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Die moderne Laterna Magica

Ein Ausflug in die Gegenwart an, bei dem erörtert wird, in welchem Maße die Spuren der Zauberlaterne noch heute im Unterhaltungsbereich zu finden sind.

Ist die Laterna Magica in irgendeiner Form heute noch aktuell? Hat ein solches frühes Unterhaltungsmedium im Zeitalter von Fernsehen, Computer-Spiele und Internetnutzung eine Chance auf Präsenz in der Gesellschaft? Ich bejahe das, allerdings in einem Sinn, der erklärt werden muss: Zum einen haben die Filmprojektoren im heutigen Kinobetrieb ihre Wurzeln allesamt in der Laterna Magica. Die Bilder sind nun nicht mehr statisch und müssen nicht mehr per Hand oder mechanisch gewechselt werden, aber das Prinzip der Projektion von Bildern an eine (Lein-)wand bleibt gleich. Dies gilt auch für den Diaprojektor.

Zum anderen gibt es in der Eventkultur unserer Zeit Veranstaltungsarten, deren Rezeptionssituation viele Gemeinsamkeiten mit der Besonderheit einer Laterna Magica-Schau haben. Das meiner Meinung nach bedeutendste Event ist das Konzert. Erwähnt seien aber auch Videoprojektionen (live visuals) zur Musik in Nachtclubs.

Erinnern wir uns aber zuerst noch einmal an einige Charakteristika der Laterna Magica-Schauen im 18. und 19. Jahrhundert: Die Bildinhalte einer solchen Vorführung bestanden aus einem Genremix von Motiven. Von Gebäuden, Landschaften, höfischen Jagdszenen bis hin zu obszön-pornografischen Bildern war alles dabei. Oftmals stellte nur eine Begrüßungs- und eine Schlussformel eine Art optische Klammer der ganzen Schau dar. Wichtig war immer die musikalische Begleitung mit Instrumenten und / oder Gesang bzw. dazu erzählten Geschichten. Es handelte sich also bereits um ein audio-visuelles Erlebnis mit Live-Charakter für ein sozial heterogenes Publikum.

Die Vorführungen einer Laterna Magica lockten damals aber nicht nur durch vorhandenes Interesse an den Bildern, die man dort zu sehen bekam. Es war eine Sehnsucht nach Lebensfülle, ein Bedürfnis nach Illusionen, Unterhaltung, gesellschaftlichem Ereignis und Emotionen, die das Publikum anzog. Das Interesse war sicherlich zweigeteilt: Auf der einen Seite die Aufmerksamkeit auf das, was vorne an eine Wand projiziert wurde. Andererseits aber eben auch Interesse in den Zuschauerraum hinein – welche Gesichter im Publikum kenne ich, wie reagieren die anderen auf das Dargebotene?!

Nicht zu vergessen ist die Einzigartigkeit einer solchen Bilderschau. Man begibt sich an einen extra dafür geschaffenen Ort, der nach außen hin abgeriegelt ist und gehört somit zu einem „auserlesenen“ Publikum. Es herrscht eine ganz eigene Atmosphäre. Der Raum wird verdunkelt, man ist den gezeigten Bildern ausgeliefert und kann sich ganz dem Ereignis hingeben.

Heute gibt es ähnliche Situationen von visuellen Ereignissen. Zwar haben sich die Seherwartungen verändert und das Dargebotene eines Konzerts ist nicht mit einer kleinen Serie an Bildern aus einer Laterna Magica-Schau zu vergleichen. Aber die Unterhaltungsprinzipien und der Eventcharakter bleiben gleich.

Massenevents üben heute immer noch eine hohe Anziehungskraft aus. Veranstaltungen wie große Partyreihen in Nachtclubs, Konzerte, Theater, Public Viewing von Sportereignissen aller Art oder Wahlkampfveranstaltungen zum „sich herzeigen“, zum „sehen und gesehen werden“, zum Eintauchen in die Masse und sich als eine Einheit fühlen. Die Musik verbindet die Individuen im Moment des Live-Erlebnisses. Man freut sich bereits lange Zeit vorher auf das Event, auch wenn es letztendlich nur zwei Stunden dauern mag und danach nur noch die Erinnerung bleibt – im Besten Fall noch eine Konzert-DVD, oder Filmmaterial im Internet.

Seit den Achtziger Jahren werden zudem die optischen Aspekte eines Konzerts verstärkt. Ging es ursprünglich darum, lediglich Musik live gespielt zu hören, sind die Bands und Künstler auf der Bühne mittlerweise in den Mittelpunkt gerückt und manchmal verschwinden sie auch dahinter: Erst kamen immer aufwendigere Lichteffekte dazu und mit dem massiven Fortschritt der Technik werden Konzerte heutzutage fast immer mit Hilfe von Videos, die auf großen Leinwänden abgespielt werden, zum audio-visuellen Hocherlebnis der Popkultur. Beispielhaft sind die visuellen Ereignisse zu nennen, die die US-amerikanische Sängerin Madonna inszeniert. Hinter ihren Bühnenshows steht mittlerweile ein technisch so hoher und ausgefeilter Aufwand, dass jeder Song von einem passenden und eigens zu diesem Zweck produzierten Video optisch untermalt wird. Teils werden auch Videos mit spezifischen Aussagen zum Überbrücken von kurzen Pausen zwischen zwei Songs eingesetzt, die mitunter moralisch-didaktischen oder politischen Charakter aufweisen.

„Get stupid“ von der „Sticky & Sweet“ Tour 2008:


„Sorry remix“ von der Confessions Tour 2006:


Auch bei den Rolling Stones, Pink Floyd und Michael Jackson – um nur einige wenige zu nennen – sind diese Videoprojektionen seit vielen Jahren im Einsatz und einem stetigen Wandel und einer ständigen Optimierung unterworfen.

Es handelt sich wie bei der Laterna Magica ausschließlich um Bilder mit intendierten Aussagen. Nichts wird dem Zufall überlassen. Im Laufe eines Konzerts wird ein ebenfalls wilder Genre- und Themenmix geboten, sodass möglichst viele Emotionen evoziert werden können. Im Falle von Madonnas Konzerten handelt es sich um straff organisierte Konzeptshows, die sogar thematische Blöcke bilden. Die „Sticky & Sweet“-Tournee 2008 beinhaltet die Sektion „Pimp“

„Candy Shop“:


in der es zunächst um Gangstertum, große Posen und Brillianten geht. Als nächstes wird der Zuschauer auf eine Reise ins New York der Achtziger Jahre genommen zum Themenblock „Old school“ – Seilspringen, poppig bunte Kostüme, Graffiti, DJ, U-Bahn.

„Into the groove“:


Es folgt die Sektion „Gipsy“ („La isla bonita“):


mit einer echten Zigeuner Band, wallenden Kostümen und Schnaps-Gelage und zuletzt schließt das Motto

„Disco“ („4 Minutes“):


inklusive futuristischer Kostüme das Konzert ab. Kurzum, die Möglichkeiten sind unendlich und was früher allein durch Musik, Licht, ein bisschen Nebel wie bei den Phantasmagorien , Kostüme und die Präsenz des Künstlers dargestellt wurde, erhält heute den Feinschliff durch hoch-ästhetische Videoproduktionen.

Eine bisher einzigartige und herausragende Idee wurde durch die Band „Gorillaz“ in Szene gesetzt. Zunächst gab es nur ein Album der Band, das mit Comic-Videoclips beworben wurde, in denen die Band als affenähnliche Wesen auftraten. Die eigentlichen Sänger und Macher der Band wollten im Verborgenen bleiben und schufen sich lediglich ihre Alter Egos. Mit dem immensen Erfolg der Band und dem Ruf nach Konzerten seitens der Fans wurde das Konzept entwickelt, die Band in Konzerte hineinzuprojizieren . Es wurden also Auftritte mit Publikum inszeniert, bei denen die Musik spielte. Die Band bestehend aus den affenähnlichen Wesen wurde auf Leinwänden auf die Bühne projiziert und teils zudem in „lebendigeren“ Posen und Perspektiven nachträglich per Computer hinzugefügt.



Es gab sogar einen „gemeinsamen“ Auftritt von den Gorillaz mit Madonna:


Dies erinnert an die Phantasmagorie - und Nebelbilder -Vorstellungen, die mit Hilfe der Laterna Magica im 18. Jahrhundert betrieben wurden und bei denen Geister und Personen mit Hilfe des Projektors „heraufbeschworen“ und zum Beispiel an eine Nebelwand projiziert wurden.

Noch heute sind also die Auswirkungen der Laterna Magica zu sehen und zu erleben und welche inneren Beweggründe die Zuschauer damals zu den Vorstellungen der Zauberlaterne getrieben hat, treibt vermutlich heute noch die Menschen an, wenn sie sich Konzerte anschauen und dort in den Genuss von audio-visuellen Vorstellungen kommen.

Des Weiteren wird die Projektionskunst mit der Laterna Magica an einigen Orten der Welt fortgeführt. In den USA gibt es ein umherziehendes Laterna-Magica-Theater , welches Vorführungen im viktorianischen Stil anbietet. Eine Beschreibung des Show-Repertoires kann man hier ansehen:





Lisa Hochmuth