.10.2004
Erschienen in: Siegener Zeitung
Denn um den Standort »D« sei es auf diesem Wirtschaftsglobus
schlecht bestellt das Geld sucht sich zur Entfaltung enormer
Kapitalproduktivität die attraktivsten Plätze auf dieser Welt,
die fortschreitende Digitalisierung macht Kommunikation immer
billiger und befreit damit Wissen von Zeit und Ort sowie die
Deregulierung, sprich: Liberalisierung, schafft globalen
Wettbewerb. Der Globus dreht sich immer schneller, nur:
Deutschland hält mit dem Tempo nicht mit. Hohe
Arbeitslosigkeit, mangelhafte Wachstumsentwicklung, steigende
Staatsverschuldung, sinkendes Real-Pro-Kopf-Einkommen und
schrumpfende Selbständigenquoten, dazu Sozialsysteme, die dem
demografischen Wandel nicht gewachsen sein werden. Ein düsteres
»Standbild«. Henzlers Fazit mit Blick auf nur noch sieben
Millionen Mitarbeiter im Verarbeitenden Gewerbe (von 34
Millionen Beschäftigten bundesweit): »Wir sind längst keine
produktionszentrierte Gesellschaft mehr, wir müssen und werden
uns zur Wissensgesellschaft wandeln!« Prof. Dr. Henzlers
Forderung mit Blick auf die mageren Ausgaben für Bildung und
Forschung des Staates (weniger als 2,4 Prozent des
Bruttosozialproduktes): »Wir müssen irrsinnig in diesen Bereich
investieren. Nicht umsonst konnten die Chemie, die
Elektrotechnik und der Maschinenbau in Deutschland von 1870 bis
1910 dank großer Investitionen in die Köpfe unseres Landes
boomen und natur- wie ingenieurwissenschaftliche Erkenntnisse
in Produkte umgesetzt werden!«
Tatsächlich: Reichlich Ernstes zum Geburtstag der ehemaligen
HWF, der Vorgängerinstitution des heutigen Fachbereiches
Wirtschaftswissenschaften der heimischen Hochschule. Doch was
tun? Einige plakative Antworten lieferte eine Diskussionsrunde.
Auf dem Podium: Wissenschaft und Wirtschaft, deren Vertreter
argumentativ vom Großen ins Kleine gingen. So machte u. a. auch
Gründungsrektor Prof. Dr. Artur Woll die hohe Arbeitslosigkeit
»als Hauptproblem unserer gegenwärtigen Lage«aus. Der
Arbeitsmarkt sei kein richtiger Markt nach den üblichen
Kriterien, sondern eine »Veranstaltung zur
Arbeitsplatzsicherung«, die Tarifautonomie als Fessel der
Flexibilisierung »gehört abgeschafft«, so der renommierte
Volkswirtschaftswissenschaftler.
Zustimmung von Felix Hensel, Chef des Altenhundemer
Eletrotechnikunternehmens Gustav Hensel: »In den vorhandenen
Strukturen kommen wir mit den Gewerkschaften nicht vorwärts!«
Starre Strukturen und Rituale z. B. der »blockierende« Streit
um die generelle Arbeitszeitverlängerung hinderten auch
seinen Betrieb an der so notwendigen Steigerung der
Produktivität. Hensel verwies auf seine Branche: Die
Automatisierungs- und Rationionalsierungspotenziale seien
bereits oft ausgereizt, viele Unternehmen hätten schon
personal- und lohnintensive Bereiche oder komplette Standorte
nach Osteuropa verlagert.