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Lehr- Lern-Forschung:

Scharnier zwischen Didaktik und empirischer Bildungsforschung

 

Angestoßen durch die PISA-Studien ist die Verbesserung des deutschen Bildungssystems in aller Munde. Diskutiert wird über Bildungsstandards, die Verkürzung der Ausbildungszeiten, Verbesserung der Bildungschancen von sog. Risikogruppen etc. Es sind bereits viele Aktivitäten auf administrativer Ebene entwickelt worden. Wie aber läuft der Unterricht in den Schulen tatsächlich ab? Wie wirken sich neue didaktische Konzepte auf das Lernen der Schüler aus? Welche Effekte zeitigen Ausbildungskonzepte in Berufs- und Hochschulbildung?

Antworten auf diese und andere Fragen zu Lehr-Lern-Vorgängen im Unterricht gibt die Lehr-Lern-Forschung (LLF). Auf der Grundlage anspruchsvoller empirischer Forschung setzt sie sich u.a. mit Akteuren (Schüler, Lehrer), Prozessen, Rahmenbedingungen und Ergebnissen von Unterricht auseinander. Lehr-Lern-Forschung diskutiert auch die unterrichtspraktische Bedeutung ihrer Ergebnisse. Von der Didaktik grenzt sie sich jedoch durch die Ausrichtung auf empirisch wissenschaftliche Erkenntnisbildung ab und nimmt mithin eine Scharnierfunktion zwischen empirischer Bildungsforschung und Didaktik ein. LLF wird oft innerhalb der (pädagogischen) Psychologie und neuerdings auch als neuropspychologische Lernforschung betrieben.

Besonderheiten der Siegener LLF:
•Sie ist in der universitären Lehrerbildung verankert, im Rahmen derer Fachdidaktiker und Erziehungswissenschaftler sowie Psychologen und Soziologen mit eigenen und gemeinsamen Forschungsprojekten inhaltlich, forschungsmethodisch und organisatorisch kooperieren (Interdisziplinarität).
•Die Forschungsfragestellungen zeichnen sich i.d.R. durch einen Bezug zur schulischen Praxis aus und sind z.T. mit der Umsetzung von Konzepten zur Verbesserung der hochschulischen Lehre (z.B. Danckwerts: ‚Mathematik neu denken‘) und des schulischen Unterrichts (z.B. Schlösser: ‚Experimental Economics‘) verbunden. Von besonderer Bedeutung ist hier die Mitarbeit von abgeordneten Lehrerinnen und Lehrern, die Forschungsarbeiten ausgehend von und im Hinblick auf Fragestellungen der eigenen pädagogischen Praxis durchführen (Anwendungsbezug und Handlungsorientierung).
•Die Siegener LLF richtet sich dabei insbesondere auf das regionale Umfeld der Universität Siegen aus und kooperiert mit Schulen und Studienseminaren der Region. Angestrebt wird der Verbund einer umfassenden Forschungs-Praxis-Kooperation in der Region Siegen (regionale Orientierung in der Trias von Hochschule, Schulen und Studienseminaren).

Ausgewählte Projekte der Siegener LLF:

Panelstudie zur Lehrerbildung an der Uni Siegen

Ein zentrales Gemeinschaftsprojekt der Mitglieder der Forschungsstelle LLF ist die Untersuchung der Effekte der Siegener Lehrerbildung im Hinblick auf Einstellungen zu Unterricht und Lehrerrolle der Siegener Lehramtsstudierenden. Eine Besonderheit dieser Studie ist, dass sie die Studierenden zu unterschiedlichen Ausbildungszeitpunkten befragen wird und so die Entwicklungswege der Befragten erheben und nachzeichnen kann. Diese weitgehenden Einblicke können dadurch erweitert und ausdifferenziert werden, dass die Studierenden zusätzlich zu fachdidaktisch relevanten Fragestellungen in ihren gewählten Fächerschwerpunkten befragt werden. Die Studie wurde mit der ersten Befragung der Studierendengeneration 2007/2008 im Herbst 2007 unter der Beteiligung der Fachdidaktiken Biologie, Deutsch, Fremdsprachen und Sozialwissenschaften begonnen. Erste Ergebnisse werden im Juni 2008 vorliegen. Die Studie wird voraussichtlich mit einer Frequenz von zwei Jahren immer wieder neue Studierendengenerationen über die Zeitpunkte Studienbeginn, Abschluss des Grundstudiums, Studienabschluss, Referendariat, Berufseinstieg befragen und sukzessive weitere fachdidaktische Befragungen integrieren. Das Ergebnis wird eine einmalige Studie über die Prozesse des Lehrerwerdens und den Einfluss verschiedener Ausbildungskontexte (Lehrveranstaltungen, Praktika, Referendariat) auf diese Prozesse sein.

Forschungsprojekte der abgeordneten Lehrerinnen und Lehrer

Die Praxisorientierung und der Handlungsbezug der LLF Siegen wird besonders deutlich an den Forschungsarbeiten der mit der Forschungsstelle assoziierten abgeordneten Lehrer. Die Projekte werden nachfolgend kurz vorgestellt. Eine ausführliche Darstellung der Forschungsprojekte wird noch im ersten Halbjahr 2008 im Buch ‚Lehr-Lern-Forschung in und für Schule‘, das von der Forschungsstelle herausgegeben wird, veröffentlicht werden. Folgende Projekte werden aktuell bearbeitet:

Die Konsumenten - Erfahrungen von Vierzehnjährigen als Ansatzpunkt für ökonomische Bildung (Erika Zabanoff)

Die Forschungsarbeit untersucht die Konzepte von ca. 500 Vierzehnjährigen aus unterschiedlichen Schulen Siegens über ihr Verhalten als Verbraucherinnen und Verbraucher, die ihr Denken und Handeln steuern. Diese Konzepte werden mit Hilfe der ökonomischen Verhaltenstheorie beschrieben und analysiert. Es zeigen sich auffällige Unterschiede sowohl im Verbraucherverhalten als auch in der Erklärung von Verbraucherentscheidungen. Die Ergebnisse der Untersuchung können Lehrerinnen und Lehrer nutzen, um Ansatzpunkte dafür zu gewinnen, wie sie Jugendlichen wirkungsvoller als bisher ökonomische Kompetenzen vermitteln können.

 

Lernen über Naturwissenschaften: implizit oder explizit? Vergleichende Fallstudie zum Potential eines implizit-experimentellen versus explizit-theoretischen Erwerbs von Wissen über Naturwissenschaften (Volker Hofheinz)

Ausgehend von der Einführung neuer Formen des Experimentierens im Chemieunterricht, das auf dem Wege des ‚learning by doing‘ erfahrungsorientiert auch implizites Wissen über naturwisschaftliches Arbeiten vermittelt, wurde in der Forschungsarbeit dieses Vorgehen mit der weithin üblichen Form der eher auf handwerkliche Aspekte abzielende Schülerversuche verglichen. Beantwortet werden soll die Frage, welche Effekte das implizite Lernen auf die Vorstellungen der Schüler über den Lernbereich der ‚Natur der Naturwissenschafen‘ hat.

 

Lesen und kultureller Wandel. Kultursoziologische Rezeptionsforschung zur literarischen Bildung im Medienzeitalter (Christian Dawidowski)

Die Habilitationsforschung geht der Frage nach, mit welchen Vorstellungen und handlungsleitenden Deutungsmustern der Begriff der literarischen Bildung für Befragte der Jahrgänge 1983-1988 umgeben ist. In der Auswertung von 15 narrativen Interviews zur Literatur- und Mediensozialisation zeigte sich, dass in dem untersuchten Hochkulturschema klare Vorstellungen von literarischer Bildung existieren, die jedoch völlig anders sind als traditionelle Vorstellungen. So wird von ihnen nur noch die äußere Form, nicht aber ‚unterhaltende‘ oder ‚emotionale‘ Faktoren übernommen. Literarische Bildung wird als wichtig zur Durchsetzungsfähigkeit eingeschätzt, sie dient in vielerei Hinsicht zur Markierung von Distinktion. Insofern sind in den untersuchten Milieus die Vorstellungen von dem, was Bildung heißt, klar motivierend. Ergänzende Studien zu eben solchen Vorstellungen z.B. in der Hauptschule zeigen, dass in solchen Milieus die fehlenden Möglichkeiten zum Anschluss an Bildungsdiskurse zur Demotivation und Frustration führen. Insofern bestätigt die Studie das wachsende Auseinanderklaffen von Bildungsschichten in unserer Gesellschaft am Beispiel des Lesens.

Fachdidaktische Forschungs- und Entwicklungsprojekte (Rainer Danckwerts, Kirsten Schlüter)

Ein gutes Beispiel sowohl für die regionale als auch die anwendungsorientierte Forschung und Praxisentwicklung sind die Forschungsprojekte ‚Mathematik Neu Denken‘ von Prof. Danckwerts und ‚Forschend-entdeckendes Lernen‘ von Prof. Schlüter. In beiden Projekten geht es darum, dass durch neu gestaltete Übungsbetriebe im Studium und der Reflexion eigener Lernprozesse Studierende der Mathematik und der Biologie erfahren, wie mathematisches bzw. biologiewissenschaftliches Wissen entsteht und wie es dann mit ähnlichen Methoden an die Schüler im Schulunterricht vermittelt werden kann. Es geht hier mithin um die Verbesserung der universitären fachdidaktischen Lehrerausbildung und damit auch der Lehr-Lern-Prozesse im schulischen Unterricht, den die Studierenden zunächst in Praktika, dann im Referendariat und schließlich als Lehrer durchführen werden. Die entsprechenden Evaluationsergebnisse im Bereich der Mathematik sind außerordentlich ermutigend (s. auch kommendes Extrakte-Heft zum Jahr der Mathematik).

SCHLAU: Schichtspezifisches Lernen außerhalb von Unterricht (Jörg Siewert)

Die Dissertationsforschung ist Teil eines größeren Forschungsprojektes, an dem auch Prof. Hans Brügelmann, Hendrik Coelen und Prof. Hans-Werner Heymann beteiligt sind. Im Projekt SCHLAU geht es um die Aufklärung schichtspezifischer Bildungsbenachteiligung. Es wird untersucht, ob sich der Ferieneffekt aus den USA, der auf die Bedeutung kontinuierlicher Anregung und Unterstützung fachlichen Lernens verweist, in Deutschland replizieren lässt, und welcher Art die schichtspezifisch unterschiedlichen Erfahrungen und die ihnen zugrunde liegenden Aktivitäten sind, die fachliches Lernen außerhalb der Schule befördern.

BLISS: Ein konventionalisiertes Zeichensystem als Brücke vom gegenständlichen Zeichnen zur alphabetischen Schrift (Thomas Franzkowiak)

In dem Forschungs- und Praxisentwicklungsprojekt wurde in einer Feldstudie ein logografisches Zeichensystem (BLISS) im Vergleich zur alphabetischen Lautschrift und zur phonologischen Förderung eingeführt und untersucht, ob der Umgang mit grafischen Symbolisierungsformen die Erfolgschancen im Lese- und Schreibunterricht verbessert, und zusätzlich, ob der Weg über BLISS für Kinder mit wenig Schrifterfahrung Vorteile gegenüber einer direkten Hinführung zur Schrift bietet. Von 1997 bis 2001 wurden dafür drei Interventionen (BLISS als logografisches Zeichensystem vs. Einführung in die alphabetische Schrift vs. phonologische Förderung ohne Schriftbezug) im Kontrollgruppenvergleich einander gegenübergestellt. Die Studie steht kurz vor dem Abschluss und als Ergebnis zeichnet sich ab, dass bezüglich des Lernzuwachses im Anfangsunterricht die ‚BLISS-Gruppe‘ nur leichte Vorteile gegenüber den Kontrollgruppen besitzt. Deutlicher ist die Überlegenheit der BLISS-Gruppe bei Kindern mit ungünstigen Voraussetzungen, nämlich bei den unteren 25% der normal eingeschulten Kinder sowie bei den im Schulkindergarten geförderten, vom Schulbesuch zurückgestellten Kindern.

 

Text ist frei zum Wiederabdruck

 

Ansprechpartner:


Dr. Michael Appel
Universität Siegen
Telefon: XX49 (0)271 740 2024
appel@fb2.uni-siegen.de
Zentrum für Leherbildung (ZFL)
http://www.uni-siegen.de/fb2/lehr-lern-forschung/