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Konzeptionen des Medienwandels

 

apl. Prof Dr. Gebhard Rusch

Dienstag, 16-18 Uhr, AR-P 205


Der fachwissenschaftliche Diskurs zum Thema Medienwandel polarisiert. Einerseits werden im Wesentlichen evolutionäre Ansätze vorgetragen, wie sie zuletzt aus der Techniksoziologie und Technikdiffusionsforschung, dann aus der evolutionären Psychologie und Soziobiologie kommend vor allem in der Kommunikationswissenschaft aufgenommen werden. Angefangen mit Riepls Medienerhaltungstheorem (1913), demzufolge alle alten Medien mehr oder weniger akkumulativ jeder Medienneuzeit erhalten bleiben, bis hin zu Merten (1994) und Stöber (2003), die explizit evolutionäre Modelle zur Erklärung des Medienwandels heranziehen, betonen diese Ansätze zwar eine enorme Beschleunigung des medialen Wandels, zugleich aber auch die Kontinuitäten, die sozialen, politischen und ökonomischen Regularitäten, die Innovationen selektieren, limitieren, kanalisieren und konfigurieren.

Andererseits, und vor allem im medienwissenschaftlichen Kontext, werden oft sozusagen revolutionäre Ansätze vertreten, die Medienwandel vor allem als Umbruch, als rasche und radikale Veränderung vorstellen und damit z.B. an McLuhansche Positionen wie die der „Revolution“ durch die elektrischen bzw. elektronischen Medien (1962) oder auch an differenztheoretische Konzepte von Derrida bis Luhmann anknüpfen. Diese Ansätze betonen eher den Umstand und das Ausmaß von Veränderung, und versuchen zu zeigen, dass Veränderungen der Medien, insbesondere das Aufkommen „neuer Medien“ die ganze übrige Welt mitreissen. So finden sich in diesen Kreisen auch die größten Propheten (z.B. McLuhan, Flusser) und Apokalyptiker (z.B. Postman, Enzensberger) des Medienzeitalters.

Aber es gibt auch Zwischentöne in diesem Diskurs, vielleicht weniger spektakulär und daher weniger populär, aber durch die angebotenen vergleichsweise komplexen Erklärungsmodelle und die entsprechenden empirischen Befunde viel eher plausibel und nachvollziehbar. Es sind dies z.B. Arbeiten von Kultursoziologen, Kulturpsychologen und Kommunikationswissenschaftlern wie Walter Bühl, Karl Erik Rosengren, Colin Martindale, Franz Dröge & Gerd H. Kopper, Karl Eibl oder auch wieder Rudolf Stöber. Diese Arbeiten verfahren nicht medienhistoriographisch, sondern entwickeln Modelle kultureller Evolution jenseits einer bloß metaphorischen Anwendung Darwinscher Prinzipien auf die Medien und sie entwickeln Modelle kultur- bzw. mediensystemischer Dynamik.

Mit einer Argumentation entlang dieser Linien geht auch der Gedanke einher, dass die Triebkräfte des medialen Wandels keineswegs nur im Bereich der (Medien-)Technik, und noch weniger nur in den zivilen Nutzungen vormaliger Militärtechnik zu suchen sind, wie es z.B. Friedrich Kittler (1986) nahegelegt hat. Auch sind es nicht nur und nicht in erster Linie soziale Prozesse, die medialen Wandel anstoßen, formatieren, hemmen oder verstärken, wie Brian Winston (2000) und auf ganz andere Weise Friedrich Krotz (2001) oder Marshall Poe (2011) argumentieren. Vielmehr müssen wir annehmen, dass es im historischen Verlauf wechselnde Treiber des medialen Wandels gibt, dass neben Technik, sozialen und kulturellen Faktoren auch Kognition, Politik, Wirtschaft und ökologische Umwelt als generell entscheidende Einflussgrößen gelten müssen, die zeitweilig auch einzeln dominant und richtungsgebend werden können.

Das Seminar führt in diesen Diskurs ein, untersucht und diskutiert (an ausgewählten Textbeispielen) konzeptionelle Grundannahmen, Modelle und Theorien des Medienwandels.

Einen ersten Überblick können Sie sich verschaffen mit dem Artikel Rusch, Gebahrd (2007) Mediendynamik. In : Navigationen Jg. 7, H.1. 2007, S. 13 – 94.