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Superenergien aus dem All


Von kosmischen und irdischen Teilchenbeschleunigern


Sie trifft jeden von uns – jederzeit. Man kann ihr weder im Haus noch im Freien entkommen. Strahlung aus dem All – so genannte ‚kosmische Strahlung’ – durchbohrt den menschlichen Körper in Form von atomaren Teilchen hundertfach in jeder Minute. Für das Leben auf der Erde birgt das kosmische Bombardement Chancen und Risiken zugleich.


Risiken beinhaltet die, oftmals auch als ‚natürliche Radioaktivität’ bezeichnete Strahlung insbesondere für Menschen, die hoch hinaus wollen: Bergsteiger sind gefährdeter als Spaziergänger, Fluggäste wiederum gefährdeter als Bergsteiger. Die Strahlendosis steigt mit jedem überwundenen Höhenmeter. In den Flughöhen normaler Verkehrsflugzeuge ist die kosmische Strahlung so bedeutsam, dass das fliegende Personal im so genannten ‚Überwachungsbereich’ arbeitet. Damit unterliegen Piloten und Stewardessen genauso der Strahlenschutzaufsicht wie Personen, die in Kernkraftwerken, Wiederaufbereitungsanlagen oder in der Nuklearmedizin tätig sind, erklärt Professor Dr. Claus Grupen, Strahlenschutzexperte von der Universität Siegen.

Kosmische Strahlung kann Veränderungen im Erbgut des Menschen bewirken. Evolutionsgeschichtlich gesehen ist dieser bedrohlich erscheinende Effekt durchaus als Vorteil für das Dasein zu werten. So betrachten Biologen kosmische Strahlung gar als eine Voraussetzung für die Entstehung von Leben und als einen wichtigen Motor für evolutionäre Entwicklungen. Ohne die mutationsauslösende, ionisierende Strahlung hätte die Natur wohl kaum die heute zu beobachtende Artenvielfalt hervorgebracht.
Generell dringt allerdings nur ein geringer Teil des Teilchensturms, dessen Partikel stark unterschiedliche Energien aufweisen, bis zur Erdoberfläche durch. Denn unser Planet ist gegen diesen permanenten Teilchenstrom aus dem Weltall gut geschützt: Mit der Wirksamkeit eines Bleimantels legt sich zum einen das Magnetfeld unserer Erde als Strahlenblocker um unseren blauen Planeten. Wie Hagelkörner von einem Hausdach prallt eine Vielzahl der anstürmenden Partikel vom Magnetfeld der Erde ab. Zum anderen absorbiert die Erdatmosphäre einen Teil der kosmischen Teilchen, die in Form von Röntgen- und Gammastrahlung unserem blauen Planeten zu Leibe rücken. Damit verfügt das Leben auf unserem Planeten über einen höchst effektiven doppelten Strahlenschutz-Gürtel, der die Intensität der Strahlung wesentlich abschwächt; Astronauten auf dem Weg durch die lebensfeindlichen Weiten des Alls müssen freilich auf den Schutz der irdischen Rüstung verzichten.

Im Himmel und auf Erden: Teilchenbeschleuniger

Mit aufwendigen Experimenten rund um die Welt spüren Peter Buchholz und Ivor Fleck von der Universität Siegen den Geheimnissen der kosmischen Strahlung nach. Als Vielflieger sind sich die Professoren, die auf dem Gebiet der Astroteilchenphysik arbeiten, der Risiken der kosmischen Strahlung durchaus bewusst. Ebenso kennen sie aber auch den Zauber der Strahlung aus dem All. Wie zum Beispiel die spukhaften Leuchterscheinungen, die zur Winterzeit den nördlichen Sternenhimmel in ein Farbenmeer verwandeln. Das als ‚Polarlicht’ bekannte Phänomen zeigt kosmische Strahlung in ihrer schönsten Form. Wahrlich ins Schwärmen geraten die Forscher aber erst, wenn sie über das wissenschaftliche Forschungspotential sinnieren, das in dem kosmischen Teilchensturm steckt.
Denn die kosmische Strahlung deckt einen enormen Energiebereich ab. Zum Vergleich: Das Echo des Urknalls, die ursprünglich heiße Strahlung der kosmischen Geburt, hat sich mittlerweile auf etwa 250 Mikro-Elektronenvolt abgekühlt. Die Strahlung der Sterne im sichtbaren Spektralbereich ist mit etwa drei Elektronenvolt (eV) schon energiereicher. Dieser Bereich wird von der kosmischen (und medizinisch angewandten) Röntgenstrahlung mit zehn Kiloelektronenvolt (keV) bis 200 keV weit übertroffen. Kernprozesse in Reaktoren liefern Gammastrahlung von einigen Megaelektronenvolt (MeV). Die geladene kosmische Strahlung fängt bei MeV-Energien überhaupt erst an. Sie überstreicht ein enormes Energiefenster von Megaelektronenvolt bis zu den allerhöchsten Energien von 1020 eV. Insbesondere die kosmische Strahlung der hohen und höchsten Energie erregt das Interesse von Physikern aus aller Welt. Denn den Forschern ist bis heute nicht klar, welche Kräfte im Universum die Teilchen auf eine dermaßen hohe Energie katapultieren können.

Schon 1930 haben Physiker herausgefunden, dass man subatomare Teilchen, wie sie auch in der kosmischen Strahlung stecken, mit Hilfe elektrischer Felder auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigen kann. Bringt man Teilchen mit hoher Bewegungsenergie miteinander zur Kollision entstehen eine Vielzahl von Zerfallsprodukten an Hand derer Physiker wichtige Erkenntnisse über den Aufbau der Materie im Allerkleinsten gewinnen können. Seit dem ersten Van-de-Graaff-Generator bauen Physiker zu experimentellen Zwecken immer leistungsfähigere Teilchenbeschleuniger. Die bisher stärkste Maschine dieser Art, der ‚Large Hadron Collider’, kurz ‚LHC’ wird Ende 2007 am CERN in Genf in Betrieb genommen. Der LHC erzeugt dann Protonen mit Energien von sieben Tera-Elektronenvolt. Niemals zuvor hat der Mensch atomare Teilchen auf höhere Energien beschleunigt. Verglichen mit der hochenergetischen Strahlung aus dem All wirken die am CERN künstlich produzierten Energieskalen allerdings eher harmlos. Denn die energiereichsten Teilchen aus dem All weisen eine Energie auf, die zehn Millionen mal über derjenigen der LHC-Protonen liegt. Auch das Magnetfeld der Erde kann diese höchstenergetischen kosmischen Teilchen nicht mehr abwehren.

In den oberen Schichten der Erdatmosphäre kollidieren die primären Teilchen der kosmischen Strahlung, hauptsächlich Protonen, aber mitunter auch Atomkerne wie Helium oder Eisen, mit den Atomkernen der Moleküle der äußeren Luftschicht. Die Reaktionen der kosmischen Strahlung mit den Luftmolekülen ähneln den Stößen der Protonen am LHC. Bei diesen Zusammenstößen entstehen neue Teilchen, auch ‚sekundäre Teilchen’ genannt; gemäß der Einsteinschen Formel E = mc2 wird aus einem Teil der Energie des kosmischen Teilchens die Masse der neuen Teilchen erzeugt. Diese neuen Teilchen stoßen ihrerseits wieder mit den Luftmolekülen zusammen, so dass sich der Prozess vielfach wiederholt, bis zum Schluss eine Anzahl von vielen Millionen Teilchen produziert wird: die Menge dieser Teilchen wird Schauer genannt. Bei der Ankunft auf der Erdoberfläche besteht der Schauer fast ausschließlich aus Elektronen, Myonen, Photonen und Neutrinos und verteilt sich, je nach Energie des kosmischen Teilchens, über eine Fläche von wenigen Quadratmetern bis hin zu vielen Quadratkilometern. Ein gewisses Kontingent der Teilchen in diesem Teilchenschauer, die Myonen, die schweren Geschwister der Elektronen, durchdringen meterdicke Gesteinsschichten und werden selbst noch in ca. 100 Metern Tiefe in den Detektoren der Hochenergiephysiker in den Tunneln am LHC nachgewiesen.

Bis zum Bau der ersten Teilchenbeschleuniger konnte die Zusammensetzung von Atomen nur an Hand der kosmischen Strahlung erforscht werden. Charles D. Anderson konnte auf diese Weise das von Paul Dirac 1928 vorhergesagte ‚Positron’, das positiv geladene Antiteilchen des Elektrons, entdecken. Mit dem Bau von Teilchenbeschleunigern und der dadurch gegebenen Möglichkeit atomare Teilchen zu Forschungszwecken künstlich zu erzeugen, hat die kosmische Strahlung aber nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Denn einerseits bietet die kosmische Strahlung die Möglichkeit, Fragen der Hochenergiephysik in einem Energiebereich zu untersuchen, der gegenwärtig Beschleunigern noch verschlossen ist. Und andererseits tischt sie Forschern wie Ivor Fleck einige der spannendsten Rätselfragen der modernen Physik überhaupt auf. Seit mehr als 100 Jahren harren diese Fragen einer Antwort: Sind die kosmischen Beschleuniger, deren Teilchen wir hier auf der Erde messen, in unserer Milchstraße beheimatet? Oder kommen sie sogar aus extragalaktischen Entfernungen? Oder: Wie schafft es die Natur, so viel leistungsfähigere Beschleuniger zu bauen als der Mensch? Können wir von der Technik, die die Natur verwendet, für unsere irdischen Beschleuniger etwas lernen?

High-Tech in der Pampa

So enigmatisch die kosmische Strahlung den Physikern erscheint, so rätselhaft dürften sich dem Laien die Versuchsaufbauten präsentieren, mit denen die Physiker den Geheimnissen der kosmischen Strahlung auf die Spur kommen wollen. Die bedeutendste und größte Apparatur zur Erforschung der Strahlung aus dem All befindet sich in einer Weltgegend deren Name sprichwörtlich geworden ist für Natur gewordene Ereignislosigkeit. Der Volksmund weiß, dass man an diesem Ort der Welt nicht viel zu erwarten hat – schon gar nicht internationale Forschung auf Spitzenniveau. Die ‚Pampa’ ist eine weitläufige Grassteppe im Südosten Südamerikas. Nichts stört die Gleichförmigkeit dieses Landstrichs, sieht man einmal von dem in der Ferne leuchtenden Gebirgszug der schneebedeckten Anden und den braunen Rücken der hier und dort grasenden Rindviecher ab – einem der Hauptexportartikel der Republik Argentinien. Bis vor einigen Jahren. Mit Inbetriebnahme des ‚Pierre-Auger-Observatoriums’ im Jahre 2001 hat sich das Bild der zivilisationsfernen Steppenlandschaft nachhaltig verändert. Seltsame kreisförmige Objekte, schulterhoch, durchbrechen seitdem als gelbe Farbtupfer auf graugrünem Grund die Monotonie der Einöde.

1600 dieser Fremdkörper, Tanks, die mit ultrareinem Wasser angefüllt sind, überziehen in einem Abstand von eineinhalb Kilometern eine Fläche so groß wie das Saarland. Die Wassertanks bilden zusammen genommen einen riesigen Detektorschirm, der dem Nachweis von kosmischer Strahlung der höchsten Energie dient. Im Gegensatz zu niedrig energetischer kosmischer Strahlung, trifft die hier erforschte Strahlung – Strahlung, bei der die Energie des Aufschlags eines Tennisprofis auf die Größe eines Protons konzentriert ist – nur äußerst selten auf die Erde. Auf einer Fläche von einem Quadratkilometer wird nur ein Teilchen alle 100 Jahre erwartet. Dadurch, dass die Physiker in der Pampa Einzeldetektoren über ein riesiges, 3000 km2 großes Areal streuen, können pro Jahr immerhin circa 50 Ereignisse bei den allerhöchsten Energien beobachtet werden.

Zum Nachweis der kosmischen Strahlung in den Tanks machen sich die Physiker den so genannten Cherenkov-Effekt zu nutze.Treffen hochenergetische Teilchen der kosmischen Schauer auf einen der Auger-Wassertanks erzeugen diese beim Durchgang einen kurzen Lichtblitz. Dieser schwache Blitz wird mit Hilfe von Photovervielfältigern nachgewiesen. Aus der Stärke der Lichtsignale kann so auf die Intensität der Primärteilchen geschlossen werden. Um die Präzision der Datennahme zu verbessern, haben die Forscher zusätzlich zu den Tanks noch Teleskope in der zivilisationsfernen Hochebene installiert. Mit ihnen wird in den zwei Wochen um den Neumond herum der sternenklare Nachthimmel ausgespäht. Denn ein hochenergetischer Schauer erzeugt beim Eindringen in die Erdatmosphäre Fluoreszenzlicht. Die Beobachtungen in der Atmosphäre werden dann mit den Ergebnissen der Datennahme in den Wassertanks kombiniert. Durch die Redundanz in der Datenerhebung können Irrtümer der jeweiligen Messverfahren reduziert werden.

Ebenso wie der LHC-Teilchenbeschleuniger in der Schweiz, lässt sich auch ein Großforschungsprojekt wie das Pierre-Auger-Observatorium in Argentinien nicht im nationalen Alleingang realisieren. Vielmehr bedarf es der Gelder und Köpfe vieler Länder, um Spitzenforschung auf dem Niveau des physikalischen Erkenntnisinteresses unserer Zeit zu ermöglichen. Deutschland ist an Bau und Forschung von Auger mit vier vom BMBF geförderten Universitäten und zwei Forschungsinstituten beteiligt. Jedes Institut hat sich auf einen eigenen Bereich spezialisiert. Das neunköpfige Team um Professor Ivor Fleck von der Universität Siegen konzentriert sich in seiner Arbeit auf die Ausleseelektronik in den Wassertanks von Auger. In einer eigens für diese Zwecke angeschafften Klimakammer testen die Siegener, ob die Auslesekarten den Temperaturbedingungen in der Pampa standhalten. Die Elektronik muss sich unter Temperaturen von minus zwanzig Grad Celsius bis plus 70 Grad Celsius bewähren. Diese Untersuchungen werden auch unter Mitwirkung von Studierenden durchgeführt, die dadurch schon während des Studiums Kontakt zur aktuellen Forschung erhalten.
Generell spielt die Beteiligung des Nachwuchses für die Realisierung multinationaler Forschungsprojekte, wie bei Pierre Auger oder beim CERN in der Schweiz, eine sehr große Rolle. Denn nur durch die enge Verzahnung von Forschung und Lehre stehen der Physik überhaupt genügend Mitarbeiter für die Durchführung der arbeitsintensiven wissenschaftlichen Experimente zur Verfügung. So arbeiten zahlenmäßig viel mehr Promovierende und Diplomanden bei Auger als Professoren. Entsprechend frühzeitig muss sich der Nachwuchs in der Physik internationalisieren und vernetzen. Globale Mobilität wird damit zu einer unabdingbaren Voraussetzung für alle Aktivitäten in der Astroteilchenphysik. Schon in jungen Jahren begibt sich der Nachwuchs auf Dienstreisen, um Arbeitsabläufe mit Kollegen aus der ganzen Welt zu koordinieren. Aber auch auf nationaler Ebene findet ein reger Austausch statt. So hat die Universität Siegen im Februar das erste Treffen aller deutschen Doktoranden und Diplomanden, die am Pierre-Auger-Experiment arbeiten, ausgerichtet.

Kosmische Katapulte: Supernovaexplosionen

Was die kosmischen Teilchen auf ihre unvorstellbaren Geschwindigkeiten bringt, wissen die Physiker, wenige Jahre nach Inbetriebnahme von Auger, noch nicht. „Es gibt eine Reihe von plausiblen Annahmen über Beschleunigungsmechanismen“, erklärt Ivor Fleck. Die populärste Idee geht demnach davon aus, dass Schockwellen in Supernovaexplosionen die Teilchen auf Touren bringen. „Diesen relativistischen Schocks traut man zu, Teilchen auf bis zu 1015 Elektronenvolt katapultieren zu können“, so Fleck. „In den großen Weiten des Universums können diese Teilchen dann durch die Wechselwirkung und Kollision mit ausgedehnten Magnetwolken nachbeschleunigt werden“, ergänzt Buchholz und stützt sich damit auf eine Theorie des berühmten Physikers Enrico Fermi. Dies sei aber nicht die einzig mögliche Erklärung: „Auch der Zerfall noch unentdeckter massereicher Ur-Elementarteilchen oder primordialer topologischer Defekte könnte eine Quelle hochenergetischer Teilchen sein“, so Buchholz.

Als wollten die Physiker mit der Beschleunigung ihrer Erkenntnisobjekte Schritt halten, treiben auch sie die Forschung zur hochenergetischen kosmischen Strahlung in stetig steigendem Tempo voran. So ist für 2009 die Installation eines weiteren Observatoriums von der Größe von Auger auf der nördlichen Erdhalbkugel geplant. Dieses Zwillingsprojekt in Colorado, USA, wird den nördlichen Teil des Himmels beobachten und so, zusammen mit dem Projekt in Argentinien, den kompletten Himmel abdecken.
Die Forscher spüren den Geheimnissen der winzigen Boten aus den Tiefen des Alls aber nicht nur in den zivilisationsfernen Gegenden unserer Erde nach. Auch in den globalen Ballungsgebieten haben die Wissenschaftler Experimente installiert, die ihr Bild von den extraterrestrischen Partikeln vervollständigen. So greift das Team von Peter Buchholz auch auf Daten zu, die in Deutschland gewonnen werden. Bei ‚KASCADE-Grande’ am Forschungszentrum Karlsruhe untersuchen die Siegener, wiederum im Verbund mit zahlreichen anderen Universitäten, kosmische Schauer, deren Energie im Bereich von 1014 bis 1018 eV liegt und die mit einer Rate von weniger als einem Teilchen pro Tag und pro Quadratmeter auftreffen. Für das Experiment haben die Wissenschaftler 289 Detektoren über das Gelände des Forschungszentrums verteilt. Ergänzt wird KASCADE-Grande durch das Experiment LOPES. LOPES funktioniert als eine Art Horchposten. Das Experiment misst die Radiosignale der durch kosmische Strahlung ausgelösten Luftschauer im Frequenzbereich von 40 bis 80 Megahertz.

In einigen Jahren hofft das Team von Ivor Fleck und Peter Buchholz dann ein paar von den Rätseln um die kosmische Strahlung gelöst zu haben. Derweil werden die Mitarbeiter sich aber auf ihren regelmäßigen Flügen in die argentinische Pampa noch viele Male selbst dem kosmischen Teilchenregen in den oberen Luftschichten der Atmosphäre aussetzen müssen.


Polarlicht

In den Polregionen verlaufen die Feldlinien des Erdmagnetfeldes nicht horizontal sondern senkrecht. Elektrisch geladene Teilchen aus dem All können dadurch tief in die oberen Luftschichten der Erdatmosphäre eindringen. Sie reagieren mit den Molekülen der Luft und geben ihre Energie z.B. als Fluoreszenzlicht an die Umgebung ab.


Gefahr für die Gesundheit?

Der Kosmos ist eine Quelle natürlicher Strahlung, der wir Menschen täglich ausgesetzt sind. Daneben gibt es aber auch natürliche Strahlenquellen auf der Erde. So enthält beispielsweise auch Gestein oder Wasser radioaktive Atomkerne, die als ‚terrestrische’ Strahlung auf den Menschen einwirken. Kosmische und terrestrische Strahlung bilden den einen Teil der vom Menschen zu verkraftenden Strahlenexposition. Den anderen Teil bildet die ‚zivilisatorische’ oder auch ‚künstliche’ Strahlung. Zu dieser zählt die in der Medizin eingesetzte Röntgenstrahlung, Abluft aus Kohlekraftwerken und Kernkraftwerken; aber auch nukleare Unfälle wie Tschernobyl tragen zur künstlichen radioaktiven Strahlung bei.

Die radioaktive, richtiger ‚ionisierende’ Strahlung stellt ein stochastisches Risiko für Krebserkrankungen dar. Man erwartet Krebserzeugungswahrscheinlichkeiten von fünf Prozent pro ein Sievert (Maßeinheit für die Energiemenge pro Masse) absorbierter Strahlendosis. Bei typischen Strahlungsdosen von drei bis fünf Millisievert pro Jahr durch natürliche (kosmische Strahlung, terrestrische Strahlung) und zivilisationsbedingte Belastungen handelt es sich aber um ein Risiko, das man tragen kann (und muss), denn es ist klein im Verhältnis zu anderen Risiken, denen man sich täglich aussetzt (z.B. Straßenverkehr).

Neuere Forschungsergebnisse legen sogar nahe, dass ein wenig Radioaktivität durchaus für den Menschen nützlich sein kann; denn die ionisierende Strahlung stimuliert das Immunsystem des Menschen und macht es dadurch abwehrbereit für viele andere biologische Angriffe (Hormesis).

Mit einem Programm des Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit (GSF) kann man im Internet die Strahlenbelastung errechnen, der man während eines Fluges ausgesetzt ist:
http://www.gsf.de/epcard2


Cherenkov-Strahlung

Die Cherenkov-Strahlung benannt nach ihrem Entdecker Pawel Alexejewitsch Cherenkov, entsteht immer dann, wenn geladene Teilchen eine höhere Geschwindigkeit haben, als die Lichtgeschwindigkeit in dem Medium, in dem sie sich bewegen. Das klingt zunächst paradox, wird aber verständlich, wenn man weiß, dass die Lichtgeschwindigkeit kein absoluter sondern ein relativer Wert ist. So ist die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum die höchste erreichbare Geschwindigkeit überhaupt. In einem Medium, wie z.B. Luft oder Wasser hingegen, ist die Lichtgeschwindigkeit geringer. Die geladenen Teilchen in den kosmischen Schauern haben beinahe die Vakuumlichtgeschwindigkeit inne und bewegen sich daher mit einer Geschwindigkeit, die größer ist als die Lichtgeschwindigkeit in Luft und Wasser. Beim Vorbeiflug eines geladenen Teilchens an einem Atom wird dessen Elektronenhülle kurzzeitig polarisiert und strahlt durch die Induktion eines zeitlich veränderlichen elektrischen Dipolmoments elektromagnetische Wellen ab. Wenn die Geschwindigkeit des vorbeifliegenden Teilchens größer als die Lichtgeschwindigkeit in diesem Medium ist, so überlagern sich die elektromagnetischen Wellen aller Atome unter einem bestimmten Winkel konstruktiv – eine intensive Lichtstrahlung entsteht.
Auch Astronauten kennen diesen Effekt. So berichteten Raumfahrer über Lichtblitze, die sie trotz geschlossener Augen gesehen haben wollen. Das Rätsel ist auch hier mit Cherenkov zu lösen: geladene Teilchen dringen in Wasser ein – in diesem Fall in das Zellwasser des Augapfels der Astronauten. Das Cherenkov-Licht ist in seinem Mechanismus das Analogon zum Überschallknall, wenn Flugzeuge oder andere Körper sich schneller als der Schall fortbewegen.



Ansprechpartner
Prof. Dr. Ivor Fleck
Experimentelle Teilchen- /Astroteilchenphysik
Telefon: +49 271 740 3628
Telefax: +49 271 740 3886
fleck@hep.physik.uni-siegen.de

Pierre Auger Observatorium
www.auger.de
KASCADE - Grande Observatorium
http://www.ik.fzk.de/KASCADE

Literaturtipp:
Grupen, Claus: Grundkurs Strahlenschutz.
Praxiswissen für den Umgang mit radioaktiven Stoffen. Berlin, 2003